Interview : Kerstin Gelbmann: Warum die Austro Holding besser aus der Krise kommen wird als andere
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Dass jetzt wieder vermehrt die Zeit im Abstimmungskarussell kommt, ist ein Erkenntnisglück, auf das Kerstin Gelbmann, Geschäftsführerin der Austro Holding, gerne verzichten hätte können. Preisverhandlung folgt dieser Tage auf Preisverhandlung - sei es mit Energielieferanten oder jenen von Vormaterialien, die vorstellig werden womit der Abstimmungsaufwand mit den einzelnen Beteiligungen, insbesondere jenen in kritischeren Situationen, stark ansteigt.
Zugleich gilt gerade ein nicht unwesentlicher Anteil der Aufmerksamkeit der Holding den beiden westukrainischen Produktionsstätten des Bettwarenherstellers Sanders Kauffmann in Irschawa und Winograd, an dem man über die Austro Holding alle Anteile hält. Als erste Maßnahme hatte man dort als Folge der russischen Aggression die Gehälter erhöht. Im Prinzip führe man nun - nach dem Einzug aller Wehrtüchtigen - "männerlose Betriebe", sagt Gelbmann. Was von den Holdings von Sanierer Erhard Grossnigg nicht behauptet werden kann: Mit Kerstin Gelbmann steht - neben den Co-Chefs Claudia Badstöber und Walter Karger - jene Frau an der Spitze von Grossniggs Firmenreich, die 2002 nach ihrer Tätigkeit als Wirtschaftsprüferin und Steuerberaterin und einem Prüfmandat beim Insolvenzfall Libro das Feld der Unternehmenssanierung für sich entdeckt hatte. Grossnigg habe ihr imponiert, sagt Gelbmann. Einer der leidenschaftlich gern arbeite, der "die selben Werte vertritt wie ich selbst".
Seit den Siebzigern hat Grossnigg über 100 Unternehmen - vom Outdoor-Ausrüster Dachstein über den Spanplattenhersteller Funder bis zum Büromöbelhersteller Bene - saniert oder restrukturiert. Und auch nicht davor zurückgescheut, hunderte Jobs zu streichen. Zu Ankerbrot, 2014 in die Verlustzone gerutscht, sagte Grossnigg damals: "Da müssen wir ordentlich umrühren." Den Ruf der Unbarmherzigkeit, den die Sanierungswelt mitunter umweht, will Gelbmann, die sich "wann immer es geht als unsichtbare Hand, die führt" beschreibt, nicht gelten lassen. Die vernehmbaren Härten der Sanierung, die obligatorischen 18 Monate, die sanierungsbedürftige Unternehmen damals unter Grossnigg für den Turnaround erhielten, seien jetzt, wo man die Eigentümerrolle wahrnehme, von längerfristigem Denken zurückgedrängt.
Als die auf Old economy-Unternehmen fokussierte Austro Holding vor elf Jahren gegründet wurde, "mussten wir opportunistisch investieren", sagt Gelbmann. Man konnte nur kaufen, "was auch verkauft werden sollte und für gut befunden wurde - und diese Unternehmen dann in ihren jeweiligen Branchen weiterentwickeln".
"Grossnigg imponierte mir: Einer der leidenschaftlich gern arbeitet, einer der dieselben Werte vertritt wie ich."Kerstin Gelbmann, Geschäftsführerin Austro Holding sowie grosso Holding
Heute habe man es selbst in der Hand, "wie lange wir noch Eigenkapital zuschießen", sagt Gelbmann. So manches Unternehmen wurde so durch längere Krisen getragen - nicht nur Grossniggs Herzensprojekt, die 2003 erworbene, 300 Jahre alte Porzellanmanufaktur Augarten, die sich nach verlustreichen Jahren wieder macht. Grossniggs Leitsatz, wonach aus einer Beteiligung nur dann ein Erfolg wird, wenn "alle Großzügigkeiten beendet und die Kosten angepasst worden sind", besitzt jedoch weiter Gültigkeit.
2018 zog man beim steirischen Fensterhersteller Gaulhofer die Produktion im Stammwerk Übelbach zusammen, der Kunststofffenster-Produktion in Vorarlberg beschied das ihr Ende. Ein Schritt, der sich betriebswirtschaftlich jedoch bezahlt machte. Zwar wird es sich für die 2018 zur Büromöbelgruppe zusammengeführte BGO, die man sich mit dem früheren Wirtschafts- und Energieminister Martin Bartenstein teilt, bis 2023 nicht ausgehen, das Ziel der Top-3 in Europa zu erlangen. Zuletzt jedoch befand sich die Gruppe um Hali, Bene und Neudoerfler im Aufwärtstrend. Und es gelang, was vielen Gruppen nicht gelingt: eine gemeinsame Eigentümeridentität zu stiften.
