Regulierung von KI : Wie künstliche Intelligenz die Gesellschaft verändert

Matthias Heschl

Carina Zehetmaier ist Juristin und hat Österreich bei den Vereinten Nationen vertreten. Als sie diesen Traumjob bekam, wurde ihr klar, dass ihr noch etwas fehlte. Als ambitionierte Menschenrechtsaktivistin wollte sie schon immer die Welt verändern. So kommt es, dass sie sich trotz vorheriger Ablehnung der IT, nun mit künstlicher Intelligenz beschäftigt.

- © Matthias Heschl

Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Mit diesem Schiller-Zitat verdeutlichte Zehetmaier die Notwendigkeit für die Industrie, sich mit dem Thema KI auseinanderzusetzen. Es sei die neue Alphabetisierung, wer sich nicht mit KI beschäftige, werde in Zukunft nicht mehr voll an der Gesellschaft teilhaben können.

Besonders skeptisch zeigt sich Österreich. 48 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher sind überzeugt, noch nie mit KI zu tun gehabt zu haben, acht Prozent haben das Wort noch nie gehört. Dabei steckt KI in allen möglichen Bereichen unseres Alltags. „KI steckt in der Suchmaschine, in der Navigation, in den Netflix-Empfehlungen - das ist den Menschen oft gar nicht bewusst. Aber Chat GPT hat die Menschen wachgerüttelt“, so Zehetmair.

Bei Deep Dive des Industriemagazins informierten sich Entscheider aus der Industrie über die Anwendungsmöglichkeiten von KI.
Letztlich spiegelt KI die Vorstellungen und Überzeugungen der Menschen wider.

Warnung vor KI-Missbrauch

Die Juristin sieht in der Anwendung von KI ein enormes Potenzial, es werde ein großer Mehrwert entstehen. Die Technologie berge aber auch problematische Missbrauchsmöglichkeiten, die es durch Regulierung einzudämmen gelte. Ein aktuelles Beispiel aus China zeige, was KI in den falschen Händen anrichten könne. So habe ein Unternehmen ein Patent angemeldet, um mittels KI und Gesichtserkennung gezielt die Bevölkerung der uigurischen Minderheit zu identifizieren. „Man kann nur erahnen, was damit beabsichtigt war“, so Zehetmair.

Inzwischen gebe es aber auch viele Beispiele für den problematischen Einsatz von KI. So habe Amazon bei der Suche nach neuen Mitarbeitern eine KI eingesetzt. Aufgrund der vorhandenen Daten ging das System davon aus, dass der überproportionale Anteil männlicher Mitarbeiter im Unternehmen ein positives Kriterium sei. Folglich wurde keine einzige Frau zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Insofern sieht Zehetmair in KI ein Spiegelbild der Gesellschaft: „KI ist weder objektiv noch neutral. Wir machen oft den Fehler, dass wir gegenüber Maschinen toleranter sind als gegenüber Menschen. Letztlich spiegelt KI die Vorstellungen und Überzeugungen der Menschen wider.“

Zehetmaier ist überzeugt davon, dass in Zukunft jedes Unternehmen KI nutzen wird.
In Zukunft wird jedes Unternehmen in irgendeiner Form KI einsetzen.

AI-Act: Ein Versuch der globalen Regulierung

Bis 2026 soll der AI-Act der Europäischen Union in Kraft treten. Die erste große Hürde hat das ambitionierte Gesetz heute im Europaparlament in Brüssel genommen - nun werden die Details im Trilog weiter verhandelt. Die Juristin konkretisiert die Auswirkungen auf die Wirtschaft: „Das Gesetz betrifft nicht nur die Unternehmen hinter den KI-Systemen, sondern jedes Unternehmen, das KI einsetzt.“

Die EU verfolge damit das Prinzip, die Anwendung und nicht die Technologie zu regulieren. Ziel sei es, globale ethische Standards zu setzen, wie es bereits mit der Datenschutzgrundverordnung gelungen sei. Doch auch eine starke Regulierung wird den Missbrauch von KI nicht verhindern können. Die KI-Lobbyistin fordert daher eine neue Unternehmenskultur im Umgang mit KI: „In Zukunft wird jedes Unternehmen in irgendeiner Form KI einsetzen. Insofern muss man die Mitarbeiter in die Diskussion einbeziehen und ihnen die Existenzängste nehmen. Nur so kann man die Schwachstellen von KI verstehen und damit die Risiken minimieren.“

Über den AI-Act der Europäischen Union

Die Europaabgeordneten stimmten nach zweijährigen Verhandlungen am Mittwoch für das Gesetz, das die EU an die Spitze der weltweiten Bemühungen stellt. Der Text muss nun im sogenannten Trilog mit der EU-Kommission und den Mitgliedsstaaten abgestimmt werden, bevor er offiziell in Kraft treten kann.

Der AI-Act stuft KI-Anwendungen in bestimmte Risikoklassen ein, nach denen sich der Umfang der gesetzlichen Anforderungen richtet. Einige Anwendungen wie die Gesichtserkennung im öffentlichen Raum sind verboten.