Nexperia-Krise : Halbleiterkrise kehrt zurück: Mercedes-Chef schlägt Alarm wegen Chip-Engpass
Die Lieferprobleme des Chip-Herstellers Nexperia müssen nach den Worten von Mercedes-Chef Ola Källenius politisch gelöst werden
- © Mercedes-Benz AGDie anhaltenden Lieferprobleme des Chip-Herstellers Nexperia erfordern nach Einschätzung von Mercedes-Chef Ola Källenius eine politische Lösung. Anders als während der Halbleiterkrise in der Coronapandemie sei der aktuelle Engpass durch politische Faktoren bedingt, weshalb auch die Lösung auf dieser Ebene zu suchen sei, erklärte Källenius am Mittwoch. „Vor allem zwischen den USA und China, während Europa in der Mitte gefangen ist.“
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Derzeit liefen intensive Gespräche auf verschiedenen Ebenen. Kurzfristig sei Mercedes-Benz noch mit Halbleitern versorgt, jedoch suche das Unternehmen weltweit nach alternativen Lieferanten. „Ich kann nicht vorhersagen, wie das Ganze ausgeht“, so Källenius weiter.
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Chip-Krise eskaliert: ACEA warnt vor drohendem Produktionsstopp in Europas Autowerken
Die europäische Automobilindustrie steht nach Angaben des Herstellerverbands ACEA vor erheblichen Herausforderungen infolge der anhaltenden Knappheit an Mikrochips. Laut ACEA verschärfe sich die Situation „von Tag zu Tag“. Bereits jetzt berichten Mitgliedsunternehmen, dass aufgrund des Mangels die Lieferung wichtiger Bauteile eingestellt wurde. Verbandschefin Sigrid de Vries warnte: „Das bedeutet, dass es nur noch eine Frage von Tagen sein könnte, bis die Fertigungsstraßen stillstehen.“
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Mit Nachdruck appellierte de Vries an die internationale Gemeinschaft: „Wir fordern alle Beteiligten dringend auf, ihre Bemühungen zu verdoppeln, um einen diplomatischen Ausweg aus dieser kritischen Situation zu finden.“ Ursache der aktuellen Lieferengpässe ist vor allem der Produktionsrückgang beim Chip-Hersteller Nexperia. Das niederländische Unternehmen wurde Ende September von der Regierung in Den Haag unter staatliche Kontrolle gestellt. Da Nexperia dem chinesischen Konzern Wingtech gehört, reagierte Peking Anfang Oktober mit einem Exportstopp für Nexperia-Produkte.
Chip-Alarm in der Autoindustrie: Lagerbestände schrumpfen – Werksschließungen drohen
ACEA zufolge greifen viele Autobauer inzwischen verstärkt auf vorhandene Lagerbestände zurück – diese gehen jedoch „rapide“ zur Neige. Eine aktuelle Mitgliederbefragung des Verbandes zeigt, dass mehrere Hersteller kurz vor Produktionsstillständen stehen.
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Die EU-Kommission betonte, man arbeite an „dringenden Lösungen“ für den Konflikt zwischen der niederländischen Regierung und China. „Wir stehen mit beiden Seiten im Kontakt und versuchen, eine Lösung zu finden“, erklärte ein Sprecher der Kommission am Mittwoch. Für Donnerstag ist ein Treffen mit einer chinesischen Delegation in Brüssel geplant, bei dem ursprünglich über Seltene Erden verhandelt werden sollte – die Chipkrise dürfte dort ebenfalls zur Sprache kommen.
Zwar stünden „alternative Lieferanten“ bereit, so ACEA, doch der Aufbau neuer Kapazitäten werde „viele Monate dauern“. Die Branche habe jedoch nicht so viel Zeit, bevor „die schlimmsten Auswirkungen“ des Chipmangels spürbar würden.
Für den Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) ist der Fall Nexperia ein „Weckruf“ für Europa. „Kurzfristig könnten Diplomatie und politischer Druck die Chinesen dazu bewegen, ihren Exportstopp aufzuheben“, sagte ZVEI-Geschäftsführer Wolfgang Weber dem „Tagesspiegel Background“. Langfristig jedoch, so Weber weiter, müssten „Politik, Industrie und Gesellschaft in Europa gemeinsam resilienter“ werden.
Seltene Erden als Risiko: China-Beschränkungen treffen deutsche Industrie hart
Auch über die Automobilbranche hinaus zeigt sich, wie verwundbar die deutsche Industrie gegenüber geopolitischen Spannungen und globalen Lieferabhängigkeiten ist. Während die Auto-Industrie nach alternativen Halbleiterlieferanten sucht, verschärfen sich zugleich die Probleme bei der Versorgung mit weiteren strategischen Rohstoffen – insbesondere mit Seltenen Erden, die für zahlreiche Hightech-Anwendungen unerlässlich sind.
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„Die Kontrollmechanismen und Handelsbeschränkungen für Seltene Erden zeigen ihre Wirkung“, erklärte Klaus Wohlrabe, Leiter der Ifo-Umfragen. Besonders betroffen sei die ohnehin angeschlagene deutsche Wirtschaft, die fast vollständig auf Importe aus China angewiesen sei. Die Volksrepublik habe allerdings Ausfuhrbeschränkungen für strategisch wichtige Rohstoffe verhängt, die unter anderem in der Elektronik- und Rüstungsindustrie zum Einsatz kommen.
Ein anhaltender Engpass könnte sich negativ auf die deutsche Konjunktur auswirken. „Sollte sich diese Entwicklung fortsetzen und verschärfen, wird das auch das Wirtschaftswachstum beeinträchtigen“, warnte Wohlrabe.
Branchenübergreifend berichteten zuletzt 5,5 Prozent der Industriebetriebe in Deutschland von Versorgungsproblemen – ein leichter Rückgang gegenüber Juli (5,8 Prozent), aber noch immer deutlich unter dem langfristigen Durchschnitt von 15,0 Prozent. Bei Herstellern elektrischer Ausrüstungen lag der Anteil der von Engpässen betroffenen Unternehmen bei 10,0 Prozent. Im Maschinenbau stieg er von 4,6 auf 6,3 Prozent. Zum Vergleich: Im Dezember 2021, auf dem Höhepunkt der Pandemie, meldeten 81,9 Prozent der Industrieunternehmen Materialengpässe.
Kritischer Engpass bei Seltenen Erden: Experte warnt vor strategischer Fehleinschätzung
Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) sieht kurzfristig keine Entspannung bei der Versorgungslage mit Seltenen Erden. „Vor allem bei den schweren Elementen ist die Lage sehr kritisch“, sagte BGR-Experte Harald Elsner gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. „Besonders betroffen sind Magnete, die teilweise auf diese schweren Elemente angewiesen sind.“
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Zwar könnten neue Minenprojekte, etwa in Norwegen, langfristig Abhilfe schaffen, so Elsner. „Aber es würde Jahre dauern, bis dort Seltene Erden gefördert und separiert werden können.“
Der Engpass sei auch auf mangelnde Vorsorge zurückzuführen. „Seltene Erden waren lange günstig und jederzeit verfügbar“, erklärte Elsner. „Es wurden keine strategischen Maßnahmen getroffen – nur Japan hat sich vorbereitet.“ Viele Unternehmen hätten es versäumt, Lagerbestände aufzubauen. Aktuell verfügen lediglich China und Frankreich über die nötige Expertise zur Verarbeitung schwerer Seltener Erden – selbst die USA gelten in diesem Bereich als nicht wettbewerbsfähig.