Deep Dive: Industrial AI : Künstliche Intelligenz: Wie RHI Magnesita seine AI-Fails feiert

Thomas Fröhlich, RHI Magnesita, auf der Bühne des zweiten Deep Dive Meet-Up in Wien

Thomas Fröhlich, RHI Magnesita, auf der Bühne des zweiten Deep Dive Meet-Up in Wien

- © Matthias Heschl

Der österreichisch-brasilianische Feuerfestkonzern RHI Magnesita gilt als branchenführend im Bereich der Digitalisierung - zumindest seit 2020. Damals waren die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf vielen Ebenen spürbar – und haben CEO Stefan Borgas gezeigt, „dass wir bei der Digitalisierung schneller sein müssen."

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Seit dem hat RHI Magnesita Tempo gegeben – und massiv in seine Werke auf der ganzen Welt investiert. So wurden beispielsweise in den Standort im Kärntner Radenthein in den letzten beiden Jahren rund 50 Millionen Euro investiert. Eine "Operation am offenen Herzen", nannte das Stefan Borgas damals.

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Der Herr der Daten

Thomas Fröhlich, der Herr der Daten bei RHI Magnesita, zeigte nun zum Deep Dive Meet-Up der Industrie im Wiener Haus der Ingenieure, dass der Weg dahin nicht immer fehlerfrei verlief. Fröhlich hat in den letzten Jahren zahlreiche Digitalisierungs-Projekte begleitet – und einigen davon auch beim Scheitern zugesehen. Dabei, so Fröhlich, gehöre das Scheitern im Unternehmen durchaus zu einer explorativen Kultur um Probleme zu ergründen. „Wenn man AI angeht, muss man auch feiern können, dass man hin und wieder scheitert“, sagt er.

Auf der Bühne des IM Deep Dive Meet-Up stellt er vier KI-Fails vor – durchaus humoristisch.

Thomas Fröhlich, Head of Date bei RHI Magnesita zum Deep Dive Meet Up der Industrie in Wien

- © Matthias Heschl

1: Der Wurstsemmel-Fall

Grundsätzlich, so Fröhlich, soll KI dem Unternehmen in Zukunft dabei helfen, Ausfallzeiten von Maschinen vorherzusagen und die Fabriken damit effizienter laufen zu lassen. Grundsätzlich... Problematisch ist dabei der unterschiedliche Digitalisierungsgrad der Standorte - von historisch gewachsenen Fabriken in Europa bis hin zu brandneuen Werken in Asien seien die Voraussetzungen überall unterschiedlich.

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Bereits 2018 - der Hype um AI in der Industrie hatte seine Anfänge - wollte RHI Magnesita mit Maschinendaten und externen Experten die Stehzeiten von Maschinen vorhersagen. Die Sensordaten der der Horn-6-Presse im deutschen Werk sollten helfen, Stillstehzeiten zu identifizieren und diese zukünftig zu minimieren. Viele Experten-Analysen und einiges an Geld später, konnten sowohl die Sensoren als auch die Experten nur eine Stehzeit voraussagen: Und zwar die Pause, Montag bis Freitag zwischen 9:00 und 9:30 Uhr.

Es hatte sich herausgestellt, dass der Maschinenleiter lediglich die Pause als diese protokolliert hatte. Alle anderen Stehzeiten waren zwar ebenfalls protokolliert, jedoch stets als "Sonstiges" - und zumeist auf Papier.

RHI Magnesita hat dennoch gelernt. Es wurde eine Datenbasis geschaffen, auf die AI zurückgreifen kann. Seit dem werden Stehzeiten der Maschinen genau beschrieben - in Excel und nicht mehr auf Papier.

So sieht die Horn-6-Presse von RHI Magnesita aus

- © RHI Magnesita

2: Der chinesische Glückskeks

Der zweite AI-Fail bei RHI Magnesita spielte sich im chinesischen Werk in Dalian ab. Dort werden Rohre gefertigt, durch die später das noch flüssige Stahl fließt. Mithilfe Künstlicher Intelligenz sollten Maschinen identifiziert werden, bei denen eine Reduktion der Stehzeiten um 10 % möglich gewesen wäre. Die Daten wurden schließlich zwei Wochen lang analysiert - mit dem Ergebnis, dass es unter der Woche gar keine Stehzeiten im chinesischen Werk gab.

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"In China geht alles viel besser, dachte man", so Fröhlich. Dabei - so die Erkenntnis - macht eine vorbeugende Wartung der Maschinen keinen Sinn, wenn die Maschine selbst auch im Wochenende ist. Seit dem laufen die Maschinen von RHI Magnesita in China auch an den Wochenenden - und heute auch mit mehr als 10 % weniger Stehzeiten.

Publikum beim zweiten Deep Dive Meet Up der Industrie in Wien

- © Matthias Heschl

3: Pizza-Lieferservice

Genau wie bei einer Pizza - jede ist ein Unikum - sieht es bei Maschinen aus. Jede Maschine hat ihre Eigenheiten, tickt anders oder läuft unterschiedlich. Pressanlagen gibt es viele bei RHI Magnesita - in allen Werken überall auf der Welt. Dennoch ist jede Pressanlage einzigartig - selbst innerhalb ganzer Werke. RHI Magnesita wollte wissen, wie diese Maschinen nun trotz ihrer Eigenheiten skaliert werden können.

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Nach langen Analysen, tausenden Daten und zahlreichen inhaltlichen Fragen stellte sich heraus, dass es nicht reicht, nur technische AI zu implementieren. Zudem war es technisch kaum möglich, die unterschiedlichen Maschinen auf einen gemeinsamen Stand zu bringen - und bei den tausenden Maschinenführern ein gemeinsames Verständnis zu schaffen.

4: Darfs noch ein bisserl mehr sein?

Ziel des Unternehmen war es, unplausible Buchungen im Buchungssystem von RHI Magnesita zu reduzieren - bestenfalls sogar ganz zu verhindern. Zumindest die größten Fehler im Buchungssystem, die zu noch größeren Fehlern in den Büchern führen, wollte man mittels KI vermeiden. Und damit auch die tausenden an Arbeitsstunden, die für die Fehlersuche und die Korrektur der falschen Buchungen im Konzern draufgehen. Die Business Anforderung des Unternehmens war es zu Beginn, eine hundertprozentige Lösung zu finden, "etwas stabiles, was überall passt."

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Laut Fröhlich ist RHI Magnesita hier noch mit der Umsetzung beschäftigt. Es werden noch Ziele und Fehlertoleranzen definiert - und laufend optimiert.

Über den Deep Dive

Das Deep Dive Meet-up des Industriemagazins ist das Treffen für innovative Unternehmenslenker. Im Wiener Haus der Ingenieure gaben renommierte Experten und Expertinnen aufschlussreiche Einblicke in die Welt der Industrial-AI. Die Industrie steht im Zentrum einer epochalen Transformation. Neue ökologische, nachhaltige und digitale Denkmuster sind vor allem im Industriebereich gefordert. Unser exklusiver Deep Dive bot die Möglichkeit für Austausch, neue Impulse und Ideen für die erfolgreiche Transformation in Ihrem Unternehmen.