Portrait : Sebastian Heinzel: Rückkehr eines Reisenden
Herbst 2007. Barack Obama und Hillary Clinton rittern um das Ticket des Präsidentschaftskandidaten der Demokraten. In Wien führt eine große Koalition unter Alfred Gusenbauer die Regierungsgeschäfte. Faule Immobilienkredite sind im Begriff, die Weltwirtschaft in die Krise zu stürzen. Und in einer New Yorker Dach-Maisonette am Broadway mietet sich eine Gruppe junger Österreicher ein. Halb Büro, halb Wohngemeinschaft auf 250 Quadratmetern. Start-up-Lebensgefühl samt Wuzeltisch, Panoramafenster und – vielleicht das wichtigste – Dachterrasse mit Aussicht für abendliche Barbecues.
Einer der jungen Männer, die im Wohnarbeitsparty-Penthouse einen Schreibtisch haben, ist der damals knapp 30-jährige Sebastian Heinzel. Als Korrespondent für das Nachrichtenmagazin Profil nach New York gekommen, hat Heinzel – wie er sagt – irgendwann genug vom Zuschauen und Berichten. Er wolle „jetzt selbst mitspielen“ und gründet die Online-Reiseplattform Tripwolf. Es sollte der Startschuss werden für eine unternehmerische Karriere, die ihn im Lauf der nächsten Jahre durch die abenteuerliche Welt der Tech-Start-ups und letztlich wieder ins elterliche Unternehmen führen wird. In naher Zukunft wohl auch in den Chefsessel des Konzerns.
In einer Welt der fortschreitenden Digitalisierung und der immer enger zusammenwachsenden Märkte erweisen sich die Lektionen aus der New Economy auch in einer ehrwürdigen Branche wie der Papierindustrie als Vorteil. Und Sebastian Heinzel präsentiert sich als ein Industrieller neuen Zuschnitts, Hybrid einer alten und einer neuen industriellen Welt.
Harlem, Soho und die ganze Welt
Im Herbst 2007 ist diese Entwicklung freilich noch nicht absehbar. In Heinzels Leben vollzieht sich gerade ein erster Schwenk:
„Mir hat Journalismus richtig Spaß gemacht“, eröffnet Heinzel das Interview. „Durch die Welt reisen, spannende Menschen treffen, jede Woche ein neues Thema. Aber irgendwann hatte ich das Gefühl, ich bin als Journalist wie ein Schiedsrichter auf dem Spielfeld: Zwar sehr nah dran, aber ich laufe nur nebenher. Mich hat die Lust gepackt, selbst etwas zu tun. Technologie, Internet, Kommunikation, Medien waren immer meine Themen. Meine Freunde und Kollegen sind ganz vorne mit einer neuen Start-up-Welle geschwommen. Ich hab mich voll in dieses Leben hineingeschmissen.“
Tech-Start-ups sind damals der letzte Schrei. Gerade wurde das erste iPhone vorgestellt und Facebook tritt seinen Siegeszug um die ganze Welt an. Jeder, der programmieren kann, träumt davon, mit einer App das große Geld zu machen. Projekte mit bunten Logos und kühnen Geschäftsideen sprießen aus dem Boden wie die Schwammerln. Es fließt wieder viel Geld in Projekte junger Entwickler. Die meisten davon werden letztlich scheitern, aber einige werden irgendwann mit gewaltigem Profit verkauft. Genau das ist die Hoffnung, die die meisten Gründer antreibt. Zusammen mit i5Invest-Boss Markus Wagner, der selbst durch einen Millionen-Buy-out seines Start-ups Xidris zu viel Geld gelangt war, gründet Heinzel die Internet-Reiseplattform Tripwolf und verbindet damit seine Lust am Reisen mit einer Geschäftsidee.
Erst kurz zuvor hat Heinzel in New York City seine heutige Ehefrau Alessandra kennengelernt. Die beiden leben in einer Mietwohnung in einem Brownstone-Bau in der 124. Straße in Harlem. Während die gebürtige Italienerin zu Fuß hinüber in die Columbia University geht, wo sie International Affairs studiert, pendelt Sebastian täglich mit der Express-Linie A hinunter zur Canal Street in Soho. Knapp eine halbe Stunde dauert das.
