Schlechte Bilanz für Magna : Magna in der Krise: Wie die steirische Autoindustrie an europäischen Fehlentscheidungen leidet

Produktion bei Magna in der Steiermark: Der Verbrennungsmotor sichert aktuell noch Jobs in der Automobilbranche.

Die Auto-Industrie in der Steiermark steht vor schwerwiegenden Herausforderungen

- © dieindustrie.at/Mathias Kniepeiss

Die steirischen Autozulieferbetriebe stehen vor großen Herausforderungen: Magna in Graz bestätigte Anfang Juli, dass der Produktionsstart mit Ineos in Graz nicht wie geplant erfolgt. Die Produktion des Elektro-SUV wurde vorerst auf Eis gelegt. Bereits zuvor hatte Fiskers finanzielle Notlage dazu geführt, dass Magna ein Groß-Auftrag verloren ging: Das Modell Ocean wurde in Graz gebaut, rund 10.000 Fahrzeuge wurden gefertigt. Die Produktion wurde jedoch eingestellt als Fisker Insolvenz anmeldete. Das erfolgreichste Modell bleibt die Mercedes G-Klasse. Derzeit beschäftigt Magna rund 7.000 Mitarbeiter am Standort Graz, während 2018 mit etwa 11.000 Beschäftigten ein Höchststand erreicht wurde.

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Laut einer Anfrage bleibt Magna weiterhin in engem Kontakt mit europäischen Herstellern sowie chinesischen Autobauern, die in den europäischen Markt drängen. Ein Sprecher meinte: „Wir sehen da Potenzial.“ Dennoch müssen zunächst Verluste kompensiert werden, denn die geplante Ineos-Produktion von bis zu 30.000 Fahrzeugen jährlich hätte etwa 2.000 Arbeitsplätze gesichert.

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- © Industriemagazin

Schlechte Bilanz für Magna Graz

Die jüngsten schlechten Nachrichten für Magna Steyr in Graz spiegeln sich auch im Halbjahresbericht des Konzerns wider. Die schwierige Auftragslage, das Debakel rund um den insolventen E-Autobauer Fisker, der in Graz produzieren ließ, sowie auslaufende Modelle führen zu einem deutlichen Rückgang auf breiter Front. Laut dem aktuellen Halbjahresfinanzbericht, der in der Konzernzentrale in Aurora, Kanada, vorgestellt wurde, sind die Umsätze in der Grazer Gesamtfahrzeugfertigung im ersten Halbjahr im Vergleich zum Vorjahr von 3,152 Milliarden US-Dollar (2,91 Milliarden Euro) auf 2,625 Milliarden (2,43 Milliarden Euro) gesunken.

Besonders dramatisch ist der Rückgang des Betriebsgewinns (Ergebnis vor Zinsen und Steuern, EBIT): Im ersten Halbjahr 2023 wurden noch 86 Millionen Dollar (79,5 Millionen Euro) in der Gesamtfahrzeugfertigung erwirtschaftet, während es von Januar bis Ende Juni 2024 nur noch 47 Millionen (43,44 Millionen Euro) waren – ein Rückgang um 45 Prozent.

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Die angespannte Lage zeigt sich deutlich in den Produktionszahlen des Grazer Werks: Im ersten Halbjahr 2023 wurden dort 60.800 Fahrzeuge montiert, in der ersten Hälfte dieses Jahres waren es nur noch 40.900 – ein Rückgang um ein Drittel.

Im Halbjahresbericht wird auf die herausfordernde Situation in Graz hingewiesen, die auch zu erheblichen Personalkürzungen führt: Die Komplettfahrzeugfertigung leidet unter Unsicherheiten. Genannt werden die Insolvenz von Fisker sowie das bevorstehende Ende der Produktion der Jaguar-Modelle E-Pace und I-Pace (Ende 2024), des BMW Z4 und des Toyota Supra (2026) sowie die Entscheidung von Ineos, das "Fusilier-Programm nicht fortzusetzen". Der britische Autohersteller hat entschieden, das Modell doch nicht in Graz zu fertigen.

Bieten die Strafzölle auf chinesische E-Autos eine Chance für Magna?

Im Finanzbericht wird die Lage folgendermaßen beschrieben: „Obwohl Umstrukturierungsmaßnahmen durchgeführt werden, um die Auswirkungen von Produktionsausfällen abzufedern, könnte das Scheitern neuer Programme für die Montage kompletter Fahrzeuge mit ausreichenden Volumina und Margen, um eingestellte Programme auszugleichen, erhebliche negative Auswirkungen auf unseren Umsatz und unsere Rentabilität haben.“

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Doch die Hoffnung stirbt zuletzt: Mit den Strafzöllen auf chinesische Autos ergibt sich zumindest ein kleiner Hoffnungsschimmer für Magna in Graz. Im Magna-Bilanzbericht heißt es dazu: „Die jüngsten Zölle der Europäischen Union auf importierte, in China hergestellte Elektrofahrzeuge, könnten Möglichkeiten für die Auftragsmontage schaffen.“ Einige chinesische Hersteller haben sich bereits vor Ort umgesehen. Das Problem bleibt jedoch die Kostenstruktur, da die Chinesen günstig produzieren wollen – Graz ist jedoch kein Niedriglohnstandort. Namen, die in diesem Zusammenhang genannt werden, sind Xpeng, GAC oder Chery. Das Vorhaben birgt jedoch noch viele Unsicherheiten: Es ist unklar, welche Fertigungstiefe die Produkte hier in Europa erreichen müssen, um den Strafzöllen zu entgehen.

