Künstliche Intelligenz News : Wann ersetzt KI unsere Jobs, Herr Mück?

Forschung in der Pflanzenzucht im Labor und Gewächshaus, Generative AI - symbolische Illustration.

Kluge Algorithmen haben gegen neuronale Netze und große Rechenleistung verloren

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Sowohl im privaten als auch im geschäftlichen Bereich verbreitet sich künstliche Intelligenz derzeit wie ein Lauffeuer. Auslöser sind Programme wie ChatGPT. Sie können selbständig Texte, Bilder und inzwischen auch Videos auf gutem und immer besser werdendem Niveau erstellen. Noch habe kein Unternehmen deshalb Mitarbeiter entlassen, ist Thomas Mück, Präsident der Organisation Gesellschaft für Informatik (OGC), überzeugt. "Aber im Fünf- bis Zehnjahreshorizont wird es natürlich einige Berufsgruppen treffen", sagt er.

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Der KI-Boom könne zwar einerseits das Ausscheiden der Babyboomer aus dem Arbeitsmarkt teilweise kompensieren, gleichzeitig werde aber gerade in Bereichen wie der Kreativwirtschaft der Einstieg für junge Menschen schwieriger.

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"Seitdem man ohne Girokonto nicht mehr vernünftig existieren kann, sind sie nicht mehr gratis"

Nach vorsichtiger Schätzung könnten Programme, die heute mit generativer künstlicher Intelligenz (KI) arbeiten, also neue Inhalte generieren, bei einer 40-Stunden-Woche netto etwa 1,5 Stunden Zeit einsparen, schätzt Mück. Denn auch wenn die ersten Entwürfe der Programme keinesfalls ohne menschliche Kontrolle und Nachbearbeitung auskämen, sei man schneller, "als wenn man auf der grünen Wiese startet".

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Wer also KI einsetzen kann, hat einen Wettbewerbsvorteil, betont Mück, der bis 2001 Vorstand des Instituts für Informatik und Wirtschaftsinformatik an der Universität Wien war und seit knapp einem Jahr neben seinem Brotberuf als stellvertretender Generaldirektor der Unfallversicherungsanstalt (AUVA) den gemeinnützigen Verein "Österreichische Computergesellschaft" OCG leitet. Zu den 1.200 Mitgliedern zählen IT-Unternehmen, Ministerien, Forschungs- und Bildungseinrichtungen. Ziel ist die "Förderung der Informatik und der Kommunikationstechnologie".

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Zum derzeitigen Siegeszug der generativen KI hat beigetragen, dass sie für Privatpersonen kostenlos und für Unternehmen kostengünstig verfügbar ist. Mück geht aber davon aus, dass dies bald ganz vorbei sein oder nur noch für Basismodelle gelten wird. Das sei wie bei den Girokonten, die anfangs von den Banken kostenlos zur Verfügung gestellt wurden, aber "seitdem man ohne Girokonto nicht mehr vernünftig existieren kann, sind sie nicht mehr gratis".

Thomas Mück OCG
Thomas Mück - © OCG

Europas KI-Zukunft in Gefahr: Finanzierungslücken und Monopolbedrohungen

Für das Training von Modellen der Künstlichen Intelligenz sind große Datenmengen und viel Rechenleistung erforderlich. Je mehr Daten gefüttert werden, desto besser werden die Modelle. Und je häufiger sie eingesetzt werden, desto größer wird ihr Vorsprung. Nur wenige Großunternehmen verfügen über die notwendigen Ressourcen. Der deutsche KI-Verband warnte bereits 2021 in einer Analyse davor, dass Monopole oder Oligopole bei KI-Modellen entstehen könnten - und Europa bisher nicht an der Spitze steht.

So hat Amazon inzwischen 4 Mrd. Dollar in das KI-Start-up Anthropic investiert, Microsoft hat sich mit 10 Mrd. Dollar bei OpenAI eingekauft und in Großbritannien und Deutschland wurden KI-Investitionen von jeweils rund 3 Mrd. Euro angekündigt. Auch bei Google (Bard) und Facebook, aber beispielsweise auch beim chinesischen Technologiegiganten Baidu fließen Milliarden in diesen Bereich.

