Sanktionen : Alle Sanktionen gegen Russland: Ein Überblick.

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WIIW-Chef Holzer bezeichnet die Sanktionen gegen Russland als "perfekten Sturm".

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Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine wurden von der EU sieben Sanktionspakete beschlossen. Was besagen die einzelnen Sanktionen? Und wirken diese überhaupt?

  • 21. Juli:
    Die EU-Staaten erlassen ein 7. Sanktionspaket mit einem Goldembargo als Hauptpunkt: Es darf kein Gold und kein Goldschmuck mehr aus Russland in die EU eingeführt werden. Weitere Personen kommen auf die Sanktionsliste, darunter die Motorradrocker "Nachtwölfe" und der Schauspieler Wladimir Maschkow ("Mission: Impossible - Phantom Protokoll"). Die Sanktionen gegen die größte russische Bank, die Sberbank, werden ausgeweitet. Sie gehört zu denjenigen Finanzinstituten, deren Gelder und wirtschaftliche Ressourcen eingefroren werden können. Zudem dürfen der Bank mit Ausnahme von Agrar- und Lebensmittelgeschäften keine Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen mehr zur Verfügung gestellt werden. Weiterhin schwelt unter den EU-Ländern eine Debatte über ein Gasembargo sowie einen Stopp von Touristenvisa für Russen. In beiden Punkten zeichnet sich bisher keine Einigkeit ab.
  • 3. Juni:
    Ein EU-Sondergipfel beschließt nach wochenlangem Ringen vor allem mit Ungarn ein 6. Sanktionspaket mit einem weitgehenden Ölembargo. 75 Prozent aller Importe von russischem Erdöl in die Union werden gekappt. Die russische staatliche Sberbank wird zusätzlich aus dem internationalen Bankenkommunikationssystem SWIFT geworfen. Die Arbeit von drei weiteren russischen Staatssendern wird unterbunden. Weitere Kreml-nahe Einzelpersonen kommen auf die Sanktionsliste, darunter die ehemalige Turnerin Alina Kabajewa, der enge Verbindungen zu Präsident Putin nachgesagt werden. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán, der trotz des russischen Angriffskrieges weiterhin gute Beziehungen zu Putin pflegt, verhinderte, dass auch das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kirill, mit Sanktionen wie Reisebeschränkungen oder Vermögenssperren belegt wird.
  • 8. April:
    Das 5. Sanktionspaket gilt als Reaktion auf Berichte über Kriegsverbrechen russischer Truppen in der Ukraine und nimmt explizit Bezug auf "Gräueltaten der russischen Streitkräfte in einer Reihe ukrainischer Städte". Die Hauptpunkte: Die EU-Länder dürfen keine Kohle aus Russland mehr importieren; Russische Schiffe dürfen nicht mehr in Häfen von EU-Ländern einfahren; Russische (und belarussische) Transportunternehmen dürfen nicht mehr in EU-Länder einreisen; Weitere Güter wie Holz, Zement, Meeresfrüchte und Alkohol dürfen nicht mehr aus Russland importiert werden; Der Export von Kerosin und weiterer Güter nach Russland wird verboten; Im Rahmen der Finanzstrafmaßnahmen werden Einlagen in Krypto-Wallets verboten.
  • 15. März:
    Das 4. Sanktionspaket unterbindet Transaktionen mit bestimmten staatseigenen Unternehmen sowie Neuinvestitionen in den russischen Energiesektor. Der Handel mit Eisen, Stahl und Luxusgütern mit Russland wird beschränkt. Existierende Ausfuhrbeschränkungen für Güter nach Russland an die dortige Waffen-, Rüstungs- und Verteidigungsindustrie werden verschärft.
  • 9. März:
    Auch das mit Russland verbündete Belarus wird mit Sanktionen belegt.
  • 2. März:
    Nachträglich werden zwei wichtige Punkte in Sachen Medien, Propaganda und Beeinflussung der öffentlichen Meinung sowie Bankgeschäfte in das 3. Sanktionspaket aufgenommen: Sieben russische Banken, darunter die Novikombank und die Rossija Bank, werden vom internationalen Zahlungssystem SWIFT ausgeschlossen, um ihre länderübergreifenden Geschäfte zu treffen. Investitionen in den Russian Direct Investment Fund werden verboten. Es wird verboten, Russen oder russischen Organisationen Euro in bar zu verkaufen oder zu übergeben oder sonst irgendwie zukommen zu lassen. Die staatlich kontrollierten, russischen Medien Sputnik und Russia Today dürfen bis auf weiteres nicht mehr ihre Staatspropaganda in der EU verbreiten. Die EU macht sie für "Desinformations- und Informationsmanipulationsmaßnahmen" verantwortlich.
  • 28. Februar:
    Das 3. Sanktionspaket gegen "die grundlose und ungerechtfertigte militärische Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine", wie die EU es bezeichnet, umfasst u. a. ein Verbot von Transaktionen mit der russischen Zentralbank. Russischen Fluggesellschaften werden der Zugang zu Flughäfen in EU-Ländern sowie der Überflug von EU-Luftraum untersagt. Zugleich unterstützt die EU die ukrainischen Streitkräfte gegen die russische Invasion mit 500 Millionen Euro zur Finanzierung von Ausrüstung und Hilfslieferungen. Weitere Einzelpersonen werden auf die Sanktionsliste genommen.
  • 25. Februar:
    Das 2. Sanktionspaket zielt vor allem auf die russische Führungselite: Vermögenswerte des russischen Präsidenten Wladimir Putin und seines Außenministers Sergej Lawrow in der EU werden eingefroren. Bisherige Sanktionen gegen Einzelpersonen werden auf alle Parlamentsabgeordnete, die die Anerkennung und Unabhängigkeit der "Volksrepubliken" in der Ostukraine unterstützt haben, sowie die Mitglieder des Nationalen Sicherheitsrates der Russischen Föderation ausgedehnt. Weitere Finanzbeschränkungen, die Kooperation in den Politikbereichen Energie, Verkehr und Technologie sowie Visa wird beschnitten.
  • 23. Februar:
    Das 1. Sanktionspaket gegen Russland wird nicht wegen der russischen Invasion beschlossen, sondern zunächst wegen der vorhergegangenen Anerkennung der beiden Separatistengebiete in der Ostukraine ("Volksrepublik Donezk" und "Volksrepublik Luhansk") durch Russland als unabhängig. Moskau entschied zu diesem Zeitpunkt offiziell auch, Truppen in diese Gebiete zu entsenden. Wichtigste Punkte des Pakets: Der Zugang Russlands zu den internationalen Kapital- und Finanzmärkten und den Kapital- und Finanzmarktdienstleistungen wird beschränkt. Sanktionen gegen russische Parlamentsabgeordnete, Einschränkung der Wirtschaftsbeziehungen zu den Separatistengebieten.