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"Aus einer Beteiligung wird nur dann ein Erfolg, wenn alle Großzügigkeiten beendet und die Kosten angepasst worden sind."Erhard Grossnigg in einem Interview 2016
Hilfreich dabei: Kontinuität in den eigenen Reihen. Walter Karger, seit 2018 Ankerbrot-Chef, ist seit 2011 Teil der Geschäftsführung der Austro Holding und arbeitete auch zuvor schon in anderen Funktionen mit Grossnigg zusammen. Auch Manfred Huber, der die Geschäfte bei Hali leitet, ist ein langjähriger Weggefährte: Er war zuvor zwölf Jahre lang Chef von Lohberger Heiz- und Kochgeräte, an dem die Austro Holding 97 Prozent hält. Grossnigg selbst ist heute noch in sieben - jedoch bedingt operativen - Firmen Geschäftsführer und bekleidet ein Aufsichtsratsmandat in der Rail Holding, das er dem Vernehmen nach heuer übergeben wird.
Will er also überhaupt loslassen? Grossnigg selbst meinte dazu einmal, in einem Unternehmen sollte der Rechtsvorgänger nicht das Nachfolgeproblem auslösen. Und 2018 verriet er in einem Interview, er habe keine "nachfolgende" Familie. "Meine Nachfolgerin ist meine langjährige Mitarbeiterin Kerstin Gelbmann".
"Das sehen die Unternehmen dann ja ohnehin"
Warum Kerstin Gelbmann Sanierungsvorhaben nicht über die Öffentlichkeit spielt.
INDUSTRIEMAGAZIN: Frau Gelbmann, "das irrationale Handeln der Politiker" sorge ihn am meisten, sagte Erhard Grossnigg einmal. Eine Aussage, in der man sich wieder einmal bestätigt sehen kann, oder?
Kerstin Gelbmann: Die Situation in der Ukraine ist dafür leider nur das jüngste, sehr traurige Beispiel. Es ist derzeit vieles aus den Fugen. Irrationales Handeln der Politik ist omnipräsent. Das tut weh.
Was halten Sie der Situation an Ratio entgegen?
Gelbmann: Wirtschaftlich trifft uns jeden Tag etwas anderes. Die Dinge überholen sich. Und überholen uns. Das einzig erfreuliche, das ich erkennen kann, ist der Schulterschluss Europas. Dass die Kriegshandlungen doch Einigkeit hervorgebracht haben und Entschlossenheit, die wir vorher nicht hatten. Alles andere ist weit weg von Ratio. Es geht in ein Reaktionsjahr und nicht wie erhofft in ein Aktionsjahr.
Über die Austro-Holding halten Sie 100% am niedersächsischen Bettwarenhersteller Sanders Kauffmann, der auch in der Westukraine zwei Werke betreibt. Wird unter diesen Umständen noch weiter produziert?
Gelbmann: Unsere Werke in Winograd und Irschawa laufen derzeit noch. Wir haben die Gehälter unserer ukrainischen Mitarbeiter deutlich erhöht, deren Lebenshaltungskosten wurden von einem Tag auf den anderen ums zigfache teurer. Allerdings wurden die kampftüchtigen Männer unserer Belegschaft eingezogen. Wir haben jetzt im Prinzip zwei Betriebe ohne Männer.
Zwischenzeitlich hat unser größter Kunde, der Anfang März auch seine sonstigen russischen und ukrainischen Aktivitäten eingestellt hat, unsere Order auf Null gestellt. Kurzfristig haben wir das Thema wieder gelöst, in absehbarer Zeit werden wir dieses Geschäft allerdings verlagern müssen, da es nicht so aussieht, als würden wir schnell in eine geordnete Situation kommen.
Ziehen Sie einen Lieferstopp an russische Kunden in Erwägung?
Gelbmann: Diese Frage ist abhängig vom Gegenüber. Westlich orientierte, langjährige Kundenbeziehungen wollen wir halten. Ich verstehe auch die RBI, die sich die Entscheidung eines Rückzugs vom Markt nicht einfach macht.
Der frühere Wirtschafts- und Energieminister Martin Bartenstein, der sich mit der Austro Holding die Büromöbelgruppe BGO teilt, meinte in einem Interview: Als Unternehmer müsse man aktuell warm angezogen sein. Wo sehen Sie Gewitterwolken in ihrer BGO aufziehen?