Über einen gemeinsamen Freund lerne ich Heinzel damals während meiner Studienzeit in New York kennen. Bald folgt die Einladung, doch einmal das Start-up-Penthouse zu besuchen, um mehr über die Projekte der jungen Österreicher dort zu erfahren. Dass er der gleichnamigen Industriellenfamilie entstammt, erwähnt Heinzel nie.
„Den Namen Heinzel gibt es in der Papier- und Zellstoffindustrie zwar schon lange. Aber mein Großonkel Wilfried hatte die Produktion in den 1980er-Jahren an das schwedische Unternehmen SCA verkauft. Als mein Vater Alfred ab 2000 einen Neustart hingelegt hat, war ich erwachsen. Ich bin deshalb nicht mit dem Selbstverständnis aufgewachsen, Teil einer Industriellenfamilie zu sein.“
Eine missglückte LKW-Fahrt
Stichwort Industriellenfamilie: Bis in die späten 1940er-Jahre reichen die unternehmerischen Wurzeln des Heinzel’schen Papierkonzerns. In den Nachkriegsjahren baut der gebürtige Kärntner Wilfried Heinzel ein Transportunternehmen auf. Als er einmal eine Ladung Chemikalien für die Papierproduktion mit dem LKW von der Freihandelszone Triest in ein Werk in Österreich bringt, erlebt er eine böse Überraschung: Der Werksdirektor kann die Lieferung nicht bezahlen. Am Ende steht ein Tausch: Chemikalien gegen Zellstoff. Wilfried Heinzel – der Großonkel von Sebastian – packt kurzerhand die Ballen ein und findet sich unversehens im Papier- und Zellstoffhandel wieder. Zu Anfang der 1960er-Jahre tritt zum Handel die Produktion. Wilfried Heinzel erwirbt im Jahr 1963 die ehemalige „Danzermühle“ in Laakirchen an der Traun und legt damit den Grundstein für den Industriekonzern.
So geschickt der alte Heinzel in geschäftlichen Angelegenheiten war, so schwierig dürfte er im zwischenmenschlichen Bereich gewesen sein. Wenn Familienangehörige seine Wesenszüge beschreiben, entsteht am Ende ein Dagobert-Duck-ähnliches Bild. Insbesondere zu seinem Neffen Alfred, Sebastians Vater, entwickelt sich eine – sagen wir einmal – komplizierte Beziehung. Alfred, der Maschinenbau studiert hat, arbeitet für das Unternehmen und findet durchaus Gefallen an der Idee, selbiges eines Tages zu leiten. Allein der Onkel – so heißt es – bremst diese Ambitionen.
Im Jahr 1988 hätte es mit dem industriellen Engagement des Familienbetriebs bereits wieder vorbei sein können, verkaufte doch Wilfried das Werk zur Überraschung seines Neffen an den schwedischen Papierkonzern SCA. (Das Handelshaus betrieb er weiter.) Die Ironie dabei: Der neue schwedische Eigentümer holt in der Folge Alfred in die Fabriksleitung.
Alfred gibt sich mit dem Dasein als leitender Angestellter allerdings nicht zufrieden: Im Jahr 1991 kauft er seinem Onkel Wilfried – mit Unterstützung von Banken und Management – das Handelshaus des Konzerns, die heutige Heinzel Sales, ab. Anfang der 2000er-Jahre holt er auch die Produktion zurück in die Familie; erwirbt zunächst die Zellstoff-Anlage im steirischen Pöls. Später kauft er auch das Werk in Laakirchen von den Schweden. Es ist ein rasanter Expansionskurs, der über die Grenzen Österreichs hinausgeht und im Lauf von eineinhalb Jahrzehnten auch eine Fabrik in Deutschland, eine in Estland sowie ein weltweites Vertriebsnetz umfasst.