Wirken die Sanktionen gegen Russland?

Die Frage, ob die Sanktionen gegen Moskau die EU oder Russland mehr treffen, ist für den Geschäftsführer des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW), Mario Holzner, "relativ eindeutig" zu beantworten. "Die russische Wirtschaft wird heuer in eine tiefe Rezession schlittern, Westeuropa hingegen ein leichtes Wirtschaftswachstum einfahren", so Holzner gegenüber dem Ö1-"Mittagsjournal". Ein "perfekter Sturm" fege über die russische Wirtschaft hinweg.

In Europa schmerzten die steigenden Energie- und Nahrungsmittelpreise so der Ökonom. "Da muss man aber auch sagen, dass beispielsweise Energiepreise bereits im Herbst letzten Jahres stark gestiegen sind." Hier habe die russische Ukraine-Invasion eine bereits bestehende Teuerung weiter befeuert.

Produktionen stillgelegt

Russland sei von den Finanzsanktionen stark betroffen. "Und vielleicht noch wichtiger die Sanktionen im Bereich Hochtechnologieexporte nach Russland", sagte Holzner. So dürfen keine westlichen Mikrochips mehr nach Russland verkauft werden. "Diese braucht man aber in allen modernen Produktionen von Maschinen, von Fahrzeugen. Und wir sehen bereits, dass die russische Wirtschaft beispielsweise im Bereich der Automobilindustrie, aber auch in der pharmazeutischen Industrie, sogar auch teilweise in der Nahrungsmittelindustrie bereits empfindlich getroffen ist und hier Produktionen stillgelegt werden müssen. Wenn man dann noch dazunimmt den Ausstieg von hunderten westlichen Firmen aus dem russischen Markt, dann ist das wirklich der perfekte Sturm der hier über die russische Wirtschaft fegt." Die Rezession werde daher in Russland auch nächstes Jahr hoch ausfallen.

