Elektromobilität in der Krise : Batterie-Produktion in Europa: Scheitert Europa am E-Auto-Dilemma?

EIT InnoEnergy ist unter anderem an Northvolt, dem VW-Partner aus Schweden beteiligt

Wie steht es um die europäische Batterie-Produktion?

- © Northvolt

Die EU hat sich mit dem "Green Deal" das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu werden und den Ausstoß von Treibhausgasen auf null zu senken. Der Verkehrssektor spielt dabei eine zentrale Rolle, da er etwa 25 Prozent der gesamten Emissionen in Europa verantwortet – die Hälfte davon allein durch Pkw. Um eine signifikante Reduktion der CO₂-Emissionen zu erreichen, ist geplant, dass bis 2035 alle neu zugelassenen Fahrzeuge auf emissionsfreie Antriebe umgestellt werden. Doch laut dem Europäischen Rechnungshof, der als Kontrollorgan der EU-Politik in Luxemburg agiert, scheint dieses Ziel in Gefahr. Derzeit sind noch rund 75 Prozent der in der EU neu zugelassenen Pkw mit Verbrennungsmotoren ausgestattet, was die Umsetzung der Umstellung massiv erschwert.

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In den letzten Jahren hat der Europäische Rechnungshof wiederholt Berichte veröffentlicht, die darauf hinweisen, dass die angestrebten Zwischenziele bereits deutlich verfehlt wurden. Anstatt jedoch auf Lockerungen zu setzen, wären dringend Maßnahmen zur Korrektur erforderlich.

Die Prüfer kamen zu dem Ergebnis, dass Elektrofahrzeuge mit Batteriebetrieb eine Schlüsselrolle für die Verwirklichung einer emissionsfreien Fahrzeugflotte spielen. Allerdings hinkt die europäische Batterieindustrie im internationalen Vergleich deutlich hinterher. Der Anteil Europas an der globalen Batterieproduktion liegt bei weniger als zehn Prozent, wobei die meisten Hersteller aus Nicht-EU-Ländern stammen. Besonders hervorzuheben ist China, das weltweit dominiert und mit 76 Prozent den Großteil der Fahrzeugbatterien produziert.

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USA fördern Batterien, die im Inland gefertigt werden

Da etwa 40 Prozent der Wertschöpfung eines Elektrofahrzeugs in der Batterie liegt, ist es für Autobauer entscheidend, die Produktion selbst zu beherrschen. Volkswagen hat mit der Gründung der Tochtergesellschaft PowerCo im Jahr 2022 als erster europäischer Hersteller große Schritte in Richtung eigener Batteriezellfertigung unternommen. Die erste von VW betriebene Batteriefabrik soll 2025 in Salzgitter ihren Betrieb aufnehmen, mit einer Endkapazität von 40 GWh – ausreichend für die Versorgung von rund 500.000 E-Autos.

PowerCo errichtet derzeit drei Gigafabriken: Zwei in Europa und eine weitere in St. Thomas, Kanada. Diese Werke sollen eine kombinierte Produktionskapazität von bis zu 200 GWh erreichen. Bis zum Jahr 2030 plant PowerCo, Investitionen von über 20 Milliarden Euro zu tätigen, um die Batteriezellproduktion weiter auszubauen.

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Für einen Autohersteller ist es zweifellos eine enorme Summe, doch verglichen mit den Investitionen, die China bereits in den Aufbau einer umfassenden E-Auto-Industrie gesteckt hat, wirkt es wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Während Europa vor allem auf die Dekarbonisierung des Verkehrs abzielt, verfolgt China primär das Ziel wirtschaftlicher Vorherrschaft. Selbst die USA, die nicht gerade für langfristig geplante staatliche Programme bekannt sind, haben mit dem "Inflation Reduction Act" ein weitaus günstigeres Umfeld für Zukunftstechnologien geschaffen, die häufig auch zur Reduktion von CO₂ beitragen.