Aufgrund der Fisker-Pleite ist man bei Start-ups vorsichtiger geworden. Zuletzt wurde Rivian genannt, jedoch werden die Amerikaner wahrscheinlich eher mit dem Kooperationspartner Volkswagen zusammenarbeiten. Trotzdem gibt es Namen, die selbst in der Szene niemand auf dem Radar hat.

Auch die Fisker-Pleite wird im Finanzbericht thematisiert. Der Magna-Gesamtkonzern hat bereits im ersten Quartal eine Wertminderung von 261 Millionen Dollar verzeichnet, für das zweite Quartal wird eine zusätzliche Belastung von 19 Millionen Dollar angegeben. Zudem wird betont: „Wir sind weiterhin einem Risiko im Zusammenhang mit Verpflichtungen Dritter in Höhe von etwa 40 Millionen US-Dollar im Zusammenhang mit der Herstellung des SUV Fisker Ocean ausgesetzt.“ Rund um die Insolvenz der in Graz ansässigen Österreich-Gesellschaft von Fisker findet in der kommenden Woche am Donnerstag in Graz die Sanierungsplantagsatzung statt. Gemessen an den angemeldeten Gläubigerforderungen (bis zum Ende der Anmeldefrist im Juni waren bereits 1,163 Milliarden Euro angemeldet, von denen jedoch nur 10,9 Millionen Euro anerkannt wurden), handelt es sich um die größte Pleite in der steirischen Wirtschaftsgeschichte.

Das Magna-Werk in Graz
Die Chinesen wollen in Europa billig produzieren. Ist Magna dabei der richtige Partner? - © Wikipedia

„Angespannte Situation“ im Automobilsektor

Josef Windbacher, Automotive-Experte beim steirischen Leiterplattenhersteller AT&S, erkennt ebenfalls eine „angespannte Situation“ im Automobilsektor und erklärte im Gespräch mit der APA, dass der Preisdruck anhalte. AT&S setzt dem mit „Effizienzprogrammen“ entgegen und konzentriert sich in der aktuellen „Stagnationsphase“ auf die Entwicklung zukünftiger Technologien. Sobald die Wirtschaft wieder anzieht, ist mit einem Wachstum der Automobilsparte zu rechnen.

Er erwähnte weiter, dass das Unternehmen mit Hauptsitz in Leoben die Transformationsphase nutzt, um neue Technologien voranzutreiben, beispielsweise im Bereich der Batteriemanagementsysteme oder des autonomen Fahrens. Der Umsatz in der Automobilsparte von AT&S ist historisch stetig gewachsen, da immer mehr Datentechnologie in Autos integriert wird: Bis 2025 wird es weltweit rund 100 Millionen vernetzte Fahrzeuge geben. Eine Studie von Intel zeigt, dass ein selbstfahrendes Auto täglich Datenmengen von etwa vier Terabyte erzeugen wird. AT&S prognostiziert einen erwarteten Datenverkehr von etwa einer bis zehn Millionen Terabyte pro Monat.

Wir haben es in Europa verabsäumt, uns auf die Zukunft einzustellen.
Manfred Kainz, langjähriger Geschäftsführer bei TCM International

Europäische Versäumnisse als Grund für Probleme der Auto-Industrie?

Manfred Kainz, langjähriger Geschäftsführer bei TCM International und Mitbegründer von ACStyria, führt die aktuelle wirtschaftliche Lage auf europäische Versäumnisse zurück: „Wir haben es in Europa verabsäumt, uns auf die Zukunft einzustellen. Es wurde zwar erkannt, aber die Politik hat es nicht verstanden.“ Statt sich zukunftsorientiert aufzustellen, habe Europa angefangen, das zu verbieten, was es bereits konnte. Während andere Nationen mit offenen Systemen arbeiteten, sei Europa in Streitigkeiten verstrickt gewesen, bis Krisen wie die Corona-Pandemie eintraten. China hingegen habe sich „fleißig weiterentwickelt“, und das sei nun in Europa spürbar. Besonders Deutschland und Frankreich als treibende Kräfte der Autoindustrie zeigen Schwächen, was auch bei TCM spürbar ist. Obwohl das Geschäft bisher gut lief, war der deutsche Markt ein Wachstumsmarkt, und nun brechen Kunden weg.

