Managementfehler bei KTM : KTM-Insolvenz: Diese strategischen Irrtümer führten zur Pleite

KTM Gottfried Neumeister CEO

Gottfried Neumeister ist CEO des Motorherstellers KTM

- © KTM Sportmotorcycle

Vor rund einem Jahr trat Gottfried Neumeister als Co-CEO bei KTM an die Seite von Stefan Pierer – doch was ihn erwartete, wurde ihm offenbar erst nach Amtsantritt bewusst. „Beim Handshake kannte ich nur die Rekordzahlen aus 2023“, schildert er im Gespräch mit dem Magazin trend. Schon kurz darauf zeigte sich: Die Lage war weitaus kritischer, als es zunächst den Anschein hatte.

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Im August 2024 wurden die Halbjahreszahlen veröffentlicht – ein Wendepunkt. Sie offenbarten laut Neumeister bereits „deutliche Alarmsignale“, auch wenn das alte Management zunächst zu beschwichtigen versuchte. „Es hat noch einmal sechs bis acht Wochen gedauert, bis sich dieses Bild verfestigt hat“, sagt er rückblickend. Ende November war die Insolvenz unausweichlich. „Hätten wir nur zwei Tage später Insolvenz angemeldet, hätten wir nicht mehr genug Geld gehabt, um die 90 Tage in Eigenverwaltung durchzustehen“, so Neumeister weiter.

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KTM-Insolvenz: Neumeister übernimmt das Ruder und rechnet mit alten Fehlern ab

Während des Sanierungsverfahrens wurde er rasch zum neuen Gesicht des Unternehmens. Im Januar 2025 übernahm er den Vorstandsvorsitz – sein Vorgänger Stefan Pierer zog sich zurück. „Pierers Lebensleistung bei KTM ist unbestritten. Irgendwann haben wir jedoch gesagt: Wenn einer das Segel in der Hand hat und der andere das Ruder, dann droht das Schiff zu kentern.“ Inzwischen hat sich Neumeister ein neues Führungsteam aufgebaut.

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In der Rückschau zeigt er sich selbstkritisch, vor allem mit Blick auf frühere strategische Entscheidungen: „KTM hat über Jahrzehnte das Ziel verfolgt, der Beste zu sein. Leider ist man von diesem Ziel in den letzten Jahren ein wenig abgekommen. Das Ziel, der Größte sein zu wollen, ist in den Vordergrund gerückt.“ In der Folge seien zentrale Werte wie Kundenzufriedenheit und Produktqualität in den Hintergrund geraten. Zahlungsziele von bis zu 360 Tagen hätten das Unternehmen zusätzlich unter Druck gesetzt.

Stefan Pierer, ehemaliger CEO bei KTM

- © Pankl Racing Systems

„Man hat den Kunden und die Qualität vernachlässigt“, räumt Neumeister offen ein. Hinzu kamen aus seiner Sicht problematische Nebenaktivitäten, wie etwa der Einstieg ins Fahrradgeschäft oder „verlustreiche Beteiligungen wie MV Agusta“. Inzwischen konzentriere sich KTM wieder auf das Kerngeschäft: Motorräder. Auf die Frage nach Managementfehlern antwortet er: „Ich möchte gar nicht urteilen. Aber ja, es gab Managementfehler, und ich finde, man muss selbstkritisch sein, weil sonst kann man gar nicht aus einer Krise lernen.“

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Die wirtschaftlich angespannte Lage brachte auch persönliche Herausforderungen mit sich. Im Gespräch mit trend erinnert sich Neumeister an emotionale Szenen während des notwendigen Produktionsstopps, der mit Gehaltseinbußen verbunden war. Die Reaktion der Belegschaft beschreibt er als bemerkenswert solidarisch. „Wirklich beeindruckend“ sei es gewesen, dass auch die Sozialpartner mitzogen. Und doch blieben die Folgen spürbar: „Glauben Sie mir, das war eine sehr emotionale Phase, eine Hochschaubahn der Gefühle.“ Eine Mitarbeiterin habe ihm sogar berichtet, dass sie sich nun das Sommercamp für ihr Kind nicht mehr leisten könne.

Produktion bei KTM: Lange Pausen während des Sanierungsverfahrens 

- © heikomandl.at

Auch die international viel diskutierte Aussage von Rajiv Bajaj – „Die europäische Produktion ist tot“ – bewertet Neumeister nicht als Angriff, sondern als Signal: ein „provokanter Weckruf“. Sein Verhältnis zu Bajaj beschreibt er als „sehr guten und auch persönlichen Draht“. Der indische Konzern hatte KTM durch eine Finanzspritze vor dem Kollaps bewahrt und wird künftig wohl formell zum 75-Prozent-Eigentümer.

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Neumeister sieht in der Verlagerung von Teilen der Produktion ins Ausland keine Gefahr für den Standort Österreich: „Heute kommt bereits rund jedes zweite Motorrad unserer Konzernmarken aus Asien, vornehmlich die Volumenmodelle im Einstiegs- und Mittelklassesegment.“ Die Premium-Modelle, der Rennsport sowie Forschung und Entwicklung blieben hingegen in Österreich angesiedelt. „Indem wir ausgewählte Modelle in Indien oder China fertigen, sichern wir die Wettbewerbsfähigkeit und damit langfristig auch Arbeitsplätze und die Fertigung in Österreich“, betont er. „Österreich bleibt das Herz von KTM.“

Für die nahe Zukunft bleibt Neumeister realistisch. Die kommenden Monate würden „bestimmt noch holprig“ verlaufen: „Es wäre illusorisch, zu glauben, dass man hier einfach durchsegeln kann.“ Auch 2026 sei noch mit Verlusten zu rechnen. Erst 2027 soll die Rückkehr in die Gewinnzone gelingen: „Dann wollen wir ein positives EBIT erzielen.“

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