Russland Experte Mangott über Russland: "Nicht völlig isoliert".

Russland finde nicht im selben Ausmaß Abnehmer für seine Produkte, nachdem der Westen sie nicht mehr kauft. "Aber natürlich versucht Russland hier Sanktionen zu unterwandern. Beispielsweise im Bereich der Erdölexporte findet man den einen oder anderen Abnehmer in China, in Indien." Dabei handle es sich aber um eher kleinere Unternehmen. "Und die kaufen das russische Öl auch nur unter einem großen Rabatt Russland ab." Große Firmen würden nicht kaufen, da sie sich vor westlichen Sanktionen fürchteten.

Westen nicht Schuld an Inflation

Der Westen sei nicht schuld an der Rekordinflation, wie dies Putin suggeriere, sagte Holzner. Gerade bei Nahrungsmitteln sei es ja die "Verunmöglichung" der ukrainischen Weizenexporte, die zum Anstieg der Nahrungsmittelpreise geführt hätten. Der Osten Europas sei von der Teuerung bei Lebensmitteln auch deutlich stärker betroffen als der Westen. Holzner erinnerte hierbei daran, dass österreichische Haushalte nur etwa 10 Prozent ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben - zumindest in den vergangen Jahren. In der Ukraine gebe ein Haushalt die Hälfte des Einkommens für Nahrung aus.

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban versuche "eine Art Separatfrieden mit Russland" zu schließen, sagte über den Kurs des östlichen Nachbarlandes, der zuletzt zumindest rhetorisch immer weiter von der EU-Haltung abrückte. Orban habe auch die letzten Wahlen damit gewonnen, dass er Ungarn für neutral erklärt habe - mit dem Versprechen, Ungarn aus einem etwaigen Krieg herauszuhalten. "Und da zählt gewissermaßen auch der Wirtschaftskrieg dazu.

"Budapest schickte zuletzt seinen Außenminister nach Moskau, um eigens Gas einzukaufen. Das passt nicht zum Kurs, die Abhängigkeit der EU von russischem Gas zu mindern. Auch beim Ausbau des Atomkraftwerks Paks setze der östliche Nachbar auf russische Technologie, so Holzner.

Schock auf Raten

Russland hat die Sanktionen bisher besser verkraftet, als im Frühjahr abzusehen war. Stark gesunkene Importe und nach wie vor hohe Einnahmen aus dem Energieexport haben den Rubel gegenüber dem Euro und dem US-Dollar auf ein neues Fünfjahreshoch getrieben.

Russlands Rezession wird heuer mit -7% etwas seichter ausfallen als im Frühjahr (-9% im Basisszenario) prognostiziert. Der starke Rubel und die Konsumzurückhaltung der Bevölkerung dämpfen auch die Inflation, die wir für 2022 neu bei rund 16% sehen. Kurzfristig hat das Land vom beschlossenen EU-Ölembargo über die weiter gestiegenen Ölpreise zusätzlich profitiert. „Allerdings zeichnet sich in Russland ein ökonomischer Schock auf Raten ab.

Man konnte zwar den Einbruch bremsen, der volle Effekt der westlichen Handelssanktionen wird aber erst allmählich schlagend“, gibt Vasily Astrov, Senior Economist und Russland-Experte am WIIW, zu bedenken. Die Produktionsausfälle in der Industrie aufgrund fehlender westlicher Komponenten sind schon jetzt dramatisch. „Dort, wo das noch nicht der Fall ist, ist es nur eine Frage der Zeit, da sich die Lagerbestände in rasendem Tempo leeren“, so Astrov. Auch das EU-Öl-Embargo könnte sich 2023 negativ auswirken.

Russische Industrie unter Druck

Die russische Industrie kommt angesichts sinkender Exporte und logistischer Probleme wegen der westlichen Sanktionen nicht richtig in Schwung. Der Einkaufsmanagerindex sank im Juli um 0,6 auf 50,3 Punkte, wie der Finanzdienstleister S&P Global am Montag zu seiner monatlichen Unternehmensumfrage mitteilte. Das Barometer liegt damit minimal über der Marke von 50, ab der es ein Wachstum signalisiert.

