Seat und BMW : Autobranche vor nächster Krise: "Gute alte Zeit ist vorbei"

Ifa Branchengipfel
© YouTube/Institut für Automobilwirtschaft

Vor dem Hintergrund der weltweiten Konjunkturabschwächung macht sich in der Autoindustrie die Angst vor einer nächsten Krise im nächsten Jahr breit: einer Absatzkrise. Bei einem Expertentreffen am Donnerstag erklärten die Chefs der Marken Volkswagen und Seat, dass bereits weniger Aufträge hereinkommen.

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"Der Gesamtmarkt wird zurückgehen", sagt Seat-Chef Wayne Griffiths beim Branchengipfel des Instituts für Automobilwirtschaft (ifa) in Nürtingen. Auch Volkswagen-Markenchef Thomas Schäfer rechnet damit, "dass uns ein steiferer Wind entgegenweht im nächsten Jahr."

Eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums oder eine Rezession führen zu einer Verlangsamung des Automarkts, sagt Uwe Hochgeschurtz, Europa-Chef von Stellantis, dem Opel-Mutterkonzern. "Wir müssen uns auf Krisen vorbereiten", so Hochgeschurtz. "Die gute alte Zeit ist erstmal vorbei."

Branchenexperten gehen davon aus, dass der Automobilmarkt im Jahr 2023 einbrechen wird. Peter Fuß, Automotive-Experte beim Beratungsunternehmen EY, rechnet in den kommenden Monaten noch mit steigenden Neuzulassungen in Europa. Der Grund: der derzeit noch nicht erfüllte Auftragsbestand aufgrund der Chip-Krise. Doch die Aussichten für das erste Halbjahr danach sehen anders aus, so Fuß: "Konjunktureinbruch, Energiekrise, Inflation: Die Rahmenbedingungen sind denkbar schlecht. Die Nachfrage nach Neuwagen wird darunter massiv leiden." Autohändler klagen bereits über Stornierungen.

Eine aktuelle Analyse der Schweizer Bank UBS zeigt, dass eine schwache Nachfrage kein vages Risiko mehr ist, sondern bereits Realität wird. Da die Verbraucher während der Rezession an ihrem Geld festhielten, waren die Hersteller gezwungen, die aufgrund von Angebotsengpässen gestiegenen Preise zu senken. Größere, teurere Fahrzeuge wurden deutlich weniger abgenommen. Gleichzeitig stiegen natürlich die Kosten. UBS prognostiziert nun, dass die Autohersteller im nächsten Jahr um bis zu vier Prozent an Umsatzrendite verlieren könnten. Rund die Hälfte der Gewinne werde einbrechen.

Wenn die Energiekrise eskaliert, könnte die europäische Autoproduktion laut Untersuchungen von S&P Global Mobility im Jahr 2023 vierteljährlich um etwa 40 % oder mehr als 1 Million Einheiten sinken. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass hohe Energiepreise und Stromausfälle zu Produktionsstillständen führen.

Auf der Branchenkonferenz unterdessen zeigen sich die Manager der großen Marken – etwa BMW-Vertriebschef Pieter Nota – aber relativ optimistisch, den Absatzeinbruch verkraften zu können: "Wir sehen das nicht als Krise, wir sehen das als Chance, uns noch stärker aufzustellen."

Seat-Chef Griffiths sagt, dass er bei sinkenden Absätzen auf ein früheres Erreichen der Gewinnschwelle ziele, um die Renditen zu sichern. „Wir und der Handel kommen da durch“, betont er.

Die Stimmung sei in Deutschland besonders schlecht im Vergleich zu Spanien. Auch Stellantis-Manager Hochgeschurtz setzt auf die Anpassungsfähigkeit der Branche, die sie gerade beim Umstieg auf Elektromobilität unter Beweis stelle. Die bevorstehende Krise bedeute nicht, dass Autohersteller und Handel schlechten Zeiten entgegengingen.

Die Chefin des deutschen Automobilverbandes VDA, Hildegard Müller, forderte angesichts "explodierender Energiepreise" Steuern zu senken. Denn vor allem dem Mittelstand gehe nach der Coronakrise mit den neuen Belastungen die Luft aus. "Machen statt reden ist das Entscheidende", sagte sie.

Andernfalls stünden Unternehmen vor der Frage bei anstehenden Investitionen vor der Entscheidung, ob sie wegen der hohen Energiekosten in Deutschland nicht in andere Länder ausweichen und Standorte schließen sollten. Den Firmen gehe es mit den Energiekosten wie dem Frosch auf der heißen Herdplatte. "Alle haben sich lange angestrengt, aber durch den Krieg nimmt die Temperatur so zu, dass der Frosch springen muss."