Krise bei Varta : Krise bei Batteriehersteller Varta verschärft sich: Droht die Insolvenz?

Die Nachfrage nach Knopfzellen-Batterien aus dem Hause Varta ist für gewöhnlich hoch.

Varta News: Varta hält das eigene Umstrukturierungskonzept nicht mehr für ausreichend.

- © Jevanto Productions - stock.adob

Der angeschlagene Batteriekonzern Varta, der mehrheitlich dem österreichischen Investor Michael Tojner gehört, hat beim Amtsgericht Stuttgart ein sogenanntes vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren beantragt. Ein Gerichtssprecher bestätigte auf Anfrage, dass eine entsprechende Anzeige eingegangen sei.

Am Sonntagabend gab Varta in Ellwangen bekannt, dass sie kurzfristig beabsichtigen, beim Amtsgericht Stuttgart ein Restrukturierungsverfahren gemäß dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) einzuleiten. Ziel dieser Maßnahme ist es, eine drohende Insolvenz dauerhaft zu verhindern. Die Aktien des deutschen Batterieherstellers Varta, der mehrheitlich dem österreichischen Investor Michael Tojner gehört, erreichten am Vormittag auf Xetra nur noch rekordtiefe 2,10 Euro - ein Rückgang von 80 Prozent im Vergleich zum Freitagabend.

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"Die neuesten Entwicklungen verschlechtern die Situation für Aktionäre nochmals deutlich", kommentierte Analyst Michael Punzet von der DZ Bank. "Die angestrebte finanzielle Neuaufstellung der Varta AG geht deutlich zulasten der bestehenden Aktionäre und Gläubiger."

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- © Industriemagazin

Varta beantragt vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren

Der Batteriehersteller Varta, der mehrheitlich dem österreichischen Investor Michael Tojner gehört, plant einen drastischen Schnitt, um finanziell wieder auf sicheren Boden zu kommen. Das angeschlagene Unternehmen aus Ellwangen will demnächst – voraussichtlich am Montag – beim Amtsgericht Stuttgart ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren anmelden, wie Varta am Sonntagabend mitteilte. "Gemeinsam mit dem Management wurden alle Alternativen abgewogen, die Entscheidung ist keinem leichtgefallen. Auch alle Gutachten und Berechnungen sind zu diesem Ergebnis gekommen", sagte Mehrheitseigentümer Michael Tojner am Montag laut einer Aussendung.

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Michael Ostermann, der als Sanierer an Bord geholte Vorstandschef, erklärte, dass die fast 500 Millionen Euro schwere Schuldenlast deutlich reduziert werden müsse und dafür frisches Kapital von knapp 100 Millionen Euro notwendig sei. Einer der zwei konkurrierenden Vorschläge sei eine gemeinsame Kapitalspritze des bisherigen Großaktionärs Tojner sowie des Sportwagenbauers und Varta-Kunden Porsche. Der andere Vorschlag komme von den Gläubigern.

Welche der beiden Lösungen letztlich umgesetzt wird, sei noch unklar, sagte Ostermann, der im Mai zu Varta gekommen war. "Am Ende ist mir wichtig, dass wir eine gute Lösung für die Varta haben."

Michael Ostermann Varta AG
Michael Ostermann - © Varta AG
Ich bin angetreten, die Varta zu retten. Das ist mir eine Herzensangelegenheit.
Michael Ostermann

Aktionäre werden leer ausgehen

Der Investor Michael Tojner plant im Überlebenskampf die bisherigen Aktionäre aus dem Unternehmen zu verdrängen. Zusätzlich sollen die Gläubiger auf einen Großteil ihrer Forderungen und Ansprüche verzichten – doch unter ihnen regt sich bereits Widerstand gegen diese Pläne des Unternehmens. Während die Mitteilung vom Sonntag die Sicherung von Arbeitsplätzen und den Schutz von Gläubigerinteressen hervorhob, enthielt sie für die bisherigen Aktionäre eine bittere Nachricht: Die bisherigen Aktionäre würden in beiden Fällen leer ausgehen, da beide Restrukturierungsvorschläge eine vereinfachte Herabsetzung des Grundkapitals auf Null Euro und eine anschließende Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss und der Ausgabe neuer Aktien vorsehen.

