Automatisierungstechnik : Wenn die Roboter kommen: Österreichs beste Automatisierungsprojekte
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Wie der Bleifuß auf dem Gaspedal haben die letzten 2 Jahre etliche Entwicklungen beschleunigt, die sich bereits vorher abgezeichnet haben. Die Automatisierung, Digitalisierung und Vernetzung von Maschinen und ganzen Fertigungen (inkl. Remote-Zugriff) werden verstärkt nachgefragt. Stand-alone hat ausgedient, es werden Systeme zusammengespannt, und zwar querbeet. Produktionsprozesse werden direkt mit Business Intelligence verknüpft und Mitarbeiter auch am Shopfloor mit den Maschinen in Echtzeit kurzgeschlossen und hier eine durchgängige Brücke geschlagen.
Der Wunsch nach Predictive Maintenance als Kosten- und Servicefaktor wird ebenso stark vorangetrieben, wie das Ende der haptischen Formulare und das Ende vieler manueller Tätigkeit. Kaum ein Unternehmen kommt ohne digitalen Zwilling aus. Die große Klammer, die über den Projekten im Detail steht, ist der größtmögliche Level an Automatisierung am Weg zur Autonomie. Warum? Die Kumulation der Ereignisse. Lieferketten, Krieg und Energiekrise spielen eine Rolle. In vielen Unternehmen wurde durch die Automatisierungsvorhaben hier schon im Vorhinein fast mitgedacht. Das unterliegende Problem jedoch, das keinen aktuellen Zusammenhang hat und daher schon lange auf dem Radar ist, ist die Mitarbeiterverknappung.
Kleinere Losgrößen, kürzere Lebenszyklen und der Online-Handel stellen die Hersteller von Konsumgütern vor zahlreiche neue Herausforderungen. Ein verbindendes Kriterium bei vielen aktuellen Themen (z.B. Pandemie, Bauteilknappheit, Losgröße 1) ist die Unsicherheit. Niemand kann heute mit Sicherheit sagen, welche Produkte, in welcher Menge, wann benötigt werden. Die Zeiten, in denen eine Maschine zehn Jahre lang exakt das gleiche Produkt in exakt der gleichen Menge produziert hat, sind vorbei. „Die ganze Welt spricht von Losgröße 1 als größter Herausforderung der Produktion der Zukunft“, sagt Wlady Martino, Verpackungsexperte bei B&R Industrial Automation. „Doch wenn ich mit Maschinenbauern und -betreibern rede, stellt sich heraus, dass sie nicht allein die Losgröße vor neue Herausforderungen stellt. Es ist vielmehr die Kombination aus immer mehr Produktvarianten, die in stark variierenden Losgrößen und sehr kurzfristig produziert werden müssen.“ Moderne Maschinen müssen in der Lage sein, sehr flexibel auf sich ändernde Anforderungen zu reagieren. Intelligente Transportsysteme, Track-Systeme, sind das Rückgrat des neuen Maschinentyps, der adaptiven Maschine. Sie ermöglichen, dass jedes Produkt individuell durch den Produktionsprozess transportiert werden kann.
Autonomie as a Service
Es gibt die Anforderung Energie einzusparen, den Konsum des Rohmaterials zu reduzieren, die Infrastruktur zu schonen. Und man hat die Herausforderung, dass die Anzahl der grauhaarigen Experten in den Fabriken nicht mehr unbegrenzt verfügbar ist. Denn die junge gut ausgebildete Generation will nicht mehr im drei Schichtbetrieb 24/7 in der Fabrik sein, sagt Hermann Obermair, Senior Vice President Andritz Automation (AA). All das spielt dem Ansatz Autonomous Plant in die Hände. Der Automatisierungsgrad der Kunden wird mittels eines mehrjährigen fünf Stufenmodells gesteigert und die Steigerung des Autonomie-Levels als Service dazugekauft. Dieser Faktor ist mittlerweile in fast jeder Ausschreibung enthalten, sagt Obermair. Ein weiteres Paket, das nirgendwo fehlt, ist Energiemanagement – früher ein Nebengeräusch, bei den heutigen Energiepreisen ein „Must-have“. Skills wie Remote Commissioning, Remote Support bis hin zum Remote Control Center, wurden in den letzten zwei Jahren extrem ausgeweitet.
Als Highlight wurde in der Geschichte der Andritz erstmalig eine komplette Anlage remote in Betrieb genommen. Das Wegfallen der physischen Präsenz eröffnet auch ein neues Geschäftsfeld und einen Kostenvorteil, der an Endkunden weitergegeben wird. Denn es gibt plötzlich stundenweise Zugriff auf Experten, die sonst örtlich und zeitlich gebunden wären. Man arbeitet vermehrt an der Verquickung von Prozess-Automatisierung und Automatisierung von Maschinen oder Anlagen mit Business Intelligence. Cloud Architekturen haben diese Entwicklung vorangetrieben. Das bedeutet, wir können einen Automatisierungsgrad von bis zu 80 % erreichen, sagt Obermair.
