Industrie-Land Österreich : Industriellenvereinigung sieht Anzeichen einer Deindustrialisierung
Die Industriellenvereinigung Vorarlberg (IV) sieht erste Anzeichen für eine Deindustrialisierung im Land und will mit einer Bewusstseins-Offensive im Superwahljahr 2024" gegensteuern. Das Jahr 2024 werde richtungsweisend sein, betonte IV-Präsident Elmar Hartmann beim Neujahrsempfang der IV am Montagabend in Dornbirn. Er forderte bessere Rahmenbedingungen für die Unternehmen, ein klares Bekenntnis von Seiten der Politik und einen stärkeren Rückhalt in der Bevölkerung ein.
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Es stelle sich die grundsätzliche Frage, ob man den Weg der Deindustrialisierung oder den Weg zum chancenreichsten Industriestandort gehen wolle. Laut Hartmann befindet sich Vorarlberg bereits am Beginn einer Deindustrialisierung. Dafür gebe es eindeutige Indikatoren. Dazu zähle etwa die Verlagerung von Produktionsstätten ins Ausland. Dies geschehe einerseits aufgrund der sehr hohen Kosten im Land. Andererseits würden Genehmigungsverfahren "ewig" dauern. Die Folgen dieser Entwicklung seien nicht absehbar, warnte Hartmann vor einem Wohlstandsverlust.
Qualifizierte Zuwanderer dringend gebraucht
Aus diesem Grund setzt man von Seiten der Industrie auf die Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung. "Die Industrie ist mit Abstand der bedeutendste Sektor unserer Wirtschaft", betonte der IV-Präsident und verwies darauf, dass 36 Prozent der Wertschöpfung in Vorarlberg aus der Industrie stammen. 38 Prozent der erwerbstätigen Vorarlberger sind in der Industrie beschäftigt. Hartmann erwartete sich von der Zusammenarbeit mit der Industrie ein größeres Verständnis für die Zusammenhänge und wohl auch für die Infrastrukturprojekte. "Als starkes Exportland sind wir auf Schiene und Straße angewiesen, um die Produkte zu den Kunden zu bringen", so Hartmann.
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Er hoffe auf den Ausbau der Bahn im unteren Vorarlberger Rheintal ebenso wie auf die Realisierung der Bodensee-Schnellstraße (S18) - trotz der Ablehnung der Verbindung durch die Lustenauer Bevölkerung, die in einer Volksbefragung dokumentiert wurde. "Ich glaube an eine Lösung im Sinne von Lustenau und der Wirtschaft und gehe davon aus, dass die Straße kommt", so Hartmann. Die Tatsache, dass der Zeithorizont für beide Projekte relativ weit in der Zukunft - eher nach 2040 - liege, sei für Hartmann umso mehr Ansporn, "die Projekte jetzt zu forcieren".
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In ihrer Funktion als Interessensvertretung stellt die IV nicht nur Forderungen auf, sondern bringt sich auch mit Lösungsvorschlägen ein. Explizit erwähnt wurde von Hartmann in diesem Zusammenhang der Expat Service, der von der IV und der Wirtschaftskammer angeboten wird. Es gelte, eine Willkommenskultur für qualifizierte Zuwanderer zu entwickeln. Denn diese würden dringend gebraucht.
IV-Generalsekretär: Industrie braucht Entlastung
„Im Hinblick auf die schwierige konjunkturelle Lage beginnt das Jahr 2024 angespannt, was sich auch auf dem Arbeitsmarkt widerspiegelt. Die Zahl der offenen Stellen ist leicht rückläufig und die Zahl der Arbeitslosen steigt leicht an, dennoch erweist sich der Arbeitsmarkt robust und zeigt, dass Betriebe trotz herausfordernder Zeiten versuchen an ihrem Personal festzuhalten. Man muss Betriebe und den Faktor Arbeit entlasten, damit Betriebe dies auch im neuen Jahr weiterhin können“, hält Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), anlässlich der Anfang Januar veröffentlichten Arbeitsmarktdaten fest.
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Die Zahl der Arbeitslosen ist im Dezember 2023 im Vergleich zum Dezember 2022 um rund 6,4 Prozentpunkte gestiegen. Betrachtet man jedoch die Arbeitslosenquote, so ist die Dezemberquote mit 7,8 Prozentpunkten - mit Ausnahme des Rekordjahres 2022 - die niedrigste seit 2008. Auch die Zahl der offenen Stellen ist mit über 92.000 beim AMS gemeldeten nach wie vor sehr hoch. Die Unternehmen sind auf ausreichend Personal angewiesen, um bestehen zu können. Die IV spricht sich daher für eine deutliche Senkung der Lohnnebenkosten aus, um die Unternehmen und ihre Mitarbeiter zu entlasten. Die Industrie steht in einem ständigen internationalen Wettbewerb. In diesem kann sie nur bestehen, wenn der Faktor Arbeit weiter entlastet wird. „Es gilt Österreichs Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und den Arbeits- und Industriestandort zu stärken. In konjunkturell herausfordernden Zeiten muss um die Erhaltung jedes Arbeitsplatzes gekämpft werden, in dem Betriebe spürbar entlastet werden“, betont Neumayer.
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Beschäftigungsfördernde Maßnahmen des AMS wie Eingliederungsbeihilfe und Kombilohn sollten aus Sicht der Industrie weiter gestärkt werden. Darüber hinaus ist es wichtig, die überregionale Mobilität innerhalb Österreichs zu erhöhen und Menschen zu motivieren, ihren Lebensmittelpunkt dorthin zu verlegen, wo Bedarf besteht. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt. Es ist von großer Bedeutung, diese Personengruppe so rasch wie möglich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Die Teilhabe von Asyl- und subsidiär Schutzberechtigten am Arbeitsmarkt ist ein wichtiger Faktor für ihre gesamtgesellschaftliche Integration. Das zusätzliche Budget für Integrationsmaßnahmen des AMS soll nun gezielt eingesetzt werden, um diese Personen rasch arbeitsfähig zu machen.