Laut Sebastian Wolf, dem COO von PowerCo wird Volkswagen, verglichen mit China, nicht die gleichen Kostenpunkte erreichen können. Dies liegt unter anderem daran, dass in China Baukosten und Produktionsmittel deutlich günstiger sind. Auch die niedrigeren Strompreise spielen eine Rolle. Hier setzt beispielsweise der Inflation Reduction Act (IRA) der USA an: Er fördert Batterien, die im Inland produziert werden. Es geht dabei nicht darum, den Stromverbrauch generell zu subventionieren, sondern die Stromkosten in der Batterieproduktion zu senken. Das ist entscheidend, da der Strom rund 30 Prozent der Zellherstellungskosten ausmacht.

Sebastian Wolf, CEO von PowerCo
Sebastian Wolf, CEO von PowerCo - © Volkswagen

Aufbau einer Batterie-Produktion in Europa gerät ins Stocken

Der Aufbau einer eigenen Batteriefertigungen in Europa gerät aber immer mehr ins Stocken. Mehrere Zellhersteller mussten zuletzt ihre ehrgeizigen Pläne zurückschrauben. Gründe dafür sind die schwächelnde Produktion von Elektroautos und drohende Handelskonflikte mit China. Vor drei Jahren sah die Lage noch deutlich vielversprechender aus: Politik und Automobilindustrie hatten endlich das Potenzial einer europäischen Batterieproduktion erkannt und sich von der reinen Importstrategie abgewandt. 2022 stammte fast jedes dritte Elektroauto weltweit aus Europa – doch lediglich jede zehnte Batteriezelle wurde hier hergestellt. Ein klares Ungleichgewicht, besonders angesichts der steigenden Bedeutung des Elektroautos. Experten hatten vorausgesagt, dass die Nachfrage nach Batterien durch den Ausbau der E-Mobilität in Europa bis 2030 jährlich um 35 Prozent zunehmen würde.

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Bis 2030 wurde erwartet, dass Europa nur etwa 47 Prozent seines Bedarfs an Lithium-Ionen-Batterien selbst decken kann – eine geringe Verbesserung gegenüber einem Drittel im Vorjahr. Mehr als die Hälfte der geplanten europäischen Batterieprojekte könnte allerdings aufgrund von Verzögerungen oder Finanzierungsproblemen gestrichen werden, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden​. So häuften sich in Deutschland und Europa die negativen Nachrichten aus der Batteriezellen-Industrie in den letzten Monaten: Der chinesische Hersteller SVolt gab im Frühsommer überraschend bekannt, sein geplantes Werk in Lauchhammer, Brandenburg, nicht mehr umzusetzen. Kurz darauf kündigte das Batterie-Joint-Venture ACC, bestehend aus Mercedes, Total und Stellantis, an, den Bau seines Werks in Kaiserslautern deutlich zu verlangsamen. Zuletzt wurde auch Northvolt getroffen, nachdem das schwedische Unternehmen einen milliardenschweren Auftrag von BMW verloren hatte.

Die aktuelle geringe Nachfrage nach Elektroautos trifft die Batteriehersteller hart. Ohne verlässliche Abnehmer können sie keine neuen Produktionskapazitäten aufbauen. Der Bau einer Batteriefabrik ist äußerst komplex und kostspielig. Ohne klare Aussichten auf eine hohe Auslastung der Anlage fehlt die wirtschaftliche Grundlage. Selbst ein kleineres Werk erfordert Investitionen zwischen 5 und 7,5 Milliarden Euro.

186 GWh statt 1.309 GWh

Anstatt massiv in eigene Produktionsstätten zu investieren, setzten viele Unternehmen lange Zeit auf den flexiblen Zukauf von Batterien – häufig aus China. Diese Strategie stieß jedoch mit zunehmendem Erfolg an ihre Grenzen. Praktische Erwägungen spielten dabei eine Rolle: Batterien sollten idealerweise in der Nähe der Autoproduktion gefertigt werden. Hinzu kamen geopolitische Bedenken, da die Lieferkettenprobleme, verstärkt durch die Pandemie und den Ukraine-Krieg, die Verwundbarkeit der Teileversorgung offenlegten.