Gelbmann: Rutschen wir in eine Rezession, ist der Büromöbelmarkt der erste Markt, der darniederliegt. Aber so weit sind wir nicht. Wir erzielten im Februar einen Auftragseingang von deutlich über 20 Millionen Euro. Das ist in Ordnung. Aber zeichnen sich Rückgangstendenzen ab, ist das ein Bereich, in dem wir Einsparungen vornehmen müssen. 2008/2009 ist die Büromöbelbranche um die Hälfte eingebrochen. Wir werden uns bestmöglich vorbereiten müssen. Bei all dem, was wir in den aktuellen Krisensituationen erleben, sind wir - aus der Restrukturierung kommend - sicher erprobter als andere.
2018 wurde der Zusammenschluss der strauchelnden Büromöbelhersteller Hali, Bene und Neudoerfler von der Wettbewerbsbehörde abgesegnet. Haben Sie sich vom Ziel, die Gruppe bis 2023 zu einem Top-3-Anbieter in Europa entwickeln zu wollen, bereits verabschiedet?
Gelbmann: Bis 2023 wird es sich nicht mehr ausgehen, aber wir haben weder mit einer Pandemie noch mit einem Krieg gerechnet.
Wo in der Gruppe haben Sie derzeit noch Gegenwind?
Gelbmann: Den beiden Standorten und unseren 475 Mitarbeitern in der Ukraine gilt derzeit die Hauptsorge. Die zweiten, die erwartungsgemäß in der Holding aufgeschlagen sind, sind die unter Druck geratenen Unternehmen der Automobilzulieferindustrie. Über die grosso Holding halten wir drei Beteiligungen - gh Auer Guss im deutschen Amberg, den Lebringer Magnesium-Leichtbauproduktehersteller LTC und den Metallumformer Radkersburger Metal Forming. Die horrenden Teuerungen bei Vormaterialien wie Aluminium und Magnesium sind schwer wettzumachen. Prozesse wie der Druckguss sind noch dazu extrem energieintensiv. Schon mit Ende 2021 kündigte uns unser Stromlieferant in Deutschland den Vertrag. Wir mussten uns am Spotmarkt neu eindecken.
Ankerbrot-Chef Walter Karger, der mit Ihnen auch in der Geschäftsführung der Austro Holding tätig ist, stoppte im Vorjahr das Neubauprojekt einer Produktion in Simmering mit dem Argument, eine derartige Investition sei zukunftsgefährdend. Wie teilen Sie sich denn die Arbeit auf - muss Karger das Problem horrend steigender Weizenpreise im Alleingang lösen?
Gelbmann: Wir haben zwar den Neubau in Simmering abgesagt, aber soeben erfolgte der Spatenstich zum 56-Millionen-Euro-Ausbau des Bäckerei-Standorts in Lichtenwörth. So etwas ist natürlich eine Gemeinschaftsentscheidung bzw. ist dies für unsere Gruppe so bedeutend, dass auch der Aufsichtsrat der Austro Holding selbst (nicht nur der von Ankerbrot) eingebunden ist. Die Verhandlungen mit den Kunden und Lieferanten führt natürlich Herr Karger, der Ankerbrot operativ leitet. Aber über jegliche Strategie in Sachen Ankerbrot stimmen wir uns ab und entscheiden wir gemeinsam, so wie umgekehrt er mein Sparring Partner bei den von mir verantworteten Firmen ist. Wenn wir uns abstimmen kommt immer etwas Besseres hervor.
Seit den Siebzigern hat Grossnigg über 100 Unternehmen saniert oder restrukturiert. Was zog Sie 2002 ins Unternehmen?
Gelbmann: Das Platzen der Dotcom-Blase 2001 erlebte ich hautnah als Wirtschaftsprüferin und Steuerberaterin bei der Auditor, damals Teil von Arthur Andersen, mit dem Prüfungsmandat bei Libro mit. Die bei Libro anstehende Unternehmenssanierung fand ich packend, dann habe ich ein Interview von Grossnigg gelesen. Grossnigg imponierte mir: Einer der leidenschaftlich gern arbeitet, einer der dieselben Werte vertritt wie ich selbst. Und damit war es Zeit für eine Veränderung und habe ich mich aktiv bei ihm beworben.
