Energie : EU-Parlament verabschiedete Reform des EU-Strommarkts

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Eine Reform des EU-Strommarktes soll zukünftig vor starken Preissenkungen schützen

- © APG Austria Power Grid

Ziel ist die Beendigung der starken Schwankungen der Strompreise: Das Europäische Parlament hat am Donnerstag in Brüssel mit großer Mehrheit die Reform der Strommärkte in der EU verabschiedet. Ziel der Reform ist die Stabilisierung der Strompreise, die Beschleunigung des Ausbaus erneuerbarer Energien und der Schutz der Verbraucher vor hohen Strompreisen. Als Formsache gilt die Zustimmung der EU-Mitgliedstaaten im Rat.

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„Verbraucher in der EU bekommen mit der Reform transparente und verständliche Stromrechnungen und das Recht auf flexible Stromtarife“, kündigte der Europaabgeordnete Michael Bloss nach der Abstimmung im Parlament an.

Bei den Maßnahmen handelt es sich um eine Verordnung und eine Richtlinie, auf die sich der Rat bereits geeinigt hat. Die EU hat Maßnahmen ergriffen, um auf die explosionsartig gestiegenen Strompreise nach dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu reagieren. Das Ziel ist, den Strompreis unabhängiger vom Gaspreis und fossilen Energien zu machen.

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- © Industriemagazin

Fester vs. dynamischer Strompreis

Angesichts der drastischen Strompreiserhöhungen im vergangenen Jahr haben Wirtschaft, Verbrauchervertreter und Politik eine Reform des europäischen Strommarktes gefordert. Zu Beginn des Krieges in der Ukraine stiegen die Energiepreise stark an. Grund dafür waren Probleme bei der Gasversorgung in der EU. Die hohen Gaspreise wirkten sich direkt auf die Strompreise aus. Denn die Strompreise sind durch das Merit-Order-System miteinander verbunden. Dabei bestimmt der teuerste Energieträger (in der Regel fossile Brennstoffe) den Gesamtstrompreis. Zur Vermeidung zukünftiger Schwankungen hat die EU eine Reform des Strommarktdesigns und eine Stärkung der Investitionen in erneuerbare Energien beschlossen.

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Verbraucher haben künftig das Recht, bei Vertragsabschluss zwischen festen und dynamischen, marktorientierten Strompreisen zu wählen. Eine einseitige Änderung der Vertragsbedingungen oder des Vertrages durch die Stromversorger ist im Rahmen der Reform nicht möglich.

Kern der Reform sind so genannte Differenzverträge: Der Staat garantiert Unternehmen, die in erneuerbare Energien investieren, Mindestpreise, wenn die Marktpreise zu stark fallen. Überschüssige Gewinne fließen an den Staat, wenn der Marktpreis eine bestimmte Grenze überschreitet. Differenzverträge sind bei allen Investitionen in die neue Stromerzeugung erlaubt, unabhängig davon, ob sie aus erneuerbaren oder nuklearen Energiequellen stammen. Letzteres ist ein Zugeständnis an Frankreich.

Der Strompreis bildet sich nach wie vor auf dem Markt nach dem Prinzip der Merit-Order.
Ziel der Differenzverträge ist die Sicherung von Investitionen in Kraftwerke und Windkraftanlagen. Investitionen in Kernkraftwerke sind auf Wunsch Frankreichs ebenfalls möglich.

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Darüber hinaus ist vorgesehen, einen Mechanismus zu schaffen, um eine Strompreiskrise auszurufen. Bei sehr hohen Preisen und unter bestimmten Bedingungen kann die EU eine regionale oder EU-weite Strompreiskrise ausrufen, die es den Mitgliedstaaten erlaubt, befristete Maßnahmen zu ergreifen, um die Strompreise für kleine Unternehmen und energieintensive Industriekunden festzulegen.

Mit den neuen Vorschriften für den EU-Strommarkt machen wir die Energierechnungen von Verbrauchern und Unternehmen weniger abhängig von kurzfristigen Preisschwankungen. Wir sichern Verbrauchern den Zugang zu stabiler, preiswerter und sauberer Energie. Außerdem werden die Bedingungen für Energieinvestitionen verbessert, insbesondere durch die Stärkung von Differenzverträgen und Stromabnahmevereinbarungen.
Angelika Winzig, ÖVP-Delegationsleiterin im Europaparlament

Energy-Sharing-Abkommen

Verbraucherinnen und Verbraucher haben in Zukunft nicht nur die Möglichkeit zum Abschluss von Verträgen mit herkömmlichen Energieversorgern, sondern auch mit anderen Anbietern. Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und öffentliche Einrichtungen können Ökostrom und Speicherkapazitäten über so genannte Energy-Sharing-Plattformen anbieten und verkaufen.
Energy-Sharing-Verträge ermöglichen so eine neue, dezentrale Stromversorgung durch Erneuerbare Energien. Um zusätzliche Bürokratie zu vermeiden, sollen Betreiber von Kleinanlagen von den Pflichten befreit werden, die für konventionelle Energieversorger gelten.

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Aufgabe der Plattform ist die Vermittlung von Stromangeboten und Speichermöglichkeiten an Verbraucher sowie die Abrechnung von Zählerständen, Netzentgelten und Steuern. Darüber hinaus übernimmt die Plattform die Anmeldung von Anlagen und die Kommunikation mit Netzbetreibern und Energieversorgern.

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Günther Sidl, Mitglied im zuständigen Industrieausschuss sieht diese Reform als längst überfällig an: "Unser Strommarkt ist derzeit immer noch zu anfällig für Schwankungen. Die Auswirkungen davon haben wir insbesondere im Winter 2022 zu spüren bekommen, als die Energiepreise ihren absoluten Höhepunkt erreichten. Am härtesten waren Menschen in ohnehin schon prekären Verhältnissen betroffen. Viele Menschen mussten frieren oder in anderen Lebensbereichen zurückstecken, um sich das Heizen noch leisten zu können. So etwas darf in Zukunft einfach nicht mehr passieren!"