Elektronik-Industrie : ams Osram verliert Großauftrag von Apple

Im Labor von Elektronikhersteller ams Osram.

ams-Osram verliert einen Großkunden und muss nun hohe Verluste abschreiben

- © Ams Osram

Hiobsbotschaft für ams-Osram: Dem deutsch-österreichische Sensor- und Lichtkonzern ist der wichtigste Kunde für seine neue MicroLED-Technik abgesprungen. Das Schlüsselprojekt für die nur pixelgroßen LEDs, die etwa in Smartwatch-Displays eingesetzt werden können, sei unerwartet storniert worden, teilte ams-Osram am Mittwochabend in Premstätten bei Graz mit.

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Mit Blick auf die Technik und den erhofften Großauftrag hatte das Unternehmen eine neue 8-Zoll-Wafer-Fabrik im malaysischen Kulim hochgezogen, die in diesem Jahr den Betrieb aufnehmen sollte. Den Namen des Auftraggebers nannte ams-Osram wie in der Branche üblich nicht, Insidern und Medienberichten zufolge hatte der Konzern aber den US-Smartphoneriesen Apple beim Bau der Chip-Fabrik im Visier. "Die Gespräche mit dem Kunden dauern an", hieß es.

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- © Industriemagazin

Absprung von Apple schmälert auch Wachstumsperspektiven

Für das Vorzeigeprojekt, das noch in diesem Jahr in Betrieb gehen sollte, schreibt ams-Osram nun bis zu 900 Millionen Euro ab. Für den Bau der Fabrik, die zum Teil bereits gelieferten Maschinen und die Entwicklung der winzigen Leuchtdioden habe das Unternehmen 1,3 Milliarden Euro ausgegeben, sagte Finanzvorstand Rainer Irle. "Wir haben jahrelang daran gearbeitet und solide Fortschritte gemacht", sagte Vorstandschef Kamper. "Wir dachten, es sei alles in der Spur", fügte Irle hinzu. "Jetzt müssen wir sehen, was wir damit machen."

Im Zuge der Auftragsstornierung werde das Unternehmen "die zukünftigen Nutzungsmöglichkeiten aller zur microLED-Strategie gehörenden Vermögenswerte hinterfragen, insbesondere der neuen 8-Zoll-LED-Fabrik in Kulim". Ein neuer Kunde, der einspringen könnte, ist nicht abzusehen. Ein Verkauf des Werks stehe im Raum. Ein Teil der Anlagen könne vielleicht noch abgebaut werden, sagte Irle. Der neue Vorstand um Aldo Kamper und Finanzvorstand Rainer Irle hatte die neue Fabrik für 450 Millionen Euro an einen Investor verkauft und zurückgemietet, um Geld in die Kasse zu bekommen.

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ams Osram Standort in Kulim Malaysia
ams Osram Standort in Kulim Malaysia - © ams Osram

Das Projekt in Malaysia war noch vom früheren ams-Chef Alexander Everke eingefädelt worden. ams war mit Apple stark gewachsen, verlor aber zuletzt immer mehr Aufträge des US-Computerriesen. Die Absage des Großkunden für die MicroLED-Technologie schmälere auch die Wachstumsperspektiven von ams-Osram: Statt des erhofften mittelfristigen Umsatzwachstums im Kerngeschäft von sechs bis zehn Prozent seien nur sechs bis acht Prozent zu erwarten, hieß es. Beim Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) fehlten dadurch 30 bis 50 Millionen Euro, weil weniger Forschungs- und Entwicklungskosten aktiviert würden und weniger Fördermittel zu erwarten seien. ams-Osram prüfe deshalb zusätzlich zum laufenden Kostenprogramm weitere Sparmaßnahmen, um den entgangenen Gewinn zu kompensieren.

Ob man Apple in Regress nehmen kann, ließ Kamper offen. Zum Inhalt des Vertrages könne er keine Angaben machen. Apple war vor der Übernahme des deutschen Lichtkonzerns Osram traditionell einer der größten Kunden der österreichischen ams. Auch nachdem einige Großaufträge verloren gingen, ist man mit dem amerikanischen Konzern weiterhin im Geschäft. ams-Osram prüfe zusätzliche Einsparungen über das bereits laufende Kostenprogramm hinaus, um den Umsatzausfall zu kompensieren. Dies teilte das Unternehmen mit. Auch der Standort Regensburg, an dem die MicroLED entwickelt wurden, könnte betroffen sein. Kamper betonte, Kredite seien durch die Abschreibungen nicht gefährdet: "Wir sind immer noch ein gesundes Unternehmen mit einer starken Bilanz."