Roboter am Vormarsch
Der Nachfolger der mittlerweile mehr als 100 Jahre alte Fließfertigung heißt bei Siemens Cyberphysische Produktionssystems (CPPS). Sie bestehen aus nicht-hierarchischen, vernetzten Fertigungskomponenten. Das Produkt fährt auf einem Umlaufband. Einzelne Fertigungsmodule bzw. Stationen sind darum herum angeordnet und stellen die notwendigen Prozessschritte bereit. Das Produkt sucht sich anhand seines eigenen digitalen Bauplans eine freie Station, die den nächsten Fertigungsschritt anbieten kann. Das System besteht aus gleichberechtigten Fertigungsstationen ohne Leitrechner. Die Stationen sind alle, vernetzt und kommunizieren miteinander. Die Module wissen zwar wer angeschlossen ist, aber es interessiert sie nicht, ob das andere Modul schneller oder langsamer ist, sondern sie macht ihre Arbeit. Daher sind alle Module mit einem Digital Twin of Production verknüpft. Die Simulationen errechnen die Daten, die dem System gefüttert werden, damit der maximale Output geliefert wird.
Tipp der Redaktion: Vertiefungen zum Thema Künstliche Intelligenz und Robotik lesen Sie in unserem Industriemagazin KONTEXT.
Manuelle Arbeitsschritte, die derzeit noch zu komplex sind, um von einzelnen Maschinen getätigt zu werden – z.B. einen Kabelbaum einzufädeln, werden in Handarbeitsplätzen verrichtet. Verwendet werden klassische sechsachsige Roboter. Cobots hat man ausprobiert, aber sie waren in der Produktivität zu langsam und hatten zu viele Limitationen, so Stefan Petsch, Head of Business Line - Power Products, Siemens AG Österreich. Wir sind jetzt bei der dritten Produktionsanlage und haben in einem Rhythmus von zwei Jahren hochgerüstet, so Petsch, „Der Schlüssel ist, dass wir die Produktentwicklung mit Industrial Engineering zusammengespannt haben“. Der Wiener Standort wird demnächst de facto voll automatisiert sein. Das heißt, das System schlägt selber vor, wie es zu bedienen ist. In diesem Stadium bleiben wenige klassischen Arbeitsplätzen übrig, sagt Petsch. Die Alterspyramide gibt in bisschen Rückenwind, aber die Neuaufnahme von angelernten Mitarbeitern wird es nicht mehr geben. Gleichzeitig wird um qualifizierter IT-Fachkräfte geworben.
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Große Investitionen in Automatisierung
Bei Kostwein steht die Prozessinnovation im Mittelpunkt. In der Zerspanung setzt man aktuell neben der flexiblen Fertigung verstärkt auf Automatisierung trotz geringer Losgrößen. Im Dreh-/Fräsbereich wurde ein Bestückungsroboter in einem dreimonatigen Pilotprojekt mittels Trial-and-Error erfolgreich umgesetzt. Um die zukünftigen Fachkräfte auf die Herausforderungen der Automatisierung vorzubereiten, wurde auch in der Lehrwerkstätte für eine bereits bestehende Maschine in eine Palettenautomation mit Leitrechner investiert. „Das funktioniert perfekt, am liebsten würde ich gleich die nächste Maschine kaufen“, sagt Stefan Kostwein, Geschäftsführer, Kostwein Maschinenbau, „Wir haben es aufgrund dieser Automatisierungszelle geschafft, die produktiven Stunden in einem dreiviertel Jahr um über 20 % zu steigern“.
Die Zukunft ist durchwegs automatisiert, da ist man sich sicher. Letztes Jahr wurden knapp 10 Millionen € in die Erneuerung des Maschinenparks investiert. Unter anderem in eine Automatisierungszelle mit drei DMG Mori Maschinen NHX 6300. Diese sind über ein Paletten-System miteinander verbunden. Das System hat Platz für 102 Paletten und ist zusätzlich noch über ein Werkzeug-Magazin verkettet, in dem sich zu den 120 Werkzeugen pro Maschine noch einmal zusätzlich knapp 1.000 Werkzeuge im Speicher befinden. Die Fastems-Anlage befindet sich gerade im Hochlauf. Neue Herausforderungen sind nicht nur die Maschine selbst und die Automatisierung, sondern auch die Abläufe im Hintergrund, die adaptiert werden müssen. „Für uns ist das ein Sprung in die Zukunft und wir sind sehr stolz darauf“, so Kostwein.