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Da kann Europa finanziell nicht mithalten. Mück nennt zwei europäische Vorbilder. Das französische "Mistral AI", das bisher rund eine halbe Milliarde Euro eingesammelt hat, und das Trust LLM an der schwedischen Universität Linköping, das sich bisher vor allem aus europäischen Forschungsgeldern finanziert. Auch die deutsche KI-Firma Aleph Alpha ist mit rund einer halben Milliarde Euro finanziert.

Inzwischen kann die Wissenschaft finanziell nicht mehr mithalten. Obwohl Europa in der KI-Forschung führend wäre, hapere es an der Umsetzung in die Praxis, so Mück. Die meisten marktreifen KI-Modelle würden derzeit von US-Firmen angeboten, während in Asien, vor allem in Indien und China, die nötige enorme Rechenleistung gebündelt werde. Europa drohe den Anschluss zu verlieren, ähnlich wie bei Elektroautos oder Photovoltaik. Denn am Ende werden weltweit nur wenige KI-Modelle übrig bleiben, erwartet Mück.

Durch die Digitalisierung gibt es extrem viele Menschen, denen die eigene Gegenwart fremd wird, die sich nicht mehr orientieren können.

Datenschutz in der KI-Ära: Mück äußert Bedenken

Bedenken wegen des Datenschutzes hat Mück hingegen nicht. Datenschutz sei wichtig und sachlich gut beherrschbar, werde aber immer wieder "als Keule instrumentalisiert", wenn Lobbygruppen Projekte vereiteln wollen: "Wenn ich etwas im weitesten Sinn für politisch nicht opportun halte, ist es in Europa das Einfachste, mit dem Datenschutz zu kommen", klagt Mück. Es seien auch nicht die strengen Gesetze in Österreich und Europa, an denen Projekte scheitern, sondern Interessengruppen, die das Thema nutzen, um ihnen unliebsame Dinge zu Fall zu bringen. Das könne natürlich auch bei KI passieren, räumt er ein. Andererseits sei klar, dass man in Europa mit der "Grundangst" der Menschen umgehen müsse, von der IT überrollt zu werden. "Durch die Digitalisierung gibt es extrem viele Menschen, denen die eigene Gegenwart fremd wird, die sich nicht mehr orientieren können". Dem müsse man Rechnung tragen.

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Studie zur KI: Auswirkungen auf Arbeitsplätze neutral betrachtet

Mück begrüßt daher auch die kürzlich auf europäischer Ebene beschlossene Regulierung von KI, den "AI Act". Dieser reguliert KI-Modelle je nach "Risiko" für den Menschen unterschiedlich stark. Doch "ob der AI Act schon der Weisheit letzter Schluss ist, da würde ich jetzt nicht darauf wetten". Denn die Entwicklung gehe zu schnell, als dass der Gesetzgeber Schritt halten könne. Die Schaffung von Spielregeln sei zwar "nicht optimal gelungen, aber das macht nichts, es ist ein guter Versuch", so Mück. Die EU-Regulierung sei in gewisser Weise Symbolpolitik, aber es sei wichtig, den Menschen zu signalisieren: "Wir wollen nicht Passagiere sein". Wettbewerbsnachteile durch die Regelung befürchtet er nicht.

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Neuronale Netze: Die Realität hinter KI

Dass moderne KI-Modelle ein "neuronales Netz" abbilden und letztlich nur die Wahrscheinlichkeit bestimmter Wortfolgen abschätzen - faktische Wahrheit oder Richtigkeit sind kein Kriterium - ist nicht allen bewusst. KI könne daher auch "halluzinieren", also neue Fakten erfinden. Mück macht keinen Hehl daraus, dass ihm eine KI, die sich an logischen und mathematischen Gesetzmäßigkeiten orientiert, am liebsten wäre. Doch dieser Ansatz habe sich nicht durchgesetzt. "Der sentimentale Favorit, wie so oft, hat uns nicht wirklich weitergebracht". Regelbasierte Algorithmen seien nicht oder nur für sehr eingeschränkte Anwendungen "die richtige Repräsentationsform" gewesen.

Das neuronale Netz hingegen, das nichts mit formaler Logik zu tun habe, habe "in der Praxis funktioniert", auch wenn man nicht immer genau wisse, warum. Damit sei es "von außen betrachtet durchaus mit menschlichem Denken vergleichbar", räumt Mück ein. Tatsächlich aber würden nicht "elegante Algorithmen" Intelligenz darstellen, sondern "nur die enorme Rechenleistung", also "Brute Force".