Grossnigg wollte immer selbständig sein, eine Bankerkarriere schien ihm nicht effizient genug. Effizienz braucht es in Ihrer stark diversifizierten Beteiligungsholding, wo sich Probleme in einer Krise vervielfachen. Genau Ihres?
Gelbmann: Einen Einzelbetrieb zu leiten, dessen Strategiepfade zu definieren und ihn beispielsweise digital zu entwickeln, auch das ist spannend. Aber ich empfinde meine Tätigkeit mit den unterschiedlichen Branchen und Themenstellungen als ungemein fordernd und erfüllend.
Zu Ankerbrot, 2014 in die Verlustzone gerutscht, sagte Grossnigg damals: "Da müssen wir ordentlich umrühren." Sie halten sich mit derlei Aussagen öffentlich zurück. Warum?
Gelbmann: Das sehen die Unternehmen dann ja ohnehin, es öffentlich auszurichten verbessert selten die Situation.
18 Monate erhielten sanierungsbedürftige Unternehmen unter Grossnigg, um die Kurve zu kriegen. Wieviel Zeit geben Sie Unternehmen?
Gelbmann: So war es früher, als wir noch nicht in die Eigentümerrolle schlüpften - und das ist lange her. Wir haben es nunmehr selbst in der Hand, wie lange wir noch Eigenkapital zuschießen. Und wir gaben uns oft mehr als 18 Monate, trugen einige Unternehmen durch Krisen hindurch.
2018 sagte Erhard Grossnigg in einem Interview: Ich habe keine nachfolgende Familie, meine Nachfolgerin ist meine langjährige Mitarbeiterin Kerstin Gelbmann. Was hat er gemeint?
Gelbmann: Sowohl die Führungsarbeit in der Gruppe als auch die Gesellschafterseite. Er hat mir ermöglicht, Anteile am Unternehmen zu erwerben, wofür ich sehr dankbar bin. Aber seine Funktion, die er damals per se innehatte, ist mit heutigem Maßstab nicht mehr zu bemessen. Wir sind nun viel größer und breiter aufgestellt. Es kann ihm so gesehen keiner nachfolgen. Es gibt keine Nachfolger in seiner Familie für das Unternehmen, das ist richtig, aber wir sind ein Team aus drei Geschäftsführern.
Das ist ja die grundsätzliche, nicht unspannende Frage: Wie übergibt man eine Beteiligungsholding in die nächste Generation?
Gelbmann: Wo immer dann die Anteile liegen, es wird eine klare Führung geben. Erhard Grossnigg ist ein umsichtiger Mensch, er überlässt nichts dem Zufall.
Was hat es mit dem Spaltungs- und Übernahmsvertrag vom Juni des Vorjahrs auf sich? Wirft der Rückzug Grossniggs in den Holdings damit seinen Schatten voraus?
Gelbmann: Nein. Für die Vorsorge treffen wir Vorarbeiten, das ist eine davon. Aber jene strukturellen Anpassungen, die aussehen, als würden wir auseinandergehen, sind eine Weichenstellung dafür, inhaltlich eine Einheit zu bleiben.
Laut Grossnigg denken und arbeiten die Jungen anders. Wie führen Sie?
Gelbmann: Teamorientierung ist mir sicherlich wichtiger. Und Möglichkeiten zur Weiterentwicklung, wobei wir das gleich sehen. Jeder Mitarbeiter hat bei uns die Chance, größer herauszugehen als er hereingekommen ist. Sonst bin ich gerne - wann immer es möglich ist - die unsichtbare Hand, die führt.
Kolportiert wurde zum Jahreswechsel der Einstieg in den insolventen Kastenfensterspezialisten Schaden. Wurde daraus etwas?
Gelbmann: Diese Übernahme haben wir getätigt, die Insolvenz ist mittlerweile aufgehoben. Ein überschaubares, höchst erfreuliches Investment: Schaden Fensterhandwerk produziert und saniert hochwertige Kastenfenster. Eine Symbiose mit Gaulhofer bildet sich bereits. Das wird eine schöne Vertriebspartnerschaft, die uns als Vollsortimenter positioniert und unseren Holzfokus und die Holzexpertise ergänzt und weiter stärkt.
2010 wurde der Vorarlberger Wäschehersteller Huber in chinesisches Eigentum übertragen. Machen Sie eigentlich einen Unterschied, in welchem Erdteil der neue Käufer sitzt?
Gelbmann: Ein westlich orientierter Eigner, der sich - wie im vorliegenden Fall - in Österreich engagiert und auch aus seinen Produktionsstätten in China Synergien nach Vorarlberg bringt, ist uns willkommen.