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Gerald Lackner, CEO von AVL DiTEST, sieht die Lage ebenfalls ambivalent: „Nicht nur die steirische, sondern die weltweite Automobilindustrie befindet sich derzeit mitten im größten Technologiewandel ihrer Geschichte. Das führt dazu, dass einige Bereiche so stark boomen, dass es kaum genügend Fachkräfte gibt, während andere Bereiche eine rückläufige Entwicklung zeigen. Allgemein würde ich sagen, dass man aufgrund des Wandels eine spürbare Vorsicht bei großen Investitionen bemerkt.“ AVL DiTEST konnte 2023 einen Rekordumsatz verzeichnen und sieht sich dank umfangreicher Investitionen in Forschung und Entwicklung gut aufgestellt.

Steirischer Arbeitsmarkt angespannt

Der steirische Arbeitsmarkt zeigt sich diesen Sommer weiterhin angespannt. Und laut AMS-Geschäftsführer Karl-Heinz Snobe wird dies vorerst so bleiben. Die kürzlich veröffentlichten Juli-Daten zeigen, dass Ende Juli 33.345 Personen als arbeitslos beim AMS Steiermark gemeldet waren. Das entspricht einem Anstieg von 3.872 Personen oder 13,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Snobe wies darauf hin, dass einschließlich der 7.960 Schulungsteilnehmer derzeit 41.305 Steirerinnen und Steirer ohne Beschäftigung sind, was ein Plus von 14,2 Prozent bedeutet.

Snobe prognostiziert, dass die Arbeitslosigkeit im Gesamtjahr 2024 deutlich über dem Wert von 2023 liegen werde und sich angesichts der pessimistischen Wirtschaftsaussichten im nächsten Jahr weiter erhöhen dürfte. Derzeit gebe es keine Anzeichen für eine Trendwende, da das Wirtschaftswachstum zu schwach sei. Er erwarte schwierige Zeiten und bezeichnete den kommenden Herbst als äußerst spannend.

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Vor allem die steirische Autozulieferindustrie stehe vor großen Herausforderungen. Es kam dort zuletzt immer wieder zu erheblichen Personalabbauten, nicht nur bei Magna Steyr. Neben der konjunkturellen Schwäche der Märkte spiele auch die Transformation in der Mobilitätsbranche eine entscheidende Rolle. Daher arbeite man an einer Stiftungslösung, an der neben dem AMS auch die Sozialpartner und das Land Steiermark beteiligt sind. Das Ziel dieser Initiative sei es, ehemaligen Beschäftigten der Autozulieferindustrie, die angelernt oder gering qualifiziert sind, Weiterbildungsangebote zu machen. So sollen sie in Branchen wechseln können, in denen auch künftig Fachkräfte gebraucht werden. Es werde betont, dass dieser Transformationsprozess „gestaltet und gefördert“ werden müsse.Snobe äußerte die Erwartung, dass bis Ende August die letzten technischen Details geklärt sein sollten. Das AMS plane zunächst, eine Branchenstiftung für etwa 500 Personen aus dem Mobilitätsbereich einzurichten. Gespräche mit Unternehmen hätten gezeigt, dass dieser Bedarf definitiv vorhanden sei. Snobe berichtet, dass Personalchefs und Geschäftsführer davon ausgehen, dass es im Herbst zu weiteren Personalanpassungen kommen werde. Insbesondere aus dem Großraum Graz gebe es entsprechende Signale, weshalb Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden müssten.

AMS-Geschäftsführer Karl-Heinz Snobe
AMS-Geschäftsführer Karl-Heinz Snobe - © AMS
Magna Steyr kämpft unter anderem auf Grund der Fisker-Pleite derzeit mit dem eigenen Produktionsplan. Die Insolvenz des E-Auto Start-Up kommt zu einem schlechten Zeitpunkt für Magna. Aufgrund der schwachen E-Auto Nachfrage hat Ineos Automotive, das Elektro-Startup des britischen Chemiemilliardärs James Ratcliffe, die Entwicklung des dritten Ineos Modells, des Fusilier bei Magna Steyr gestoppt. Das Modell hätte in den nächsten Monaten bei Steyr in Graz zur Serienreife entwickelt werden – und ab 2027 in einem Volumen von 30.000 Stück pro Jahr vom Band laufen sollen. Doch auch wenn der Wegfall von einem Produktionsvolumen von 30.000 Stück für ein Unternehmen, das in guten Jahren fast eine Viertelmillion Fahrzeuge produziert nicht wie ein schwerer Schlag daher kommt – für Magna Steyr kommt die Nachricht gerade zum schlechtest möglichen Zeitpunkt: Denn erst vor wenigen Wochen hatte die Pleite des E-Autostartups Fisker ein Riesenloch in die Produktionsplanung gerissen. 40.000 Stück des Fisker Ocean sollten derzeit jährlich das Werk in Graz verlassen. Außerdem laufen in Kürze wichtige weitere Produktionsvolumina… plangemäß aus: Noch heuer wird die Produktion des Kompakt SUV E-Pace und des Elektro-Crossovers I-Pace von Jaguar eingestellt. Der ‪BMW‬ Z4 und der Toyota Supra laufen Anfang 2026 aus. Angesichts der Vorlaufzeiten für Neuaufträge von rund zwei Jahren müssten hier schon längst Projekte in der Pipeline sein. Alleine, davon ist bisher weit und breit nichts zu sehen. Wie konnte es bei Magna Steyr soweit kommen?