Energieversorgung : RHI Magnesita, Borealis und Lafarge – was, wenn das Gas nicht mehr fließt?
RHI Magnesita sieht sich wegen der hohen Gaspreise infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine nach Alternativen zu Erdgas um. Der börsennotierte österreichisch-brasilianische Feuerfestkonzern ist stark von Erdgas abhängig. Konkret stammen 75 Prozent der Energie für die Produktionsstandorte aus Gas. In Österreich beträgt der Jahres-Energiebedarf des Konzerns rund eine Terawattstunde. Das ist ungefähr so viel wie hunderttausend Haushalte, die mit Gas heizen. Ein Ausfall der Gasversorgung bei RHI würde eine Kettenreaktion in der Industrie auslösen.
Lesen Sie hier mehr dazu, welche Konsequenzen ein Ausfall der russischen Gaslieferungen hätte.
"Sollten die Gaslieferungen aus Russland angehalten, oder die dafür notwendige Infrastruktur in der Ukraine zerstört werden, würde dies unsere Produktion stoppen und in weiterer Folge weite Teile der Industrie in Österreich und Europa erheblich und rasch beeinträchtigen, da unsere Feuerfestprodukte die Basis für die Stahl-, Zement-, Glas und Kupferindustrie darstellen", erklärte Pressesprecherin Patrizia Pappacena.
Die Konsequenzen eines Stillstandes für die vier Standorte allein in Österreich würden nicht nur zu einem erheblichen Umsatzverlust für RHI Magnesita führen, sondern auch die Gefahr einer Marktübernahme durch außereuropäische Konkurrenz nach sich ziehen, so Pappacena. In diesem Fall würde dies nach drei bis vier Wochen erheblichen negativen Einfluss auf die europäische Stahlindustrie haben, allen voran in Österreich.
Doch ist eine Umrüstung so einfach? Laut Konzern dauere sie rund ein Jahr und sei "mit erheblichen Investitionen verbunden.
Und auch ohne einen Ausfall der Gaslieferungen ist die Energieversorgung ein großes Thema – aufgrund der steigenden Kosten. "Wir werden davon extrem stark betroffen sein, jetzt im ersten Halbjahr", sagt CEO Stefan Borgas. "Ähnlich wie die Frachtkosten im letzten Jahr werden es in diesem Jahr die Energiekosten sein. Das ist dramatisch, es verdreifacht und vervierfacht sich zum Teil."
In den Zahlen für 2021 sei der Energiepreisanstieg noch kaum enthalten – RHI hat hier einen kräftigen Gewinnsprung geschafft –, er sei jetzt aber signifikant. Diese höheren Kosten werde man über Preiserhöhungen weitergeben müssen.
Auf die mögliche Situation, dass es als Folge der Ukraine-Krise zu wenig Gas für die Industrie gibt, müsse man sich vorbereiten, sagte Borgas. "Für uns gilt das insbesondere für Österreich, weil wir dort unsere Rohstoffproduktion haben, und die Rohstoffproduktion braucht mit Abstand am meisten Energie." Wenn man in der Steiermark (Breitenau) und Tirol (Hochfilzen) nicht genug Gas habe, gehe die Produktion dort zurück. "Das ist insofern eine Gefahr, weil unsere Produkte natürlich die Basis sind für Stahl, Zement, Glas, Kupfer und alle diese Produkte. Wenn wir jetzt nicht mehr produzieren können, dann stehen ein paar Wochen später die Stahlöfen überall."
Ein Ausblick hinsichtlich der geopolitischen Entwicklung sei "nahezu unmöglich", so Borgas. "Wir haben ungefähr 90 Mio. Euro Geschäft in Russland und der Ukraine. Ich glaube, man muss jetzt realistisch davon ausgehen, dass das ziemlich zum Erliegen kommen wird."
Borealis und Lafarge – Unternehmen in energieintensiven Branchen
Ebenfalls sehr viel Gas braucht die OMV-Tochter Borealis. Wie viel genau, will das Unternehmen nicht sagen, weil es sich um wirtschaftlich sensible Informationen handle, wie eine Sprecherin sagte. "Borealis beobachtet die Situation am Rohstoff- und Energiemarkt genau und unternimmt alle notwendigen Schritte, um sicherzustellen, dass die Lieferungen von Produkten an unsere Kunden in voller Übereinstimmung mit den anwendbaren US-, UK- und EU-Sanktionen und allen anderen Gesetzen erfolgen. Wir bewerten derzeit unsere Beschaffungsoptionen neu, um angemessene und stabile Beschaffungsoptionen sicherzustellen", so die Sprecherin.
Insgesamt verbrauchte die österreichische Chemieindustrie inklusive der Petrochemie 2020 rund 5,1 Terawattstunden Gas. Die Düngemittelsparte der Borealis, wo unter hohem Gaseinsatz Stickstoffdünger für die Landwirtschaft erzeugt wird, sollte an EuroChem des russischen Oligarchen Andrey Melnichenko verkauft werden, der Verkauf wurde infolge des Kriegs aber gestoppt.
Welche Industrieanlagen hohen Energiebedarf haben, lässt sich zum Teil auch am CO2-Ausstoß ablesen, der an das Umweltbundesamt gemeldet werden muss. Hohen Energiebedarf hat beispielsweise auch die Papierindustrie. Allerdings ist die Gas-Abhängigkeit von Werk zu Werk sehr unterschiedlich, weil Papierfabriken mit Zellstoffwerk die anfallende Lauge als Brennstoff nützen können. Andere Papierhersteller, etwa solche, die Altpapier recyceln, haben diese Möglichkeiten nicht und brauchen Energie aus anderen Quellen.
Lesen Sie hier mehr zu einer steirischen Papierfabrik, die aufgrund der Energiepreise die Produktion bereits massiv drosseln musste.
Auch die Zementindustrie ist energieintensiv und hat einen großen CO2-Fußabdruck. Dennoch spielt Gas für die Branche trotz der hohen Temperaturen, die beim Brennprozess vonnöten sind, kaum eine Rolle. "80 Prozent unseres Gesamtwärmebedarfs beziehen wir aus Ersatzbrennstoffen, darunter verstehen wir nicht-recycelbare Altkunststoffe, Sonnenblumenkernschalen oder Klärschlämme", erklärte die Pressesprecherin des Zementriesen Lafarge, Romana Ramssl. "An fossilen Brennstoffen nutzen wir noch marginal Kohle, Öl und teilweise Petrolkoks". Lafarge plant, den Anteil der fossilen Brennstoffe auf 10 Prozent zu senken.
Insgesamt werden in Österreich laut Zahlen der Wirtschaftskammer jährlich rund 90 Terawattstunden Gas verbraucht. Rund 40 Prozent gehen in die Industrie. Lesen Sie hier mehr dazu, woher dieses Gas eigentlich kommt. (apa/red)