Stahlindustrie : Voestalpine: Massiver Gewinneinbruch; Sparmaßnahmen notwendig

Voestalpine

Gewinneinbruch bei der Voestalpine

- © Fotostudio Eder - Linz

Der Stahlkonzern voestalpine mit Sitz in Linz bekommt die schlechte Konjunktur zu spüren. Wie das Unternehmen am Mittwoch mitteilte, halbierte sich der Gewinn nach Steuern in den ersten drei Quartalen 2023/24 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 864 Mio. auf 431 Mio. Euro. Mit 12,4 Milliarden Euro ging der Umsatz um 8,8 Prozent zurück. "Der erwartete Konjunkturrückgang war in den ersten neun Monaten des laufenden Geschäftsjahres deutlich spürbar", sagte Konzernchef Herbert Eibensteiner.

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Der konjunkturelle Abschwung macht sich laut Konzernangaben in einigen Bereichen bemerkbar: So hätten sich etwa die zinssensitiven Segmente der Bauwirtschaft, des Maschinen- und Anlagenbaus, der Konsumgüterindustrie sowie generell die Investitionen in industrielle Produktionsanlagen deutlich abgeschwächt. Hier sei aus heutiger Sicht nicht damit zu rechnen, dass sich diese im weiteren Jahresverlauf wieder zu erholen beginnen. Stabil auf dem aktuellen Niveau auch im letzten Quartal ist aus Sicht der Konzernleitung das Segment Automotive. Das Segment Energie wird die bisher gute Dynamik fortsetzen. Auch für das Segment Bahnsysteme wird mit einer anhaltend guten Marktentwicklung gerechnet. Gleiches gilt für die Luftfahrtindustrie, wo nach dem massiven Einbruch im Zuge der COVID-19-Pandemie eine dynamische Erholung eingesetzt hat.

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Schwache wirtschaftliche Entwicklung in Europa

Für Europa wird "die weltweit schwächste wirtschaftliche Entwicklung" für den weiteren Verlauf des Geschäftsjahres 2023/24 erwartet. Der Euroraum habe sich in den letzten beiden Quartalen am Rande einer Rezession bewegt. Auch für das letzte Quartal des laufenden Geschäftsjahres seien "keine positiven Impulse erwartbar". Die Entwicklung in Nordamerika wird dagegen weiterhin als "relativ robust" eingeschätzt. In Südamerika - hier ist für den voestalpine-Konzern vor allem Brasilien relevant - scheint sich die Konjunktur im letzten Geschäftsquartal etwas abgekühlt zu haben. In China wachse die Gesamtwirtschaft, wobei sich die einzelnen Sektoren sehr unterschiedlich entwickelten. Die Probleme im Immobiliensektor dürften kurzfristig nicht gelöst werden und in weiterer Folge auch verwandte Branchen wie die Bauindustrie belasten. Das produzierende Gewerbe, insbesondere im High-Tech-Bereich, werde sich hingegen wie im bisherigen Geschäftsjahr weiterhin positiv entwickeln.

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An der Guidance für das Gesamtjahr 2023/24 hält die voestalpine jedenfalls unverändert fest: Das Management erwartet - "unter der Prämisse keiner unerwarteten wirtschaftlichen Verwerfungen" - ein Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) von 1,7 Mrd. Euro. In den ersten neun Monaten des laufenden Geschäftsjahres sank das EBITDA von 1,9 auf 1,3 Milliarden Euro - ein Minus von 32 Prozent; die EBITDA-Marge verschlechterte sich von 13,8 auf 10,4 Prozent. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) sank im Berichtszeitraum von 1,1 Milliarden auf 713 Millionen Euro - ein Minus von gut 37 Prozent; die EBIT-Marge schrumpfte von 8,4 auf 5,8 Prozent. Unter dem Strich sank das unverwässerte Ergebnis je Aktie (EPS) von 3,91 auf 2,06 Euro.

