Chemieindustrie : Europäische Chemie im Wettbewerbsnachteil: BASF baut um

Harnstoff (CH4N2O) ist eine organische Verbindung aus Kohlendioxid (CO2) und Ammoniak (NH3). Auch bekannt unter dem lateinischen Namen Urea ist Harnstoff ein vielseitiger Rohstoff und wichtiges Monomer in der Chemiebranche. Er wird weltweit in großen Mengen benötigt, beispielsweise zur Produktion von Stickstoffdünger, für den Abgasreiniger AdBlue®, für Harze, Klebstoffe und vieles mehr. Der weithin gut sichtbare 61 Meter hohe Prillturm ist Teil der Harnstoff-Anlage, die 1968 am Standort Ludwigshafen erbaut wurde. In ihm wird kristalliner Harnstoff in kugelförmiges Granulat überführt.

BASF trennt sich aufgrund schwerer Vorwürfe von zwei Joint Ventures in China

- © BASF SE

Die BASF will den Chemiekonzern wieder profitabler machen. Mehrere Geschäfte werden aus dem Verbund herausgelöst und in rechtlich selbstständige Tochtergesellschaften überführt. "Es geht letztlich um Leistungssteigerung sowie darum, näher am Kunden zu sein und sich noch härter im Wettbewerb zu messen", sagte Finanzvorstand Dirk Elvermann der dpa. Die Steuerung eines Wachstumsgeschäfts müsse anders sein als die Steuerung eines Geschäfts, das im Wesentlichen auf Rendite aus ist.

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"Wir schauen bei diesen Geschäften noch stärker auf die unternehmerische Leistung im jeweiligen Wettbewerbsumfeld und setzen ihnen anspruchsvolle Ebita- und Cashflow-Ziele", sagte der Manager. In Zeiten, in denen Liquidität auch bei der BASF nicht mehr unbegrenzt zur Verfügung stehe, müsse das Unternehmen noch stärker Prioritäten setzen. Es gelte, die Ertragskraft in einer Zeit zu steigern, in der insbesondere die europäische Chemie benachteiligt sei.

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- © Industriemagazin

China als Wachstumsmarkt vs. Menschenrechtsverletzungen

Im Dezember hatte die BASF die Ausgliederung der Geschäfte mit Agrochemikalien, Batteriematerialien sowie Lacken und Beschichtungen (Coatings) in rechtlich selbstständige Tochtergesellschaften bekannt gegeben. Die Verflechtung mit dem Rest des Konzerns ist in diesen Bereichen geringer. Unternehmenschef Martin Brudermüller hatte einem Verkauf dieser Bereiche eine Absage erteilt.

Im Juni hatte die BASF in Schwarzheide nördlich von Dresden Europas erstes Zentrum für Batteriematerialproduktion und Batterierecycling eröffnet. Der Unternehmensbereich Coatings der BASF hat seinen Hauptsitz in Münster. Limburgerhof ist das Zentrum für das weltweite Geschäft mit Pflanzenschutz und Saatgut.

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Die BASF geht davon aus, dass bis zum Jahr 2030 rund 80 Prozent des weltweiten Wachstums in der Chemieproduktion in China generiert werden. "Wir wollen und müssen als globales Chemieunternehmen daran teilhaben", sagte Elvermann. Der Konzern habe in China einen Umsatzanteil von 15 Prozent, bis zum Jahr 2030 seien rund 20 Prozent das Ziel. "Wir sind sehr angemessen unterwegs." Erst kürzlich hatte der BASF-Konzern angekündigt, seine Anteile an zwei Joint Ventures im chinesischen Korla verkaufen zu wollen. Dabei verwies der Konzern auch auf jüngste Berichte über mögliche Menschenrechtsverletzungen. Die Situation in der Region Xinjiang sei "stets Teil der BASF-Gesamtbeurteilung ihrer Joint Ventures in Korla" gewesen, hieß es. Im Zentrum der Region Xinjiang liegt die Stadt Korla.

"Regelmäßige Sorgfaltsmaßnahmen, einschließlich interner und externer Audits, haben keine Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen in den beiden Joint Ventures ergeben." Dennoch hätten kürzlich veröffentlichte Berichte über den Joint-Venture-Partner schwerwiegende Vorwürfe enthalten, die auf Aktivitäten hinweisen, "die nicht mit den Werten von BASF vereinbar sind". BASF werde daher den Verkaufsprozess ihrer Anteile an Markor Chemical Manufacturing und Markor Meiou Chemical - vorbehaltlich der Verhandlungen und der erforderlichen Genehmigungen durch die zuständigen Behörden - im vierten Quartal 2023 beschleunigen.