Eine Analyse des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI)zeigt, dass die Anzahl der angekündigten Batterieprojekte in Europa im Vergleich zum Vorjahr zwar gestiegen ist. Dennoch hat die Dynamik in der Branche zuletzt deutlich an Schwung verloren. Würden alle Vorhaben umgesetzt, könnte die jährliche Produktionskapazität bis 2030 bei 1.309 Gigawattstunden liegen, so Berechnungen der RWTH Aachen. Doch bisher hat sich wenig getan: Ende 2023 betrug die tatsächliche Kapazität in der gesamten EU lediglich knapp 186 GWh.

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Laut einer Untersuchung sind europaweit mehr als zwei Drittel (68 Prozent) der geplanten Zellfertigung bedroht. Dies betrifft Batterien für etwa 18 Millionen Elektroautos. Ohne diese Produktionskapazitäten wird Europa im Jahr 2030 nicht in der Lage sein, seinen eigenen Batteriebedarf zu decken und wäre auf Importe von Herstellern außerhalb Europas angewiesen. Besonders betroffen wären Länder wie Deutschland, Ungarn, Spanien, Italien und Großbritannien, falls Batterieproduzenten ihre Pläne anpassen oder aufgeben.

Der Aufbau einer europäischen Batteriefertigung wird weiterhin als der richtige strategische Schritt angesehen, auch wenn die Fortschritte langsam vorankommen. Langfristig wird erwartet, dass sich die Lieferketten in der Automobilindustrie stärker regionalisieren. Allerdings handelt es sich hierbei um einen langwierigen Prozess, der Zeit benötigt. Derzeit ist es jedoch kaum möglich, Batterie-Lieferketten vollständig ohne chinesische Beteiligung zu realisieren. Besonders die Rohstoffe und Elektrodenmaterialien stammen größtenteils aus China. Ein Wechsel der Bezugsquellen und der Aufbau einer stabilen Logistik in Europa könnten mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Der Bau neuer Minen, um die Abhängigkeit von China zu verringern, würde noch länger dauern.

Der schwedische Batteriezellenhersteller Northvolt wird oft als einer der zentralen Akteure betrachtet, um Europas Autoindustrie weniger abhängig von asiatischen Batterielieferanten zu machen. Allerdings gibt es seit einiger Zeit Beschwerden von Kunden über Qualitätsmängel. Darüber hinaus verläuft die Ausweitung der Akkuproduktion langsamer als ursprünglich vorgesehen.

Auto-Produktion bei Magna

- © dieindustrie.at/Mathias Kniepeiss

Northvolt kündigt Stellenabbau an

Der Batteriehersteller Northvolt, der aktuell eine große Produktionsstätte in Deutschland errichtet, hat Stellenkürzungen angekündigt. Am Montag erklärte das Unternehmen, es sei aufgrund einer angespannten finanziellen Situation gezwungen, Kosten zu senken, was leider auch "schwierige Entscheidungen bezüglich der Belegschaft" einschließe. Eine konkrete Zahl der betroffenen Stellen wurde dabei nicht genannt. Das Hauptaugenmerk des Unternehmens liege weiterhin auf der Produktion von Batteriezellen in großem Umfang.

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Aktuell beschäftigt Northvolt nach eigenen Angaben 6.500 Mitarbeiter. Eine Entscheidung über mögliche Änderungen im Zeitplan für den Bau der Fabrik in Heide, Schleswig-Holstein, soll im Herbst getroffen werden. Ein Unternehmenssprecher betonte: "Northvolt hält an seinem Standort in Heide fest, steht in engem Austausch mit der Landes- und Bundesregierung sowie den kommunalen Vertretern und ist dankbar für deren Unterstützung." Noch im Frühjahr feierten CEO Carlsson, der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) den Baustart einer Batteriezellenfabrik im norddeutschen Heide. Das Projekt wird durch Subventionen der Bundesregierung und des Landes Schleswig-Holstein in Höhe von insgesamt 900 Millionen Euro unterstützt, die über einen EU-Mechanismus bereitgestellt werden. Die Gesamtkosten für das Werk belaufen sich auf 4,5 Milliarden Euro.