Da Varta davon ausgeht, dass die bestehenden Aktionäre dem entschädigungslosen Verlust ihrer gesamten Aktien und der vollständigen Verdrängung aus dem Unternehmen kaum mit der erforderlichen Mehrheit von 75 Prozent des anwesenden Grundkapitals zustimmen werden, soll das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) zur Anwendung kommen. Das Gesetz sieht vor, dass einzelne Aktionäre oder Gläubiger keine Rechte mehr besitzen, um die Beständigkeit eines operativ lebensfähigen Unternehmens nicht zu gefährden. Dabei ist auch ein Schuldenschnitt vorgesehen, dem die Gläubiger laut Mitteilung jedoch nur zustimmen würden, wenn das Eigenkapital auf null reduziert wird.

Am Freitag hatten die Anteile der Aktionäre noch einen Wert von 440 Millionen Euro. "Zuerst muss das Grundproblem der Verschuldung behoben werden. Diese Entscheidung ist mit harten Einschnitten verbunden - auch ich verliere im Zuge der nun gestarteten Sanierung den gesamten Aktienwert", so Tojner.

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"Ich bin angetreten, die Varta zu retten. Das ist mir eine Herzensangelegenheit." Ohne eine Reduzierung der Schulden könne Varta nicht angemessen investieren, erklärte Ostermann weiter. "Ziel ist ein Schuldenschnitt." Allerdings müssten dabei die Banken und Hedgefonds mitspielen, die sich in einen Konsortialkredit über 235 Millionen Euro eingekauft haben. Varta hat sich zusätzlich 250 Millionen Euro über Schuldscheindarlehen geliehen.

Eine hohe zweistellige Millionen-Kapitalspritze sei die Voraussetzung dafür, dass das Unternehmen von den Gutachtern eine positive Fortführungsprognose erhalte, sagte Ostermann. Diese Prognose sei wiederum die Basis, um eine Insolvenz zu vermeiden. Tojner, der gut 50 Prozent der Varta-Anteile hält, würde gut die Hälfte dazu beisteuern und damit die Mehrheit behalten, der Rest könnte von Porsche kommen. Damit wäre Varta bis 2027 finanziell abgesichert.

Porsche steigt bei Varta ein

Laut Ostermann sind Investitionen aus den Jahren 2021 und 2022 der Grund für die Schieflage, die sich bisher nicht ausgezahlt haben – sowohl in die großen Lithium-Ionen-Batterien als auch in die Mini-Akkus für Kopfhörer. Die Varta-Tochter V4Drive - die Lithium-Ionen-Batterien für die Elektromobilität herstellt - war der große Hoffnungsträger für Varta, entpuppte sich aber als Belastung. Mangels Aufträgen legte das Unternehmen den Bau einer Fabrik für große Lithium-Ionen-Batterien auf Eis. Ein Jahresabschluss für 2023 wurde bisher nicht vorgelegt, unter anderem wegen eines Cyber-Angriffs im Frühjahr und der unsicheren Zukunft. Bis das Sanierungskonzept umgesetzt sei, werde es mindestens bis in die zweite Augusthälfte dauern, erklärte Varta.

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Varta benötigt finanzielle Mittel im hohen zweistelligen Millionen-Euro-Bereich. Zur Deckung dieses Bedarfs sollen auch Finanzgläubiger und Investoren herangezogen werden. Derzeit laufen Verhandlungen, unter anderem mit dem bisherigen Mehrheitseigentümer und Aufsichtsratsvorsitzenden Tojner sowie der Porsche AG, die zum Volkswagen-Konzern gehört. Porsche hatte erst Anfang des Monats bekanntgegeben, dass sie das Geschäft mit Elektroautobatterien von Varta übernehmen möchten.