Neues Werk in der Steiermark

Die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stieg weltweit leicht um 1,4 Prozent auf 50.712 Vollzeitkräfte. Auch das Eigenkapital erhöhte sich um 2,5 Prozent auf 7,8 Milliarden Euro. Die Nettofinanzverschuldung konnte um knapp ein Viertel von 2,7 Mrd. Euro auf 2 Mrd. Euro reduziert werden. Entsprechend verbesserte sich das Gearing: Das Verhältnis von Nettoverschuldung zu Eigenkapital sank von 35,1 Prozent auf 25,8 Prozent.

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Das neue Edelstahlwerk in Kapfenberg (Steiermark) ist seit Jahresbeginn 2024 in Vollbetrieb. Das alte Edelstahlwerk wurde planmäßig Ende 2023 stillgelegt. Der Bau in den Corona-Jahren kostete deutlich mehr als ursprünglich geplant: "Diese 350 Mio. Euro waren der ursprüngliche Projektplan - wir haben jetzt eine Verteuerung von ein bisschen über 30 Prozent", so Eibensteiner. Die voestalpine wird im neuen Werk rund 3.500 Arbeitsplätze in Kapfenberg und Mürzzuschlag sichern und jährlich bis zu 205.000 Tonnen Hochleistungswerkstoffe für die Automobil-, Luftfahrt- und Energieindustrie produzieren.

Vor allem die schwache Wirtschaft in Europa drückte auf das Ergebnis der voestalpine.
Herbert Eibensteiner, CEO voestalpine

Nun muss die Voestalpine stärker sparen als ursprünglich erwartet

Jetzt muss gespart werden. "Wir starten Sparprogramme in ganz Europa und legen Bereiche zusammen", sagte CEO Herbert Eibensteiner am Mittwoch in einer Pressekonferenz. Es gebe "natürlich Anpassungen an die unterschiedliche Auslastung in einzelnen Werken", so Eibensteiner. So gebe es zum Beispiel in Deutschland Kurzarbeit. Abgeschlossen hat der Konzern den Personalabbau bei Buderus Edelstahl in Wetzlar. Ein Personalabbau in größerem Umfang sei derzeit allerdings nicht zu erwarten: "Es bleibt bei den Anpassungen und es wird sicher nicht zu wesentlichen Veränderungen im Mitarbeiterbereich kommen", betonte der Konzernchef.

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So sei beispielsweise in Linz - auch in den nächsten Monaten - die Auslastung relativ gut. Nur "da und dort" werde gespart, hieß es. Konkret nimmt die Voest den Angaben zufolge weniger Mitarbeiter auf. Überstunden werden abgebaut und die Zahl der Leiharbeiter reduziert. "Das Gleiche gilt natürlich auch für die steirischen Standorte", so Eibensteiner. Allein in Österreich beliefen sich die Kosten für das Personal auf rund 2 Milliarden Euro pro Jahr, gab er zu bedenken. Dementsprechend hoch seien auch die Auswirkungen der kollektivvertraglichen Erhöhungen.

Der Einsparungsprozess läuft: "Wir haben aktuell noch 3.700 Überstunden und Leihpersonaläquivalente in der voestalpine - das ist der Spielraum, den wir haben, und wir haben uns bereits im Laufe des Jahres an diese Situation angepasst", erklärte der Vorstandsvorsitzende. Seit Beginn des laufenden Geschäftsjahres - also seit April - habe sich der Konzern weltweit von rund 900 Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern getrennt. Die Zahl der weltweit fest angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stieg zum Stichtag 31. Dezember im Jahresabstand sogar leicht um 694 auf 50.712 (Vollzeitäquivalente).

Schon seit geraumer Zeit hat die voestalpine auch ihr reguläres Sparprogramm mit Einsparungen von rund 300 Millionen Euro pro Jahr im Visier. "Und da haben wir noch etwas draufgesetzt", so Eibensteiner. In den ersten neun Monaten des laufenden Geschäftsjahres habe sich der erwartete Konjunkturabschwung deutlich bemerkbar gemacht. "Vor allem die schwache Wirtschaft in Europa drückte auf das Ergebnis der voestalpine", so der Vorstandsvorsitzende bei der Pressekonferenz. Und das werde auch so bleiben: Für Europa erwarte man die weltweit schwächste Wirtschaftsentwicklung im weiteren Verlauf des Geschäftsjahres 2023/24.