ams Osram und Apple: Langjährige Beziehung

„Ohne uns würde es das Iphone X überhaupt nicht geben“, sagte der ehemalige ams-Boss Alexander Everke – und wirklich übertrieben war das nicht. Doch die Abhängigkeit war Gegenseitig: Geschätzte 50 Prozent des Umsatzes machte der High-Tech-Sensorhersteller damals mit dem Technologie-Riesen Apple alleine. Die Präsentation des Iphone X im September 2017 mehr als nur die Vorstellung einer neuen Handyserie. Es war das zehnte Iphone überhaupt – und es hatte eine technologischen Revolution im Gepäck: Erstmals war die Authentifizierung mit Gesichtserkennung, der so genannten Face ID möglich. Die Touch ID, der Fingerabdrucksensor, hatte damit ausgedient. Grundlage dieser Revolution war der damals für Apple kundenspezifisch produzierte, und weltweit einzigartige Multispektralsensor. Erdacht und produziert wurde er vom steirischen Sensor und Chiphersteller ams.

Seit dem historischen Höchststand von 2018 hat die Aktie des Unternehmens über 96 Prozent verloren. Hauptgrund: Das wegbrechende Geschäft des Unternehmens mit seinem Großkunden Apple – auf den man sich, ohne Not, wie Analysten sagen, viele Jahre zu stark konzentriert hat. Die Übernahme des deutschen Leuchtmittelherstellers Osram im Jahr 2021 – obwohl strategisch klug – hat die Situation verschlimmert: Der Bieterwettkampf um das deutsche High-Tech-Leuchtmittelhersteller, das zudem weitaus größer war als ams selbst, hat dem Unternehmen zudem einen Schuldenberg aufgehalst.

Seit 2018 hat die ams-Osram Aktie 96 Prozent verloren
Seit 2018 hat die ams-Osram Aktie 96 Prozent verloren - © INDUSTRIEMAGAZIN
Der Absturz von ams-Osram bei den IM-News

Apple will Micro-LED offenbar selbst herstellen

Gerüchte, dass Apple künftig zumindest einen wichtigen Schritt bei der Herstellung von MicroLED-Displays selbst machen will, kursierten bereits im vergangenen Jahr. Dazu habe das Unternehmen über eine Milliarde Dollar in die Entwicklung eigener Technologien investiert, um den sogenannten Massentransfer in einer eigenen Anlage durchzuführen. Dabei handelt es sich um einen entscheidenden Produktionsschritt: Zehntausende von MicroLED-Chips werden dabei auf das Trägermaterial (Substrat) übertragen. Der Prozess soll an einem seit Jahren bestehenden F&E-Standort in der Stadt Taoyuan im Norden Taiwans durchgeführt werden. Apple kooperiert dabei mit einer Reihe von Zulieferern und hat auch einen Teil der Produktionsanlagen selbst entwickelt.

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Die Komponenten für die MicroLEDs sollten dabei ursprünglich von ams-Osram zugeliefert werden, während LG Display die Substrate bzw. Backplates für die Displays zur Verfügung stellen wird. Die Produktion der 12-Zoll-Wafer für das Projekt übernimmt der Halbleiter-Auftragsfertiger TSMC. Neben den Treiber-ICs für die neuen MicroLED-basierten Displays hat Apple auch verschiedene Teile der Systeme für die Produktion selbst entwickelt. Dem Vernehmen nach geht es dem US-Konzern vor allem darum, den Massentransferprozess selbst besser kontrollieren zu können.

Die MicroLED-Technologie von Apple soll sich noch in der Testphase befinden. Erste kommerzielle Displays dieser Art sollen ab 2025 in neuen Modellen der Apple Watch zum Einsatz kommen. Auf lange Sicht sollen die neuen Displays auch in den iPhone-Modellen von Apple zum Einsatz kommen. Die neuen Displays verbrauchen weniger Energie als OLED-Panels. Sie lassen sich dünner bauen und können auf gekrümmten und flexiblen Oberflächen eingesetzt werden. Außerdem sollen sie heller leuchten.

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Seit Apple die ersten OLED-Displays in seinen Geräten einsetzte, ist das Unternehmen auf Samsung als Zulieferer angewiesen. Alle Bemühungen, dies mit Hilfe anderer Anbieter zu ändern, waren bisher nicht von Erfolg gekrönt, da Anbieter wie LG Display aus Südkorea und BOE aus China noch nicht in der Lage sind, den hohen Anforderungen von Apple in gleichem Maße gerecht zu werden wie die Display-Sparte von Samsung.

