Standort Österreich : Industriellenvereinigung: Lieber Neuwahlen statt "durchwurschteln"

Georg Knill

IV-Präsident Georg Knill: lieber früher wählen als das ganze Jahr "durchwurschteln"

- © Marija Kanizaj

Mit einem bunten Strauß altbekannter Forderungen an die Politik und der Warnung vor Wahlgeschenken im Vorfeld der heurigen Nationalratswahl hat die Industriellenvereinigung (IV) heute in Wien aufhorchen lassen. Die nächsten Tage und Wochen werden zeigen, was die Regierung noch umsetzen kann. Und wenn nichts mehr geht, ist es besser, früher zu wählen, als sich das ganze Jahr durchzuwursteln, sagte IV-Präsident Georg Knill vor Journalisten.

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Er erinnerte daran, dass heuer fast die halbe Weltbevölkerung aufgerufen sei, zu wählen, allen voran die USA, was erhebliche Auswirkungen auf die europäische Industrie habe. Zur Diskussion um einen Rechtsruck in der Politik meinte Knill am Mittwoch auf Anfrage, dass sich die Industriellenvereinigung mit Themen beschäftige, die für den Standort relevant seien, sich aber nicht parteipolitisch äußere. "Für uns geht es um einen wettbewerbsfähigen Standort", so Knill.

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Forderungen an die Politik

Um dies zu gewährleisten, werden eine zielgerichtete Energieförderung bis 2030, eine deutliche Senkung der Lohnnebenkosten, das Setzen von Leistungsanreizen, eine Senkung der Abgaben auf 40 Prozent, beschleunigte Genehmigungsverfahren und die Abschaffung der Kapitalertragssteuer im Rahmen eines Vorsorgedepots benötigt.

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"Lediglich die Überlegung, dass in einer klug umgesetzten Energiewende ein Investitionsvolumen von 80 Milliarden Euro schlummert, sollte Anreiz genug sein, um endlich ins Tun zu kommen", betonte Knill. Was es aber nicht geben dürfe, seien Budgetbelastungen im Zuge von Wahlkampfversprechen. "Wir erinnern uns an 2008, wo nur wenige Tage vor der Wahl in einer einzelnen Nationalratssitzung Maßnahmen umgesetzt wurden, die uns bis heute rund 40 Mrd. Euro gekostet haben", mahnte Knill.

Für den produzierenden Bereich zeichnete Knill wie schon bei den Kollektivvertragsverhandlungen der Industrie im Herbst des Vorjahres ein eher düsteres Bild. Im vergangenen Jahr habe es eine Rezession gegeben, und zwar keine "milde". Und heuer sei nur mit einer leichten Verbesserung im immer noch negativen Bereich zu rechnen. In den nächsten zwei Jahren würden die Lohnstückkosten um rund 20 Prozent steigen, was die internationale Wettbewerbsfähigkeit schwäche.

Industriellenvereinigung Wien Gebäude Zentrale
IV-Zentrale am Wiener Schwarzenbergplatz - © Industriellenvereinigung

IV: Wirtschaftsstandort Österreich in Gefahr

Der Wirtschaftsstandort Österreich befindet sich an einem entscheidenden Wendepunkt. Wie Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung (IV), erklärte, seien dringend Maßnahmen zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich notwendig. "Wir befinden uns in einer handfesten Rezession", so Knill. Es handle sich nicht um eine "leichte Rezession", sondern um den stärksten Rückgang der Realwirtschaft seit 1951, wenn man die Finanz- und die Corona-Krise ausklammere.

Österreich sei mit einer Exportquote von 60 Prozent ein Exportland, das sich mit Indien, China und anderen Staaten messen lassen müsse, so Knill. Durch die jüngsten Kollektivvertragsabschlüsse, aber auch durch hohe Energiekosten und bürokratische Hürden verliere Österreich als Industriestandort an Attraktivität, so Knill. Im Ranking der Schweizer Wirtschaftshochschule IMD ist Österreich zuletzt auf Platz 24 von 54 Ländern zurückgefallen. Zuvor, so der IV-Präsident, habe Österreich auf Platz 11 gelegen.

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Vor allem das produzierende Gewerbe leidet unter der aktuellen Situation: Die österreichische Wirtschaft ist 2023 um 0,8 Prozent geschrumpft, das produzierende Gewerbe - verantwortlich für ein Viertel der Beschäftigung und der Wertschöpfung - verzeichnete ein Minus von 3 Prozent. Für 2024 sei zu erwarten, dass diese stagniere. Die Lohnabschlüsse Ende 2023 würden die Stückkosten heuer um 11,5 Prozent und 2024 um 7,9 Prozent verteuern. Diese Steigerungen würden dazu führen, dass viele Unternehmen Verluste schreiben werden, so Knill. Die Abwanderung der heimischen Industrie ins Ausland sei bereits im Gange und "Symptom einer schleichenden Entwicklung auf nationaler wie europäischer Ebene über Jahre hinweg".

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Um den Wirtschaftsstandort wieder attraktiver zu machen, schlug der IV-Präsident bereits Ende letzten Jahres eine Reihe von Maßnahmen vor: Dazu zählen etwa die Senkung der Steuer- und Abgabenquote, die Senkung der Lohnnebenkosten, die CO2-Abgabe auszusetzen und die Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. "Wenn wir dekarbonisieren wollen, brauchen wir Strom und Wasserstoff-Leitungen. Aber die Politik ist nicht bereit, diese Verfahren in einem beschleunigten Verfahren zu bewilligen", sagte Knill, "die Politik gibt Ziele vor, die Industrie will sie umsetzen, aber die Politik setzt nicht die erforderlichen Schritte". Dazu gehöre auch eine gezielte Fachkräftestrategie, die Arbeitskräfte und Fachkräfte aus dem Ausland anspricht. Aber auch das Arbeitskräftepotenzial im Inland soll durch Leistungsanreize gehoben werden. Die Rot-Weiß-Rot-Karte sei hier durchaus positiv zu bewerten.

Ändern müsse sich aber auch etwas auf EU-Ebene: Innerhalb von fünf Jahren habe es seitens der EU mehr als 800 Gesetze, Richtlinien und Verordnungen mit insgesamt 5.000 Seiten Bürokratie gegeben, kritisierte der IV-Präsident.