Energie : Gas und grüner Wasserstoff: Bald mehr Energie aus Spanien?

Durch die Midcat-Pipeline könnte ab 2030 auch grüner Wasserstoff aus Spanien fließen.

Durch die Midcat-Pipeline könnte ab 2030 auch grüner Wasserstoff aus Spanien fließen.

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Zur Sicherung der europäischen Energieversorgung könnte eine dritte Gaspipeline von Spanien nach Frankreich innerhalb eines Jahres fertiggestellt werden. Der Chef des wichtigsten spanischen Gasnetzbetreibers Enagas, Arturo Gonzalo Aizpiri, sagte am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur: "Rein technisch gesehen dauert der eigentliche Bau einer Infrastruktur dieser Art nach Erhalt aller Genehmigungen etwa ein Jahr."

Die Midcat-Pipeline sei durch die Beschädigung von Nord Stream 1 und 2 noch wichtiger geworden, so Aizpiri. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron steht dem Projekt ablehnend gegenüber. Frankreich wolle nicht zu einem großen Gasimporteur werden, führte er als einen Grund an. Macron sprach kürzlich außerdem von fünf bis acht Jahren Bauzeit. Diese Woche solle es kurz vor dem EU-Gipfel am Donnerstag zu dem Thema ein Treffen der Regierungschefs Spaniens und Portugals, Pedro Sánchez und António Costa, mit Macron in Paris geben, sagte Aizpiri. Ein gemeinsamer europäischer Energiemarkt sei unerlässlich für die Versorgungssicherheit aller und stehe über den jeweiligen Interessen einzelner Länder, so der Gas-Manager.

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Die auch von deuschen Bundeskanzler Olaf Scholz gemeinsam mit Sánchez und Costa befürwortete Midcat-Pipeline soll von Barcelona über die Pyrenäen bis zur Anbindung an das französische Netz im südfranzösischen Barbaira führen. In Spanien ist die Röhre bis 106 Kilometer südlich der Grenze fertig, in Frankreich fehlen etwa 120 Kilometer. Das Projekt war 2017 wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit abgebrochen worden.

Gut 2,5 Autostunden trennen die Enden der vorhandenen Pipelines voneinander.
Gut 2,5 Autostunden trennen die Enden der vorhandenen Pipelines voneinander. - © Google Maps

Aus Gas-Pipeline wird Wasserstoff-Pipeline

Das Erdgas, das durch die Röhre Richtung Norden fließen soll, könnten Spanien und Portugal aus verschiedenen Quellen beziehen. Beide Länder verfügen zusammen über insgesamt sieben Flüssiggasterminals. Zudem gibt es zwei Pipelines zum Gaslieferanten Algerien in Nordafrika.

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Schon ab 2030 könnte die Röhre dann von fossilem Erdgas auf so genannten grünen Wasserstoff, der mit Hilfe von Sonnen- oder Windenergie produziert wird, umgestellt werden, sagte Aizpiri. Im Plan der EU zur Umwandlung des europäischen Energiesystems, dem so genannten "REPowerEU"-Plan, sei für 2030 die Erzeugung von 20 Millionen Tonnen grünen Wasserstoffs vorgesehen, davon die Hälfte in Europa und die andere außerhalb des Kontinents. Davon könnten zwei Millionen Tonnen in Spanien erzeugt werden, schätzt der Manager.

Midcat und andere Röhrenverbindungen in Europa seien auch deshalb so wichtig, weil der Transport von Wasserstoff gerade über große Distanzen per Schiff schwierig, aber per Pipeline zwei bis vier Mal billiger sei, als Strom durch Hochspannungsleitungen zu transportieren, sagte Aizpiri. Die Europäische Wasserstoff Backbone-Initiative (EHB) 31 europäischer Gasnetzbetreiber gehe von einem Transportpreis von 0,11 bis 0,21 Euro pro Kilogramm je 1000 Kilometer aus. Die EHB sehe fünf potenzielle Wasserstoffkorridore vor, um die europäischen Wasserstoffziele 2030 zu erreichen. Einer davon sei der lange Strang von der Iberischen Halbinsel durch Frankreich Richtung Deutschland.

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"Die Europäische Union muss sich in puncto Energieversorgung noch stärker miteinander vernetzen", sagte Scholz in einem Interview der spanischen Zeitung "El País". "Insbesondere der Anschluss der Iberischen Halbinsel an das europäische Pipeline-Netz wäre ein ganz wichtiger Schritt für uns alle, deshalb werbe ich für den Bau von Midcat." Sanchez betonte in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", dass es bei der Leitung um die europäische Versorgungssicherheit gehe. "Das ist keine bilaterale Frage, sondern sie betrifft die gesamte EU. Angesichts des Krieges in der Ukraine sollten nicht die Interessen Einzelner, sondern das europäische Interesse Vorrang haben."

EU-Kommission genehmigt milliardenschwere Wasserstoff-Förderung

Österreich und zwölf andere EU-Staaten dürfen ihre Wasserstoffindustrie mit bis zu 5,2 Milliarden Euro unterstützen. Das Vorhaben "IPCEI Hy2Use" sei mit den EU-Beihilfevorschriften vereinbar, teilte die EU-Kommission am Mittwoch mit. Die Brüsseler Behörde geht davon aus, dass dadurch zusätzlich private Investitionen im Umfang von 7 Mrd. Euro mobilisiert werden. Teil des Vorhabens sind die OMV-Chemietochter Borealis sowie der Verbund.

Beide Unternehmen entwickeln erstmalig im Rahmen dieses Vorhabens eine auf grünem Wasserstoff basierte Produktion von Düngemitteln, Melamin und technischen Stickstoffprodukten in Österreich. "IPCEI Hy2Use" soll laute EU-Kommission einen großen Teil der Wasserstoff-Wertschöpfungskette abdecken: Unterstützt wird unter anderem der Bau wasserstoffbezogener Infrastruktur sowie die Entwicklung innovativer und nachhaltiger Technologien für die Integration von Wasserstoff in die industriellen Prozesse. Das IPCEI umfasst 35 Vorhaben von 29 Unternehmen.

Weil die Produktion von Wasserstoff als wichtiges Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse gilt, ist auf EU-Ebene ein sogenanntes "Important Project of Common European Interest" (IPCEI) ins Leben gerufen worden. Dadurch gelten weniger strenge Regeln, wenn Unternehmen mit Staatsgeldern unterstützt werden.

Vor allem grüner Wasserstoff - also solcher, der mit erneuerbaren Energien hergestellt wird - ist ein Hoffnungsträger der Energiewende. Grundsätzlich kann Wasserstoff als Basis für Kraft- und Brennstoffe dienen, um etwa in Industrie und Verkehr Kohle, Öl und Erdgas abzulösen. Seine Herstellung ist aber sehr energieintensiv und derzeit noch deutlich teurer im Vergleich zu fossilen Energieträgern.

"Ich freue mich sehr, dass wir nun den Start der zweiten Welle unserer europäischen Wasserstoff-Initiative bekanntgeben können und dass die Europäische Kommission die ambitionierten Projekte so rasch genehmigt hat", sagte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne). Und Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher ergänzte: "Die geförderten Projekte entfalten auch auf dem Arbeitsmarkt über das teilnehmende österreichische Unternehmenskonsortium hinaus ein hohes Beschäftigungspotenzial."

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