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Zuvor waren Vorwürfe laut geworden, dass Mitarbeiter eines BASF-Partnerunternehmens in der Region Xinjiang an einer staatlichen Kontroll- und Unterdrückungskampagne gegen die muslimische Minderheit der Uiguren beteiligt gewesen sein sollen. Sie sollen Uiguren ausspioniert haben, wie das ZDF und Der Spiegel berichteten.

BASF betreibt nach eigenen Angaben seit 2016 zwei Gemeinschaftsunternehmen zur Produktion von Chemikalien in Xinjiang. Insgesamt sollen in den beiden Joint Ventures in Korla rund 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt sein, davon rund 40 bei der BASF Markor Chemical Manufacturing (Xinjiang) Company Limited, die sich den Angaben zufolge mehrheitlich im Besitz der BASF befindet.

BASF Finanzvorstand Dirk Elvermann
Finanzvorstand Dirk Elvermann - © BASF SE

Umsatz und Gewinn unter den eigenen Erwartungen

Der deutsche Chemiekonzern gerät wegen der schwachen Nachfrage und der hohen Kosten immer mehr in die Bredouille. Im vergangenen Jahr blieben Umsatz und Gewinn deutlich hinter den eigenen Erwartungen zurück. Das räumte der Konzern am Freitag ein. Unter dem Strich schaffte es die BASF aber wieder in die Gewinnzone. Im Jahr 2022 hatte der Konzern wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine milliardenschwere Abschreibungen auf das Öl- und Gasgeschäft der Tochter Wintershall Dea vornehmen müssen.

Der Anstieg der Gas- und Energiepreise traf die BASF hart. Zudem dämpft die weltweite Konjunkturflaute die Nachfrage nach den Produkten des Konzerns, die als Grundstoffe in vielen Gütern stecken. Der Aktienkurs, der im Februar bei knapp 70 Euro lag, hat seitdem mehr als ein Drittel verloren.

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Der Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) sowie vor Sondereinflüssen brach 2023 um 45 Prozent ein. Er wird auf 3,8 Milliarden Euro geschätzt. Der Rückgang gegenüber dem Vorjahr sei auf niedrigere Gewinnmargen zurückzuführen. Sparmaßnahmen hätten dies nicht ausgleichen können. Die selbst gesteckten Jahresziele hat die BASF mit diesem Ergebnis verfehlt: Zuletzt hatte der scheidende Chef Martin Brudermüller Ende Oktober das untere Ende der Prognosespanne von 4 bis 4,4 Milliarden Euro angepeilt. Bereits im Juli hatte BASF wegen der schwachen Märkte den Ausblick gesenkt. Beim Umsatz zeigt sich das gleiche Bild: 2023 erwirtschaftete BASF 68,9 Milliarden Euro - ein Rückgang um gut ein Fünftel.
Das Unternehmen hatte noch 73 Milliarden Euro in Aussicht gestellt.

Bereits Ende Oktober hatte das Management angekündigt, die Kosten in den kommenden Jahren stärker als geplant zu senken.Bereits 2023 wird BASF nach früheren Angaben rund eine Milliarde Euro weniger in Sachanlagen investieren als geplant. Auch in den vier Jahren bis 2027 sollen es 3 Milliarden Euro weniger sein als geplant.Zudem sollen die Kosten bis Ende 2026 um insgesamt rund 1,1 Milliarden Euro gesenkt werden. Schwerpunkt ist Europa. Im Dezember kündigte BASF den lange angestrebten Verkauf von Wintershall Dea zu einem Unternehmenswert inklusive Schulden von 11,2 Milliarden US-Dollar (10,3 Milliarden Euro) an, der im vierten Quartal dieses Jahres vollzogen werden soll. Außerdem will sich der Konzern von seinen Agrar- und Batterieaktivitäten trennen. Unter dem Strich dürfte ein Gewinn von 225 Millionen Euro übrig bleiben, teilte der Konzern weiter mit. Ein Jahr zuvor hatte die BASF noch einen Verlust von 627 Millionen Euro verbucht.

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Auch die gesamte Branche in Deutschland bekommt die schwache Auslandsnachfrage zu spüren: Der Geschäftsklimaindex für die chemische Industrie fiel im Dezember auf minus 15,2 Punkte nach minus 13 Punkten im November, wie das Wirtschaftsforschungsinstitut Ifo mitteilte. "Die Talsohle in der Chemiebranche scheint zwar erreicht zu sein, ein baldiges Aufwärts ist allerdings noch nicht in Sicht", sagte Ifo-Branchenexpertin Anna Wolf.

Der Pessimismus der Unternehmen schlägt sich auch in der Personalplanung nieder. Hier liegen die Erwartungen nach Angaben des Ifo-Instituts auf dem niedrigsten Stand seit der Finanzkrise in den Jahren 2008/09. "Der Chemiebranche droht ein noch stärkerer Beschäftigungsabbau", sagte die Expertin.