Portrait : Bettina Glatz-Kremsner ist die wichtigste Frau des Jahres

Was für die Lotterien ein Slogan, ist für deren Chefin Lebenseinstellung: Alles ist möglich. So wirkt zumindest der Lebenslauf der 56-Jährigen, die ihre Kindheit und Jugend im Budapest der 70er und 80er verbracht hat. „Im kommunistischen Ungarn haben alle Frauen gearbeitet, auch in hohen Positionen. Das hat mein Selbstverständnis geprägt, dass Leistung zählt und nicht Geschlecht.“ Und es hat auch ihrer Karriere einen Kickstart gegeben: Ihre Fremdsprachenkenntnisse und ihr magyarisches Netzwerk verschafften ihr schon ein Jahr nach dem Eintritt ins Unternehmen eine absolute Spitzenführungsrolle – jene der Geschäftsführerin der ungarischen Tochtergesellschaft Lotto Union. „Ich wusste, dass die Antwort nur Ja oder Ja sein kann, denn so eine Chance kriegt man nur einmal“, sagt sie rückblickend. Das sei auch beruflich der wohl prägendste Moment ihres Lebens gewesen.

Im Privaten war es wohl die Karenzzeit mit ihrem Sohn Constantin. „Allerdings in dem Wissen, dass ich wieder in den Beruf zurückkehren kann.“ So nennt Glatz-Kremsner auch drei Faktoren, die stimmen müssen, um für Mütter die ideale Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu schaffen: Das politische Umfeld müsse etwa Kinderbetreuungszeiten an die neuen Arbeitswelten anpassen, Unternehmen müssten ihren Beitrag leisten und das familiäre Umfeld sei ebenfalls wichtig, um Mütter freizuspielen. Doch auch die Gesellschaft erschwere Frauen die Karriere zusätzlich: „Als ich in den Vorstand der Österreichischen Lotterien gekommen bin, habe ich eine gänzlich andere Reaktion von meinen Freunden in Ungarn bekommen als von jenen in Österreich. Die erste Frage der Ungarn war: ‚Welche Ziele hast du, was willst du erreichen?‘ Mein österreichisches Umfeld fragte zu 90 Prozent zuerst: ‚Was sagt dein Mann dazu – und wie kannst du das mit deinem Kind vereinbaren?‘ Ich hatte oft ein schlechtes Gewissen – aber nicht, weil ich das Gefühl hatte, es nicht auf die Reihe zu kriegen, sondern aufgrund meines Umfelds“, beschreibt Glatz-Kremsner.

Auch deshalb ist sie in Sachen Frauenförderung unterwegs, um jungen Frauen Mut zuzusprechen: „Meine Karriere war für mich kein Spaziergang. Ich bin oft genug gestolpert, aber ich gebe Frauen gern mit, dass sie sich trauen sollen, ihren Weg zu gehen. Es zahlt sich aus, an sich zu glauben.“ Auch in der Politik ist Bettina Glatz-Kremsner keine Unbekannte: Bereits neben dem Studium hat sie bei Wahlkämpfen in Niederösterreich mitgearbeitet, Erwin Pröll wollte sie schon früh in die Politik holen, was sie aber ablehnte. 2017 hat sie schließlich als frisch gewählte Bundesparteiobmann-Stellvertreterin der ÖVP die Koalitionsverhandlungen zu den Kapiteln Standort und Wirtschaft geführt.

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