"Wir können bestätigen, dass Porsche in Verhandlungen (mit Varta) steht", sagte ein Sprecher des Sportwagenbauers. Der Volkswagen-Tochter gehe es vor allem um die großen Lithium-Ionen-Batteriezellen, die im nächsten Porsche 911 GTS verwendet werden sollen. "Das Ziel unseres Engagements wäre, diese Schlüsseltechnologie am Standort Deutschland zu erhalten." Porsche hatte signalisiert, die Mehrheit an der Varta-Tochter V4Drive zu übernehmen, die die Auto-Batterien herstellt. Doch das allein reiche offenbar nicht aus. "Unter bestimmten Umständen könnten wir uns daher vorstellen, uns auch an einer finanziellen Neuaufstellung der Varta AG insgesamt zu beteiligen", erklärte der Autobauer. Die Gespräche dazu liefen aber noch.

Varta hat Lithium-Ionen-Zellen entwickelt, die sich durch ihre Schnellladefähigkeit und hohe Beschleunigungsleistung auszeichnen.
Varta hat Lithium-Ionen-Zellen entwickelt, die sich durch ihre Schnellladefähigkeit und hohe Beschleunigungsleistung auszeichnen. - © Varta

Varta bittet erneut um Hilfe: Sanierungsplan unter StaRUG in Gefahr

Bereits im April hatte Varta seine Geldgeber erneut um Hilfe gebeten. Das Unternehmen ist bei seiner Sanierung durch einen Nachfrageeinbruch, Billigangebote der asiatischen Konkurrenz und einen Cyberangriff zurückgeworfen worden, hieß es. Varta teilte damals mit: Das Sanierungs-Konzept aus dem vergangenen Sommer sei nicht mehr geeignet, um wie geplant bis Ende 2026 auf einen profitablen Wachstumskurs zurückzukehren.

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Anleger reagierten nach Veröffentlichung der Meldung im April nervös: Das Papier verlor kurz nach Handelsbeginn bis zu 34 Prozent und fiel damit auf den tiefsten Stand seit dem Börsengang 2017. Varta ging 2017 mit einem Ausgabepreis von 17,50 Euro an die Börse und erfreute sich lange Zeit großer Beliebtheit. Anfang 2021 erreichte der Kurs seinen Höchststand von 181,30 Euro. Seitdem fiel der Wert jedoch kontinuierlich. Am Montag lag der Aktienkurs bei nur noch 3,65 Euro. Dadurch reduzierte sich der Börsenwert des Unternehmens auf etwa 155 Millionen Euro. Etwas mehr als die Hälfte der Aktien befinden sich im Besitz von Montana Tech Components, die dem Aufsichtsratsvorsitzenden Tojner gehören.

Das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) gibt es seit drei Jahren in Deutschland. Mit diesen Verfahren soll verhindert werden, dass ein operativ lebensfähiges Unternehmen in die Pleite rutscht. Dabei kann der Widerstand einzelner Gläubiger, aber auch der Aktionäre, ausgehebelt werden. Auf diesem Weg hatte sich im vergangenen Jahr der Nürnberger Autozulieferer Leoni saniert. Auch dort verloren die Aktionäre alles, was auf heftige Kritik von Anlegerschützern stieß.
Euro pro Aktie seit Anfang 2023, Quelle: B?rse Frankfurt; Die Auslieferung der APA-Grafiken als Embed-Code ist ausschlie?lich Kunden mit einer g?ltigen Vereinbarung f?r Grafik-Pauschalierung vorbehalten. Dabei inkludiert sind automatisierte Schrift- und Farbanpassungen an die jeweilige CI. F?r weitere Informationen wenden Sie sich bitte an unser Grafik-Team unter grafik@apa.at. GRAFIK 1001-24, 88 x 84 mm
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Nachfrage stark eingebrochen

Die Krise bei Varta hat sich auf breiter Front verschärft. Die Nachfrage nach den kleinen Lithium-Ionen-Knopfzellen, die zum Beispiel in Kopfhörern zum Einsatz kommen, schwankt stark, und auch die Nachfrage nach Energiespeichern für Strom aus Solaranlagen ist unerwartet stark eingebrochen. Darüber hinaus beklagt sich der Konzern über die niedrigen Preise der Konkurrenz für Energiespeicher und über anhaltende Probleme in der Lieferkette.

