Wienerberger übernimmt Terreal unter Auflagen : Urteil des Kartellgerichts: Wienerbergers 600 Mio. Euro Deal

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Wienerberger darf Terreal unter Auflagen schlucken

- © Uwe Strasser

Die geplante Übernahme des französischen Dach- und Solaranbieters Terreal um 600 Millionen Euro durch den börsennotierten Baustoffkonzern Wienerberger darf unter Auflagen vollzogen werden. Wie die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) am Dienstag mitteilte, hat das Kartellgericht dies nach eingehender Prüfung nun rechtskräftig entschieden. Demnach muss Wienerberger die Terreal-Tochtergesellschaften in Osteuropa (Creaton) vorerst eigenständig weiterführen und darüber berichten.

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Eine vertiefte Prüfung des Vorhabens von Wienerberger hatten die Behörde und der Kartellanwalt gefordert. Sie sahen die Gefahr, dass es durch den Zusammenschluss zu einer Verstärkung der Marktstellung von Wienerberger kommen könnte, die sich negativ auf den Wettbewerb auswirken könnte. Dies betraf insbesondere den Bereich der kleinformatigen Dachbaustoffe für das geneigte Dach. Ein eingeholtes Gutachten bestätigte diese Bedenken.

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Übernahme unter Auflagen

Laut BWB wurde vom Kartellgericht festgestellt, dass der Markt für kleinformatige Dachbaustoffe für das Steildach in Österreich hoch konzentriert ist. Nach dem Zusammenschluss wären nur noch vier marktstarke Unternehmen auf diesem Markt tätig. Die kartellgerichtliche Prüfung ergab, dass die "reale Gefahr" besteht, dass Wienerberger im Marktsegment Tondachziegel einen Marktanteil von nahezu 90 Prozent erreichen würde, wenn der Zusammenschluss ohne Auflagen freigegeben würde. Die Folge davon wäre die Verhinderung von Wettbewerb. Den Kunden drohten höhere Preise durch eine geringere Angebotsvielfalt und weniger Ausweichmöglichkeiten.

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"Wenn die Angebotsvielfalt in Märkten sinkt, besteht immer ein Risiko, dass dies negative Auswirkungen auf die Preise hat und Kunden beziehungsweise Kundinnen mehr bezahlen müssen", so BWB-Interimschefin Natalie Harsdorf-Borsch. "Mir ist es sehr wichtig, dass die BWB gerade in Märkten, in denen derzeit die Preise stärker steigen, ihre unabhängige Kontrollfunktion besonders sorgsam wahrnimmt." Häuslbauer stöhnen derzeit unter anderem über hohe Kosten für Baumaterialien.

BWB-Interimschefin Natalie Harsdorf-Borsch

- © Youtube

Erst vor wenigen Jahren hatten sich die beiden Branchenriesen Terreal und Creaton zusammengeschlossen. Die Auflagen des Kartellgerichts sehen nun vor, dass Wienerberger nach der Übernahme von Terreal, zu der Creaton nun gehört, den Betrieb verschiedener Creaton-Gesellschaften in Osteuropa und des Österreich-Geschäfts von Creaton Deutschland auch nach dem Zusammenschluss aufrechterhält und sicherstellt.

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Wienerberger hat daher "eine übergangsweise Weiterbelieferung des Österreich-Geschäfts mit Tondachziegeln und Betondachsteinen sicherzustellen (inklusive Einräumung von Lizenzrechten zur Nutzung der Marke 'Creaton'). Um die Überprüfung der Einhaltung dieser Auflage zu garantieren, wurde eine umfassende Berichtspflicht der Wienerberger AG gegenüber der BWB und dem Bundeskartellanwalt vorgesehen. Weiters ist es Wienerberger AG für einen bestimmten Zeitraum untersagt, Mitglieder des österreichischen Vertriebsteams des Eastern Business aktiv abzuwerben."

Weiteres Wachstum angestrebt

Die Terreal Holding wiederum hat insbesondere die Verpflichtung zur Sicherstellung der Umrüstung eines Produktionswerkes in Ungarn. Damit soll die Produktion von Tondachziegeln für den österreichischen Markt durch die dortige Tochtergesellschaft in Zukunft in ausreichendem Umfang sichergestellt werden. Für die Bearbeitung des Absatzmarktes in Österreich muss Terreal zudem ausreichende Personalkapazitäten vorhalten. "Auch diese Auflagen werden durch umfassende Berichtspflichten an die BWB und den Bundeskartellanwalt gestützt", so die BWB.

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Wienerberger will heuer weiter wachsen und "große Teile der französischen Terreal kaufen - das wird im zweiten Halbjahr umgesetzt werden", hatte Wienerberger-Chef Heimo Scheuch angekündigt. Durch die Übernahme des Dach- und Solaranbieters soll die Zahl der Konzernstandorte weltweit von zuletzt 216 auf 240 und die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter heuer von rund 20.000 um knapp 3.000 steigen. "Somit wachsen wir im wichtigen Sanierungsgeschäft in Europa weiter", meinte der CEO.

Wienerberger Vorstandsvorsitzender Heimo Scheuch
Wienerberger-Chef Heimo Scheuch - © Wienerberger

Halbjahr mit deutlich weniger Umsatz und Gewinn

Auch beim heimischen Baustoffkonzern Wienerberger hat sich die schlechte Baukonjunktur massiv auf das Geschäft ausgewirkt. In den ersten sechs Monaten des heurigen Jahres brach der Gewinn unter dem Strich gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres von 320,9 Mio. Euro auf 223,1 Mio. Euro ein. Wie der weltgrößte Ziegelhersteller am Donnerstag mitteilte, sanken die Verkaufserlöse wegen der rückläufigen Marktentwicklung von rund 2,6 auf 2,2 Milliarden Euro.

Schlechter lief es auch operativ. Konzernchef Heimo Scheuch verwies in einer Aussendung auf das "schwierige Marktumfeld". In allen operativen Endmärkten schwäche sich die Nachfrage wegen der anhaltend hohen Inflation, steigender Zinsen und der deutlich gesunkenen Erschwinglichkeit von Bauprojekten ab. Vor Zinsen und Abschreibungen ging das Konzernergebnis (EBIT) von 393,5 auf 307,4 Millionen Euro zurück. Während sich die Baumärkte in Europa rückläufig entwickelten, zeigte sich Nordamerika widerstandsfähiger.

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Wienerberger geht davon aus, dass das schwache Marktumfeld auch in den kommenden Monaten anhalten wird. Unverändert bleibt jedoch der Ausblick für das Gesamtjahr 2023: Das Management erwartet ein operatives EBITDA von 800 bis 820 Mio. Euro. Zuletzt wurde ein EBITDA von "über 800 Millionen Euro" in Aussicht gestellt.

Im ersten Halbjahr sank das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) von 548,8 auf 448,2 Millionen Euro. Das operative EBITDA - bereinigt um Effekte aus dem Verkauf nicht betriebsnotwendiger Vermögenswerte und Strukturanpassungen - sank von 545,4 auf 454,1 Millionen Euro. Dieses "starke Ergebnis" sei "trotz rückläufiger Märkte und dank proaktiven Kostenmanagements" erreicht worden.

Wienerberger-Zentrale am gleichnamigen Wienerberg

- © Uwe Strasser / Wienerberger AG