Freiheit, das eigene Glück zu suchen
Die späte Renaissance der industriellen Familiengeschichte ist der Grund, dass Sebastian Heinzel als Heranwachsender nicht darüber zu sinnieren braucht, ob er eines Tages den Konzern übernehmen will. Als er mit seinem Vater während des Studiums einmal die Zellstoff-Fabrik in Pöls besucht, überrascht ihn dieser mit einer Frage:
„Wir sind auf einem Turm gestanden und haben auf die Fabrik geschaut, als mich mein Vater gefragt hat, ob mich das alles interessiert. Ich habe sofort – und relativ undiplomatisch – gesagt: Nein, das ist eigentlich nicht meins. Und das war’s dann auch. Wie das mein Vater damals aufgenommen hat, weiß ich nicht. Jedenfalls hat mir dieses Gespräch die Freiheit gegeben, mein eigenes Ding zu machen. Im Nachhinein bin ich meinem Vater sehr dankbar, dass ich diese Freiheit genießen konnte.“
Die Freiheit, das Glück auf die eigene Art und Weise zu versuchen, nutzen auch seine beiden Brüder, bevor sie irgendwann im Konzern andocken: Christoph, jetzt für Energie verantwortlich, verschlägt es nach Australien in die Filmbranche; der jüngste Bruder Matthias durchläuft verschiedene Stationen im Lebensmittelhandel, um danach Chef der Landwirtschaftssparte bei Heinzel zu werden.
Das WG-Leben in Manhattan kommt jedenfalls im Jahr 2008 zu einem Ende. Infolge des Börsencrash hat die Stadt an Attraktivität eingebüßt. Die Gründer von i5Invest kehren nach Wien zurück, wo sie im 5. Bezirk ein neues Start-up-Zentrum errichten. Auch Heinzel und sein Unternehmen Tripwolf mit der – auf inzwischen ein Dutzend Mitarbeiter angewachsenen – Belegschaft ziehen in den neu geschaffenen Office-Space in der Spengergasse, der sich in den folgenden Jahren als Brutkasten für Unternehmensgründungen bewähren wird.
Kontaktaufnahme durch Headhunter
Es dauert bis zum Jahr 2011, bis Alfred Heinzel einen weiteren Versuch unternimmt, den ältesten Sohn ins Unternehmen zu holen. Sebastian Heinzel erinnert sich:
„Der Erstkontakt war, dass mich ein Headhunter angerufen und mir gesagt hat, dass da bei Heinzel eine Stelle als CFO freigeworden ist. Ich bin aus allen Wolken gefallen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich nie darüber nachgedacht. Ich hab dann auch zu diesem konkreten Job nein gesagt. Zum einen, weil es mich nicht so gereizt hat. Und auch, weil ich Tripwolf, das – wenn man so will – mein Baby war, zu einem guten Ende bringen wollte. Trotzdem hat mit diesem Erstgespräch meine mentale Reise ins Family Business begonnen.“
Die nächsten Jahre bringen für Heinzel zahlreiche Veränderungen im privaten Bereich. Alessandra startet ihre Laufbahn bei den Vereinten Nationen, beginnt in New York City zu arbeiten. Für das Paar heißt es jetzt: Beziehung auf Distanz, alle vier bis sechs Wochen ins Flugzeug steigen, lange Telefonate, erschwert durch die Zeitverschiebung. Die Situation bessert sich mit der Hochzeit in Italien 2011: Zwar steigen die Frischvermählten unmittelbar nach der Hochzeit in Flugzeuge in unterschiedliche Richtungen. Doch als Alessandra kurz darauf einen Job bei der UNO in Bratislava bekommt, wird ein gemeinsames Leben in Wien möglich. Mit der Geburt des ersten Sohnes Federico im Jahr 2012 ändert sich erneut alles. Und ein Wechsel ins Familienunternehmen wird allmählich zu einer realistischen Möglichkeit.
Anfang 2013 gelingt dann der bereits länger geplante Verkauf von Tripwolf an den deutschen Verleger Andreas Langenscheidt. Die Online-Reiseplattform ist zwar nicht in dieselbe Liga wie Airbnb aufgestiegen. Für Heinzel war der Ausflug dennoch ein lukratives Geschäft: Er verkauft die Firma und verzwölffacht das eingesetzte Kapital. Ende November 2013 kehrt er ins Familienunternehmen zurück.