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Insgesamt sieht sich die voestalpine durch ihre breite Ausrichtung in unterschiedlichen Marktbereichen und Wirtschaftsregionen "solide aufgestellt". Die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandortes sei jedoch entscheidend. "Kernpunkte hierfür sind der Ausbau der erneuerbaren Energieversorgung und der Netze sowie die Verlängerung der Strompreiskompensation bis 2030", so Eibensteiner. "Wichtig ist, dass der Energiepreis sinkt."

Eibensteiner kritisiert österreichische Politik

Der voestalpine-Chef bedauerte, dass Österreich die von der EU geschaffenen Freiräume nicht nütze. Die EU erlaube die Kompensation der indirekten CO2-Kosten im Energiebereich. "In 14 Ländern ist das umgesetzt, in Deutschland wurde das sogar bis 2030 verlängert", so Eibensteiner. In Österreich hingegen sei die Strompreiskompensation, konkret das Stromkostenausgleichsgesetz (SAG), nur bis 2023 in Kraft und nicht verlängert worden, kritisierte er. Damit werde ein klarer Wettbewerbsnachteil geschaffen.

"Eine erfolgreiche Transformation ist nur mit grünem Strom zu wirtschaftlichen Preisen möglich", hielt der CEO weiters fest. An die Voest sollen den Angaben zufolge 90 Millionen Euro aus dem österreichischen Industrie-Transformationsfonds fließen. Eine entsprechende Zusage in dieser Höhe habe das Unternehmen bereits erhalten.

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Das neue Lieferkettengesetz, über das am Freitag auf EU-Ebene abgestimmt wird, ist der Voest zu sperrig: Die diesbezügliche EU-Anwendungsrichtlinie sei "nicht nur äußerst umfassend, sondern auch extrem bürokratisch". Transparente Lieferketten seien wichtig, "aber aus unserer Sicht ist die Richtlinie in der vorliegenden Form aufgrund ihrer unerfüllbaren Informations- und Prüflasten für die Unternehmen in der Praxis nicht umsetzbar", so der Konzernchef. "Der Blick nach Deutschland zeigt, dass wir mit dieser Einschätzung nicht alleine sind." Deutschland wird sich bei der Abstimmung voraussichtlich enthalten. Auch Österreich sollte sich laut Eibensteiner für eine handhabbarere Lösung einsetzen.

Voest-Aktien reagieren mit Verlusten

Mit Verlusten reagierte die voestalpine-Aktie am Mittwochvormittag auf die Geschäftszahlen des Stahlkonzerns. Bis gegen 9.30 Uhr weiteten die Papiere ihr Minus auf 4,2 Prozent aus und notierten bei 26,22 Euro. Die Baader-Analysten blieben daher vorerst bei ihrer Kaufempfehlung für die Aktie. Eine Stabilisierung der Stahlpreise und damit ein freundlicheres Umfeld für Stahlaktien halten die Experten auf Sicht von 3 bis 9 Monaten für möglich. Das Kursziel von Baader für die voest-Aktie liegt derzeit bei 36,00 Euro.

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Die Analysten der Erste Bank sehen die veröffentlichten Zahlen in einem ersten Kommentar als "neutral" für den Aktienkurs. Die Zahlen hätten weitgehend im Rahmen ihrer und der Marktprognosen gelegen. Mit dem dritten Quartal 2023/24 dürfte die Ergebnisentwicklung des Stahlkonzerns ihren vorläufigen Tiefpunkt erreicht haben und im vierten Quartal wieder anziehen, schreiben die Analysten der Erste. Auch die Bestätigung des Geschäftsausblicks durch voestalpine sei erwartet worden.