Im Februar wurden Vartas Computersysteme von Hackern angegriffen und die Produktion wurde für mehrere Wochen lahmgelegt. Die wirtschaftlichen Folgen des Cyberangriffs sind noch nicht vollständig absehbar. Das Unternehmen musste die Vorlage seines Konzernabschlusses für das vergangene Jahr auf die Zeit nach dem 30. April verschieben. Aus diesem Grund wird das Unternehmen in Deutschland voraussichtlich aus dem sogenannten Kleinwerte-Index SDax ausscheiden.

Im Jahr 2023 einigte sich Varta mit seinem Mehrheitsaktionär Michael Tojner und den Banken auf einen umfassenden Umbau, um das Unternehmen finanziell zu stabilisieren. Tojner hatte im Rahmen einer Kapitalerhöhung 50 Millionen Euro bereitgestellt, während die Banken erleichterte Kreditbedingungen gewährten und die Verträge verlängerten. Trotz dieser Maßnahmen benötigt Varta aufgrund der jüngsten Entwicklungen erneut Unterstützung.

Stillhalteabkommen in Bearbeitung

Während der Überarbeitung des bestehenden Sanierungsgutachtens durch den Gutachter AuxilPartner sollen die Geldgeber bis zum Sommer stillhalten. Ein entsprechendes Stillhalteabkommen befindet sich derzeit in der Unterschriftenphase. Varta erwartet, dass das neue Gutachten bis Mitte des Jahres vorliegt und die Grundlage für weitere Sanierungsschritte bildet. Varta hat außerdem die Investmentbank Rothschild & Co als weiteren Berater engagiert. Sie soll Optionen für weitere Kapitalmaßnahmen und Finanzierungsschritte erarbeiten. Über konkrete Anpassungen, Umbau- und Finanzierungsmaßnahmen kann derzeit noch keine verlässliche Aussage getroffen werden.

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Varta hält sein eigenes Umstrukturierungskonzept nicht mehr für ausreichend. Die Annahmen, die in diesem Konzept getroffen wurden, und die darauf basierenden Maßnahmen, die mit dem Mehrheitsaktionär und den finanzierenden Banken vereinbart wurden, sind nicht mehr angemessen, um bis Ende 2026 auf einen profitablen Wachstumskurs zurückzukehren. Das Unternehmen teilte am Donnerstagabend mit, dass das Konzept überprüft wird. Varta nannte als Gründe für die Einschätzung eine weitere Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die verschiedenen Geschäftsbereiche, einen unerwarteten erheblichen Rückgang der Nachfrage im Bereich Energiespeicherlösungen bei Endverbrauchern und aufgrund hoher Lagerbestände im Handel, eine aggressive Preispolitik von Wettbewerbern sowie anhaltende Lieferkettenprobleme.

Dass es auch Unternehmen mit zukunftsträchtigem Technologie-Know-how nicht immer gut gehen muss, zeigt das Beispiel Varta. Der Batteriehersteller, der zu großen Teilen dem österreichischen Investor Michael Tojner gehört, leidet derzeit unter schwachen Umsätzen im klassischen Batteriegeschäft. Zudem zehren die hohen Kosten für die Entwicklung der ersten eigenen Elektroauto-Batteriezelle We-Four-Drive am Kapital. Die Not scheint so groß zu sein, dass Michael Tojner sogar Kapital nachschießen musste.