Eine Welt aus Lärm und Staub
Dort findet er eine Welt vor, die mit der von Internet-Unternehmen wenig gemeinsam hat. Statt chromblitzender MacBooks, Shared-Office-Spaces und Skype-Konferenzen mit Entwicklern in Kiew und Content-Managern in Manila ist er nun umgeben von Papierballen, LKW-Ladungen und lärmenden, Mehrfamilienhaus-großen Maschinen. Zu seiner eigenen Überraschung findet er am Papiergeschäft zusehends Gefallen:
„Tatsächlich habe ich es in der Hightech-Welt irgendwann als unbefriedigend wahrgenommen, dass man niemals etwas zum Angreifen produziert. Das ist auch genau das, was mich jetzt am Papier- und Zellstoffbusiness fasziniert: Wir sind permanent von einem Produkt umgeben, das die ganze Welt braucht.“
Die erste Zeit verbringt Heinzel damit, die Teilbereiche der Gruppe verstehen zu lernen. Mit einem Jahresumsatz von mittlerweile zwei Milliarden Euro ist der Heinzel-Konzern etwa gleich groß wie Verbund oder Lenzing. Konkurrent Meyr-Melnhof liegt umsatzmäßig nur knapp vorne. Von den Fabriken abgesehen, betreibt die Familie eigene Kraftwerke: etwa das Wasserkraftwerk Danzermühl, einen Windpark im Burgenland; sie besitzt landwirtschaftliche Flächen und Büro-Immobilien.
Perfekter Generationenwechsel
Heinzel dockt noch 2014 bei Heinzel Sales, dem umsatzstarken Handelshaus und zugleich ältesten Teil des Familienunternehmens, an. Seine vielen Reisen aus Tripwolf-Tagen, die gesammelten Erfahrungen und das Wissen um kulturelle Besonderheiten kommen ihm in der neuen Position zugute: Verbringt er doch viel Zeit mit Geschäftsreisen, holt neue Kunden aus Lateinamerika und absolviert nebenbei einen Executive-MBA bei INSEAD in Frankreich. Im Jahr 2017 – zehn Jahre nach seiner Zeit als Entrepreneur in New York City – steigt er schließlich zum CEO der Heinzel Sales auf.
Es mag Senior-Chef Heinzel den Rückzug in den Aufsichtsrat erleichtert haben, dass die sieben Tochterunternehmen der Holding solide bilanzieren und der Expansionskurs weiter voranschreitet. Sebastian Heinzel setzt auf Wachstum beim Handel, wo die Gruppe jedes Jahr rund vier Millionen Tonnen Papier und Zellstoff über den gesamten Globus bewegt. (Davon ein Drittel aus eigener Produktion.)
„Auch die Produktion wird weiter forciert. Wir haben gerade im Bereich flexible Verpackungen stark investiert, um im ganzen Geschäft Plastik versus Papier gut aufgestellt zu sein.“
So stellte die Papierfabrik in Laakirchen eine Maschine auf die Herstellung von Wellpappenrohpapier und die Erzeugung von Papier-Verpackungen etwa für den Lebensmittelhandel um.
Wohin geht die Reise?
Das gestiegene Bewusstsein für eine nachhaltige Lebensweise – ebenfalls ein Anliegen der Heinzel-Brüder – und der Bedarf an Alternativen zu Plastik-Verpackungen nützen dem Unternehmen: 2018 wird zum erfolgreichsten Jahr der Unternehmensgeschichte. Fallende Rohstoffpreise bei Altpapier, moderate Energiepreise und eine hohe Nachfrage für nahezu alle Papier- und Zellstoffqualitäten lassen den Gewinn der Gruppe auf 145 Millionen Euro emporschnellen.
Im Prozess der fortschreitenden Digitalisierung und des Zusammenwachsens von Old and New Economy könnten sich die Kenntnisse von Sebastian Heinzel auch für eine so althergebrachte Branche wie die Papierindustrie als Vorteil erweisen. Womöglich kommt einer wie Heinzel als Hybrid einer alten und einer neuen industriellen Welt gerade recht.
„Bisher hat die digitale Revolution stärker an der Konsumentenseite stattgefunden. Ich sehe aber jetzt, dass sich die Welten annähern: Es gibt immer mehr Industrie-Start-ups im Bereich Industrie 4.0 bis hin zu Effizienzsteigerungen durch Artificial Intelligence – aber es läuft erst langsam an.