Umbau von ams-Osram

Der langjährige Osram-Manager und spätere Chef des angeschlagenen Autozulieferers Leoni, Aldo Kamper, will das Unternehmen umbauen. Er kündigte an, das Geschäft mit Komponenten für Smartphones zurückzufahren. Es solle nur noch selektiv betrieben werden. Trennen will man sich auch von unprofitablen Geschäften wie Linsen für Smartphones. Kosten soll dies das Unternehmen zunächst einen Umsatz in Höhe von 300 bis 400 Millionen Euro. Zum Vergleich: Im Jahr 2022 lag der Umsatz noch bei 4,8 Milliarden Euro. Kamper will auch nicht ausschließen, dass Arbeitsplätze verloren gehen.

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Im Gegenzug will sich das Unternehmen verstärkt auf LED- und Sensorchips für die Automobilindustrie, die Industrie und die Medizintechnik konzentrieren. Es wird erwartet, dass dies dazu beiträgt, das Umsatzwachstum auf sechs bis zehn Prozent pro Jahr zu steigern. Mit einem Sparprogramm soll das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) bis zum Jahr 2025 um 150 Millionen Euro verbessert werden. Mittelfristig wird eine Umsatzrendite (Ebit-Marge) von 15 Prozent angestrebt.

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Für vier Milliarden Euro hatte der steirische Sensorhersteller nach einer jahrelangen Übernahmeschlacht den großen deutschen Leuchtmittelhersteller Osram übernommen. Just auf dem Höhepunkt der "Corona-Angst" im Frühjahr 2020 wurde zu diesem Zweck eine sehr umfangreiche Kapitalerhöhung durchgeführt, die eine starke Verwässerung der bestehenden Aktien und eine hohe Verschuldung zur Folge hatte.

Aldo Kamper ist neuer CEO von ams Osram und Osram Licht.
Angetreten, um ams-Osram umzubauen: Aldo Kamper - © Leoni

Ausbau des Standortes in Premstätten

Wie die "Kleine Zeitung" am 10. Februar meldete, sei für den Standort in Premstätten sogar der Ausbau des Standortes mit hohen Investitionen geplant. „Hier werden wir auch künftig investieren und auf neue Technologien setzen", so Kamper gegenüber der "Kleinen Zeitung". Die Investitionssumme ist dabei beachtlich: „Bis 2030 planen wir für den Standort Premstätten mit einer Gesamtinvestitionssumme von bis zu 588 Millionen Euro.“ Die technologischen Schwerpunkte liegen auf der nächsten Generation von so genannten CMOS-Bildsensoren, auf der von ams-Osram patentierten Wafer Packaging Technologie TSV sowie auf Filtern.

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Für die Erweiterungen am Standort soll es auch in Österreich Förderungen geben - dank des European Chips Act, entsprechende Anträge laufen. „Wir haben unseren Antrag im August 2023 übermittelt, aktuell ist der Prozess im vollen Gange und wir rechnen in den kommenden Tagen bis Wochen mit Nachricht aus Wien.“ Der Ausbau in Premstätten habe tendenziell auch die Schaffung neuer Arbeitsplätze in der Steiermark zur Folge. Ende 2023 waren am Standort 1.320 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig.

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Um 25 Prozent auf 3,59 Milliarden Euro brach der Umsatz im vergangenen Jahr ein. Grund war unter anderem das wegbrechende Geschäft mit Chips zur Gesichtserkennung. Diese werden unter anderem in iPhones verbaut. Das bereinigte operative Ergebnis sank um 43 Prozent auf 233 Millionen Euro, der Nettoverlust stieg nach Firmenwertabschreibungen auf 1,61 Milliarden Euro.

AMS Osram verkauft weiteren Geschäftsbereich
ams-Osram in Premstätten - © AMS Osram

Über ams Osram

Das steirische Hightech-Unternehmen ams hat eine für die Halbleiterindustrie in Österreich lange Historie: Gegründet wurde Austria Microsystems als ein Tochterunternehmen der damals verstaatlichten Voestalpine. 1983 wurde im Schloss Unterprämstetten bei Graz die erste moderne Halbleiterfertigung auf österreichischem Boden hochgezogen. In den 1990er Jahren, so verrät die Firmenchronik, zählte man zu den am schnellsten wachsenden Unternehmen Europas – und galt in den 2000ern als einer der wenigen ernstzunehmenden Auftragshersteller von Speicherchips in Europa.

Ab 2010 folgte dann eine strategische Weichenstellung: ams entdeckte die Lichtsensor-Technologie als Geschäftsfeld. Ein Markt, der sich auszahlen sollte: In nur einem Jahrzehnt explodierte der Umsatz von 209 Millionen auf fast 5 Milliarden Euro. Gewachsen ist das Unternehmen für lange Zeit mit einem Großkunden: Dem Tech-Giganten Apple. Doch zuletzt sind weite Teile des Geschäftes mit Apple weggebrochen.

Schloss Unterprämstetten bei Graz
Schloss Unterprämstetten bei Graz - © Wikipedia