"Die Bedingungen im russischen verarbeitenden Gewerbe haben sich nur teilweise verbessert", kommentierte S&P Global die Entwicklung. Eine sinkende Produktion, knappe Rohstoffe und die schwache Nachfrage wurden als Gründe für die Belastung angeführt. So sanken die neuen Exportaufträge im Juli bereits den sechsten Monat in Folge. Die Unternehmen waren jedoch in der Lage, das verlorene Auslandsgeschäft durch Inlandsaufträge zu ersetzen. Dadurch wuchs das Neugeschäft insgesamt so schnell wie seit über drei Jahren nicht mehr.

Die wegen des Kriegs gegen die Ukraine verhängten westlichen Sanktionen haben viele der traditionellen Lieferketten und Zahlungsmechanismen Russlands zum Erliegen gebracht. Sie zwingen die Hersteller dazu, Alternativen zu wichtigen Teilen, Ausrüstungen und Materialien zu finden. Daten des Statistikamtes zeigen, dass die Produktion in vielen Branchen, die auf importierte Ausrüstung oder Teile angewiesen sind, seit Kriegsbeginn im Februar eingebrochen ist. Die Autoproduktion beispielsweise ist im Juni im Vergleich zum Vorjahresmonat um 89 Prozent zurückgegangen.

Die Hoffnung auf einen Aufschwung ist in den Chefetagen der russischen Wirtschaft jedoch gewachsen: Die Unternehmen äußerten sich so optimistisch zu den Aussichten wie seit fünf Monaten nicht mehr. Sie hoffen "auf eine Stabilisierung der wirtschaftlichen Bedingungen", wie S&P Global betonte.

Mehr als 1.000 Unternehmen haben das Land verlassen oder Investitionen eingestellt

Die Sanktionen hätten "nicht nur funktioniert", sondern "die russische Wirtschaft auf allen Ebenen gründlich lahmgelegt", heißt es auch in einem kürzlich veröffentlichten Report der Yale School of Management. Zudem seien Russlands Einnahmen durch Öl- und Gasexporte zuletzt deutlich gesunken.

Die von Wirtschaftswissenschaftlern und Management-Experten verfasste Studie stellt zudem die Annahme in Frage, dass die monatlichen Einnahmen durch Öl- und Gasexporte in zweistelliger Milliardenhöhe die russische Wirtschaft über Wasser hielten. Die Energieeinnahmen seien in den vergangenen drei Monaten sogar gesunken.

Die US-Forscher sehen Russland für den Fall, dass europäische Staaten sich von russischem Erdgas unabhängig machen, vor einem "unlösbaren" Problem, da bisher 83 Prozent der russischen Energieexporte nach Europa gingen. "Russland hängt viel stärker von Europa ab als Europa von Russland", heißt es in dem Bericht.

Durch die Strafmaßnahmen westlicher Staaten und den Exodus internationaler Firmen infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sei ein erheblicher Teil der wirtschaftlichen Aktivität im Land zum Erliegen gekommen.

Die Inlandsproduktion in Russland sei "vollständig zum Stillstand gekommen", es gebe "keine Kapazitäten, um die nötigen Unternehmen, Produkte und Talente zu ersetzen", heißt es in der 118-seitigen Studie. Rund 1.000 ausländische Unternehmen hätten das Land verlassen oder Investitionen ausgesetzt, was den Verlust von bis zu fünf Millionen Arbeitsplätzen bedeute. Die Industrieproduktion sei eingebrochen.

Als Grundlage ihrer Analyse verwendeten die Forscher eigenen Angaben zufolge Daten von Unternehmen, Banken und Handelspartnern russischer Firmen, da Moskau seit längerem wichtige Wirtschaftsdaten nicht mehr veröffentlicht.

Als besonders drastisches Beispiel nennt die Studie die Autoindustrie: Die Verkaufszahlen seien von monatlich 100.000 auf 27.000 gesunken, wegen fehlender Teile aus dem Ausland würden Pkw ohne Airbags, automatische Getriebe und Sicherheitssysteme wie ABS hergestellt.

Die Umsätze im Einzelhandel und die Konsumausgaben seien zuletzt um 15 bis 20 Prozent im Vorjahresvergleich gesunken. Die Importe seien eingebrochen, selbst aus dem befreundeten China führe Russland um die Hälfte weniger ein.