Batterien : Cyberangriff bei Varta: Produktion noch immer gelähmt

AAA Batterien der Marke Varta

Der Batteriehersteller Varta wurde Opfer einer Cyber-Attacke.

- © Instagram/Varta

Der Batterieproduzent Varta des österreichischen Investors Michael Tojner ist in der Nacht vom 12. auf den 13. Februar Opfer einer Cyberattacke geworden. Zehn Tage nach dem Cyber-Angriff steht die Produktion in den fünf Werken noch immer weitgehend still. Wie das Unternehmen im schwäbischen Ellwangen mitteilte, wurden letzte Woche Teile der IT-Systeme von Hackern angegriffen. In der Folge seien die IT-Systeme - und damit auch die Produktion - heruntergefahren und vom Internet getrennt worden. Es bestehe "die Aussicht, erste Teile der Anlagen ab der kommenden Woche wieder anlaufen zu lassen", teilte Varta am Donnerstag mit.

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Die Anleger reagierten schnell auf den Angriff: Die im S-Dax notierte Aktie fiel um 4,75 Prozent auf 16,66 Euro. Im nachbörslichen Handel schien sich der Trend sogar noch zu verstärken. Die Aktie notiert damit unter dem Ausgabekurs vom Oktober 2017 und nur noch bei einem Zehntel ihres einstigen Höchststandes.

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Mitten in der Sanierung

In der Zwischenzeit konzentrierten sich die Mitarbeiter darauf, die Produktion, für die keine IT-Systeme benötigt werden, zu warten, instand zu halten und auf die Wiederaufnahme der Produktion vorzubereiten. Es gebe erste Fortschritte bei der Überprüfung und Wiederinbetriebnahme der angegriffenen IT. Der Zeitpunkt für die Wiederaufnahme des Normalbetriebs der Produktion sei jedoch noch unklar.

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"Damit sind formal die fünf Produktionsbetriebe sowie die Verwaltung betroffen. Die IT-Systeme und damit auch die Produktion wurden proaktiv vorübergehend aus Sicherheitsgründen runtergefahren und vom Internet getrennt. Die IT-Systeme sowie der Umfang der Auswirkungen werden gegenwärtig überprüft. Dabei wird mit höchster Sorgfalt auf die Datenintegrität geachtet", heißt es in einer Pressemitteilung zum Angriff letzte Woche.

Der börsennotierte Batteriehersteller, der sich mehrheitlich im Besitz des österreichischen Investors Michael Tojner befindet, wurde von dem Angriff mitten in einer Sanierungsphase getroffen. Das Unternehmen war lange Zeit durch eine Sonderkonjunktur mit Minibatterien für Kopfhörer gewachsen. Doch dann hatte es sich übernommen. Der Hauptkunde Apple, für den Varta der Exklusivlieferant für die kabellosen Kopfhörer war, ist zu anderen Lieferanten gewechselt.

Die Cyber-Attacke werde die laufende Sanierung des Unternehmens "möglicherweise erschweren, aber nicht aufhalten". Eine Bezifferung des Schadens ist nach Angaben von Varta noch nicht möglich. Es sei auch noch nicht klar, ob und wenn ja, wie viel davon von den Versicherern übernommen werde.

Zur gleichen Zeit hat Varta 90 Millionen Euro für die Pilotproduktion von Autobatterien für Porsche in die Hand genommen. Seit September 2022 ist der neue CEO Markus Hackstein bemüht, das Unternehmen wieder in ruhigeres Fahrwasser zu bringen. Großaktionär Tojner sah sich vor einem Jahr auf Druck der Banken sogar gezwungen, das Kapital des Unternehmens zu erhöhen. Varta-Chef Hackstein hatte im Oktober vergangenen Jahres versichert, dass das Unternehmen bis Ende 2026 durchfinanziert und auch auf schwierige Szenarien wie etwa eine Konsumflaute vorbereitet sei.