Eigentlich freue ich mich auf dieses Zusammenkommen der Welten. In der B2B-Welt, in der die Heinzel-Gruppe operiert, sind die primären Anliegen nach wie vor Effizienzsteigerungen und bessere Abläufe innerhalb der Fabrik und der Supply Chain. Eine Grundkonstante in der Papier- und Zellstoffwelt ist, dass man eine Maschine am liebsten Non-stop laufen lassen will, 360 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag. Da sind mit der Digitalisierung etwa durch vorausschauende Wartung große Hebel vorhanden.“
Selbstverständnis eines Industriellen
Was sich im Lauf der Unternehmensgeschichte vielleicht geändert hat: das Selbstverständnis als Papier-Industrieller. Galt der wirtschaftsliberale Alfred Heinzel, ein erbitterter Gegner des schwarz-roten Proporz-Systems, als Unterstützer der schwarz-blauen Koalition zur Jahrtausendwende, beschreibt sich Sebastian Heinzel so:
„Ich würde mich ganz klar als liberal bezeichnen. Mir ist Offenheit in jeder Hinsicht wichtig. Mir ist Freiheit in jeder Form wichtig. Ich würde mich als gesellschaftspolitisch liberal bezeichnen, und ich würde mich als wirtschaftspolitisch liberal bezeichnen. Vor einigen Jahren gab es die Diskussion, ob die alte Spaltung zwischen Links und Rechts weniger relevant wird und es – stattdessen – um ein offen versus geschlossen geht: In diesem Kontext bin ich ein ganz klarer Verfechter von Offenheit.“
Vor diesem Hintergrund lässt sich auch das Engagement Sebastian Heinzels für das Bildungsprogramm „Teach for Austria“ verstehen, das darauf abzielt, exzellente Vortragende in Schulen zu bringen.
„Ein anderes Thema, das wir tatsächlich in der Zellstoffindustrie hautnah erleben, ist das Thema Klimawandel und Nachhaltigkeit. Im Wesentlichen sind wir darauf angewiesen, dass wir gesunde Wälder haben, eine funktionierende Waldbewirtschaftung, funktionierende Kreisläufe von Wiederverwertung – das ist für mich persönlich ein immer wichtiger werdendes Thema.“
Szenenwechsel. Es ist November 2019. Das Hauptquartier in der Heinzel Group in der Wagramer Straße ist ein mehrstöckiger Bau aus Glas und Beton. Sebastian Heinzel sitzt in einem Eckbüro auf einem Gesundheitsstuhl. Mehr als zehn Jahre nach unserem ersten Treffen in New York hat der inzwischen 42-Jährige seinen Kleidungsstil angepasst: Statt T-Shirt und Turnschuhen trägt der passionierte Läufer und Rennradfahrer jetzt Hemd und Anzug. Ins Büro fährt er mit dem Hybrid-Auto. Zum Rollenbild des neuen Industriellen gehören nicht nur die Offenheit und der weltmännische Blick über die Grenzen hinaus, sondern auch das Erfüllen elterlicher Pflichten: Kinder in den Kindergarten zu bringen zum Beispiel oder Elternsprechtage.
„Vor zehn Jahren hätte ich mich wahrscheinlich nicht an diesem Schreibtisch gesehen. Aber letztlich ist Business Business, Unternehmertum ist Unternehmertum – ich habe im Start-up-Leben Blut geleckt. Meine stärkste Lehre damals war: Man kann die Dinge selbst in die Hand nehmen. Man wächst in Österreich oft mit diesem Gefühl von ‚So ist die Welt‘ und ‚Die Dinge sind vorgegeben‘ auf. Ich habe in New York erlebt: Wow, man kann anpacken und die Welt gestalten. Das ist, was mich am Unternehmertum fasziniert, warum ich es toll finde, im Family Business zu sein.“
Der nächste Schritt für Heinzel wird wohl eines Tages der Vorstandsvorsitz der gesamten Gruppe sein. Am Schreibtisch des Unternehmensgründers Wilfried hat Sebastian Heinzel schon einmal Platz genommen. Der Großonkel ließ das ledertapezierte Stück zurück, als er Abschied nahm. „Die Lederauflage hat sich am Anfang etwas komisch angefühlt“, lächelt Heinzel. „Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt und finde es sehr angenehm.“