Welche neuen Beteiligungen stehen an?
Gelbmann: In unserer Drittelbeteiligung AH & Capital Partners gehen wir stärker in digitale Geschäftsmodelle und streben Beteiligungen an etablierten Softwareherstellern an. Nach der Beteiligung an einem Onlinehändler sind wir in der Übernahmephase eines Schweizer IT-Unternehmens. Die darauffolgende Akquisition in der grosso holding wird wieder ein IT-Unternehmen bzw. ein Anteil daran sein. Daran habe ich lange gearbeitet. Die Russlandkrise bringt aber Sand ins Getriebe. Wir überlegen, wieweit der Mitteleinsatz gerechtfertigt ist.
Es heißt ja, Weltgeschichte kennt keinen Rückwärtsgang. Aber jetzt sieht es nach der Rückkehr in die bipolare Welt des Kalten Kriegs aus. Was heißt das?
Gelbmann: Noch ist es nicht klar, es hängt auch davon ab welche Richtung China einschlägt,Österreich und die OMV sei von einer Gruppe von Leuten gezielt in eine Abhängigkeit von Russland gelenkt worden, kritisiert der frühere OMV-Chef Gerhard Roiss. Ein Sittenbild?
Gelbmann: Es lassen sich damalige Maßnahmen nur zur damaligen Zeit beurteilen, alles andere ist müßig.
Wie kann Europa jetzt Energiesouveränität erlangen?
Gelbmann: Ich hätte mir darunter auch Atomenergie vorgestellt. Die Speicherkapazitäten bei Wind und Solar erfüllen nicht annähernd eine kontinuierliche Quote, um davon auskömmlich leben und wirtschaften zu können. So gesehen haben wir ein Problem. Flüssiggas zu horrenden Preisen und auch nicht „ordentlich“ hergestellt, zu importieren, ist auch nicht die beste Lösung. Und Europa sollte bitte ein Industriestandort bleiben können.
Erhard F. Grossnigg, 75
Der gebürtige Linzer gilt als Top-Investor und harter Unternehmenssanierer. Er absolvierte ein Studium an der Hochschule für Welthandel. Eine internationale Bankerkarriere hängte er bald an den Nagel. 1979 gründete er die E.F. Grossnigg Finanzberatung und Treuhandgesellschaft. Der Schwerpunkt liegt bei der Sanierung und Restrukturierung von in Schieflage geratenen Unternehmen wie dem Spanplattenhersteller Funder oder der Verlagsgruppe Ueberreuter. Das Setzen harter Schnitte statt scheibchenweiser Veränderung ist eines seiner Credos. Er hat unter anderem einen engen Draht zu Bauunternehmer Hans Peter Haselsteiner, mit dem er an der Westbahn beteiligt ist. Grossnigg, ein Uhrensammler, ist Vater einer Tochter und hat einen Enkelsohn.
Kerstin Gelbmann, 47,
Die gebürtige Burgenländerin ist seit 2007 Geschäftsführerin der grosso holding sowie der Austro Holding seit deren Gründung in 2010. Nach Abschluss ihres Betriebswirtschaftsstudiums sowie der Steuerberaterprüfung arbeitete sie bei der Auditor Wirtschaftsprüfung im Österreich-Geschäft von Arthur Andersen - zuletzt mit einem Prüfmandat bei der insolventen Einzelhandelskette Libro. 2002 wechselte sie zu Grossnigg und arbeitete dort unter anderem in der Projektleitung Beteiligungskauf- und verkauf, der Beteiligungsentwicklung sowie der steuerlichen und organisatorischen Optimierung der Gruppe. Gelbmann ist Mitgesellschafterin der grosso holding (17,7 Prozent), Mitgesellschafterin der E. F. Grossnigg Finanzberatung und Treuhandgesellschaft (29,8 Prozent) sowie 100-Prozent-Eignerin der KaGe Beratungsgesellschaft.
Die Austro Holding
2010 von Erhard F. Grossnigg gegründet, legt die Beteiligungsgruppe den Fokus auf mittelständische, hauptsächlich österreichische Unternehmen der old economy mit hohem Zukunftspotential. Die jährliche Dividende beträgt sechs Prozent. 2020 erwirtschafteten die rund 4.000 Mitarbeiter der Gruppe, an der Grossniggs langjährige Weggefährten Kerstin Gelbmann und Walter Karger über die grosso holding Anteile halten, einen Umsatz von rund 535 Millionen Euro (konsolidiert 355 Millionen Euro).
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