"Mittlerweile ist klar, dass hinter der Cyberattacke eine organisierte Hackergruppe steckt, der es mit hoher krimineller Energie gelungen war, die hohen Absicherungsstandards der Varta-IT-Systeme zu durchbrechen", erklärte das Unternehmen. Die Erreichbarkeit des Unternehmens ist nach wie vor eingeschränkt. Die "Augsburger Allgemeine" hatte am Mittwoch berichtet, dass E-Mails inzwischen wieder bei Varta ankämen. Sie könnten aber noch nicht bearbeitet werden.

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Varta hat einen Umsatz von 339 Millionen Euro und einen Nettoverlust von 110,4 Millionen Euro für das erste Halbjahr 2023 ausgewiesen. Für das Gesamtjahr rechnet das Unternehmen - nach mehreren Prognosesenkungen - mit einem Umsatz von 820 Millionen Euro und einem EBITDA zwischen 40 und 60 Millionen Euro.

Michael Tojner
Michael Tojner - © Montana Tech Components

Investitionen in den Standort Graz

Varta wurde 1904 gegründet. Jahrzehntelang gehörte das Unternehmen der Industriellenfamilie Quandt, die auch an BMW beteiligt ist. 2002 wurde der Batteriekonzern von den Quandts zerschlagen. Der US-Autozulieferer Johnson Controls übernahm damals das größere Geschäft mit Autobatterien. Das Geschäft mit den Haushaltsbatterien wurde an das heutige Unternehmen Spectrum Brands verkauft.

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Im Jahr 2007 hat der österreichische Unternehmer Michael Tojner die Varta Microbattery für einen Betrag von rund 30 Millionen Euro übernommen und das Unternehmen zehn Jahre später an die Börse gebracht. Im Jahr 2019 kaufte das Unternehmen das Geschäft mit den Haushaltsbatterien zurück. Erst kürzlich hatte Varta mitgeteilt, dass der Ausbau des Standortes Graz-Liebenau kurz vor der Fertigstellung stehe. Der Vollbetrieb soll Anfang des zweiten Quartals aufgenommen werden. Die Optimierung bestehender Batterietechnologien sowie die Entwicklung von Post-Lithium-Technologien und Nachhaltigkeitsfragen stehen im Mittelpunkt der Arbeiten am Grazer Standort.

Zunahme von Cyberangriffen um 89 Prozent

„Im Jahr 2023 stieg die Zahl der Cyberangriffe um 89 Prozent“, erläutert Robert Lamprecht, Direktor IT Advisory der KPMG. Die KPMG erstellte Ende 2023 zum achten Mal die Cybersecurity-Studie Österreich. Die stärksten Zuwächse bei den Cyberangriffen von 2022 auf 2023 gab es bei:

  • Identitätsdiebstahl: plus 220 Prozent
  • Insider-Bedrohungen: plus 209 Prozent
  • Datendiebstahl: plus 150 Prozent
  • Malware: plus 110 Prozent
  • Advanced Persistent Threats: plus 93 Prozent

Der Zuwachs bei ersterer ist u.a. auf die verstärkte Nutzung von Cloud-Diensten zurückzuführen. Und der ID-Diebstahl ist besonders einfach in Webshops ohne Zwei-Faktor-Authentifizierung. Auch die Bedrohung aus dem eigenen Unternehmen hat in wirtschaftlich instabilen Zeiten zugenommen. Lamprecht vergleicht dies mit einem „Griff in die digitale Handkasse“. Hinter den Advanced Persistent Threats stehen oft staatliche Akteure; diese Bedrohung hat nicht zuletzt durch den Krieg in der Ukraine zugenommen.

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„Mittlerweile ist es weniger die Frage, ob man als Unternehmen von einem Cyberangriff betroffen sein wird, sondern eher, wann dies passieren wird“, sagt Martin Heimhilcher, Obmann der Sparte Information und Consulting der WK Wien. Rund 70.700 (59 Prozent) der Wiener Unternehmen werden von einer Person geführt. Und in rund 78 Prozent der Wiener Klein- und Mittelbetriebe sind nur ein bis neun Mitarbeiter beschäftigt. „Das bedeutet: Die meisten Unternehmen in Wien verfügen über keine eigene IT-Abteilung. Es fehlt daher oft an Know how, wie mit Cyberangriffen umgegangen wird“, so Martin Heimhilcher.