Währenddessen sollen die Bauarbeiten in Heide sowie an den beiden anderen geplanten Standorten in Göteborg, Schweden, und Kanada fortgesetzt werden. Northvolt plant, sich zunächst auf die Massenproduktion von Batteriezellen zu fokussieren. Gleichzeitig werde das Unternehmen Maßnahmen zur Kostensenkung ergreifen und strategische Partnerschaften prüfen, was zu einer Verringerung der Gesamtzahl der Beschäftigten führen werde.

BMW unzufrieden mit Qualität von Northvolt?

Bereits im Juli hatte CEO Peter Carlsson erklärt, dass Northvolt seine globalen Expansionspläne vorerst drosseln müsse. Dies erfolgte, nachdem BMW einen Auftrag über Batteriezellen im Wert von zwei Milliarden Euro storniert hatte. Gerüchten zufolge sollen die Bayern enttäuscht über die hohe Fehlerquote der Schweden gewesen sein. Zukünftig wolle man sich verstärkt auf die Entwicklung der nächsten Generation von Batteriezellen fokussieren, hieß es damals aus Insider-Kreisen.

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Die Produktionsanlage im schwedischen Skelleftea, die ursprünglich 2023 ihre volle Kapazität erreichen sollte, wird dieses Ziel nun erst 2026 erreichen. Carlsson erklärte damals gegenüber der Zeitung "Dagens Industri", dass das Unternehmen aufgrund dieser Verzögerung "die nächsten Schritte überdenken" müsse. Er fügte hinzu: "Um in Deutschland und Montreal weiter voranzukommen, ist es entscheidend, dass Skelleftea als das Stammwerk fungiert, auf dem unser Plan basiert."

Laut den ursprünglichen Planungen sollen in Heide jährlich Batterien für etwa eine Million Elektrofahrzeuge produziert werden. Der Produktionsbeginn ist für 2026 vorgesehen, und es sollen rund 3.000 neue Arbeitsplätze entstehen. Die Kosten für das Projekt belaufen sich auf etwa 4,5 Milliarden Euro, wobei der deutsche Staat rund 900 Millionen Euro beisteuert.

Bau weiterer Werke vorerst auf Eis gelegt

Northvolt passt seine Strategie nun in mehreren Bereichen an. Besonders betroffen ist die Herstellung von Kathodenmaterial, einem zentralen Bestandteil für Batterien in Elektrofahrzeugen. So wird der Bau einer Anlage zur Produktion dieses Materials am Hauptsitz in Skelleftea vorerst gestoppt, während die Zellproduktion dort weiterläuft.

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Auch die geplante Errichtung einer Kathodenfabrik im schwedischen Borlänge wird nicht weiter verfolgt. Stattdessen plant Northvolt, das dortige Gelände zu verkaufen. Das Unternehmen hatte das Areal 2022 erworben und wollte rund 1.000 Arbeitsplätze schaffen. Die schwedische Wirtschaftszeitung „Dagens Industri“ berichtete kürzlich über die Unsicherheit des Projekts.

Zudem sucht Northvolt für seine Produktionsstätte im polnischen Danzig einen Investor. In der Hafenstadt betreiben die Schweden eine der größten europäischen Fabriken für Batteriespeichersysteme, in der derzeit etwa 300 Menschen beschäftigt sind. Die Vorhaben von Northvolt in Deutschland und Kanada sind von diesen strategischen Anpassungen zunächst nicht betroffen. Allerdings könnten die geplanten Erweiterungen der Werke in beiden Ländern möglicherweise verzögert werden, wie aus Unternehmenskreisen verlautete.

Autozulieferer verlieren gegenüber dem Chinesischen Mitbewerbern immer stärker an Boden: Innovationen kommen nur noch selten aus Deutschland oder Österreich und immer häufiger aus Asien. Das ist das Resultat einer Studie, die die Unternehmensberatung PWC nach der Analyse der Kennzahlen der 84 größten Automobilzulieferer des deutschsprachigen Raums erstellt hat. Der Weltmarktanteil der Automobilzulieferer aus dem Raum Deutschland, Österreich und Schweiz ist in den vier Jahren seit 2020 von 27 auf 25 Prozent gesunken, wie PWC errechnet hat. Währenddessen hat sich der Weltmarktanteil chinesischer Zulieferer verdoppelt, von von 5 auf fast 10 Prozent.