Die Automatisierung erstreckt sich auch über die Steuerung und Planung bzw. quer durch die Prozesskette, angefangen beim Vertrieb bis hin zum ausgelieferten Produkt.
In den letzten vier Jahren hat man zusätzlich stark die Digitalisierung der Prozesse vorangetrieben und versucht, mittels Business Intelligence Software die einzelnen Systeme miteinander zu verbinden. Den Mitarbeitern in ihren jeweiligen Rollen werden die Informationen automatisiert mit Echtzeitdaten zur Verfügung gestellt.
So erwartet man sich, rasch auf verändernde Situationen des Marktes reagieren zu können und dementsprechend gute Entscheidungen zu treffen.
Der Hunger nach Daten ist groß, gleichzeitig muss man aber auch sicherstellen können, dass diese Daten im Unternehmen auch sinnvoll verarbeitet und distribuiert werden können. Man sieht in den letzten Jahren jedenfalls, dass die Nachfrage nach soliden Plattformen zur Verbindung der OT- und IT-Landschaften mit IoT- und Integrationsfunktionen stark gestiegen ist. Einen großen Sprung hat hier die Nachfrage nach Fernwartung gemacht. Sie wurde durch die Pandemie plötzlich essenziell, hat aber auch gezeigt, dass man dadurch Instandhaltungskosten durchschnittlich um 30 % senken konnte und Stillstände um 50 % verringern. Das sind wirtschaftliche Faktoren, die nicht mehr wegzudenken sind. Die automatisierte Überwachung von Fertigungsprozessen und Maschinen in Echtzeit hilft, die Ursachen für Produktionsengpässe zu analysieren. Mithilfe eines „digitalen Zwillings“, ist es möglich, die Kenndaten der Maschinen zu betrachten und Anomalien ausgeben zu lassen. „Hier sehen wir den Trend in Richtung des Self Services Analytics, aber sehr produktionsnahe“, sagt Dipl.-Ing. Gerald Friedberger, MBA, Geschäftsführer Software AG. Ganz klar ist: Agilität ist der Erfolgsschlüssel. Ausprobieren heißt das Zauberwort, in den vorgegebenen Rahmenbedingungen natürlich. Egal, ob in der Logistik, beim automatisierten Asset Tracking, bei der Optimierung und Automatisierung von Fertigungsprozessen oder bei Prognosemodellen von Services.
Automatisierung rund um die Mitarbeiter Robotik, Fertigungsstraßen und deren Automatisierung sind schon ein länger ein Fokusthema der Mondi Group. „Die Pandemie hat nun die Transformation am Shopfloor beschleunigt“, beschreibt Rainer Steffl, CIO der Mondi Group, die neuesten Entwicklungen. Im Mondi Shopfloor Intelligence Project, werden neue Methoden der Arbeitswelt auch zum Mann an der Maschine gebracht. Hier konnte man einige Arbeitsschritte, mit der Nutzung von Tablets effizienter gestalten. Durch die Sensorik werden dem Mitarbeiter alle Parameter, die für z.B. eine Pumpe notwendig sind (inkl. nächstes Service), in Echtzeit angezeigt. Eine Papierfabrik hat circa 40.000 Sensoren, diese wurden mit Elementen aus dem Consumer Bereich wie Collaboration Teams am Shop Floor und Chat Protokolle für Schichtübergaben erweitert, vereinfacht und großflächig ausgerollt. In einem weiteren Projekt wird daran gearbeitet, einen Risikoaspekt zu eliminieren. Man hat in Österreich ein Pilotprojekt zur automatisierten Inventur mittels Drohnen gestartet. Die Inventur in einem Hochregallager, das in bis zu 10 Meter Höhe mit Paletten bestückt ist, birgt diverse Sicherheitsrisiken für Mitarbeiter. Im Pilot fliegt nun die Drohne durch die Regale, scannt die Inhalte und verbucht sie im Hintergrund im SAP. Der Mitarbeiter ist nur für den Drohnenflug verantwortlich. In der ersten Stufe wird noch manuell geflogen. "Wir bauen und testen gerade und sind zuversichtlich, dass die Drohnen bald auch autonom fliegen können“, sagt Rainer Steffl.
Prozessoptimierung mit Zukunftsblick
Predictive Maintenance Spezielle Bedingungen gibt es bei Schmelztechnik-Lösungen für die Verarbeitung von Magnesium, Zink und Nichteisenmetallen. Bei Temperaturen von bis zu 1.000 Grad in den Magnesium-Schmelzöfen von RAUCH Furnace Technology ist ein digitaler Zwilling, mit digitalen Sensoren, die sinnvollste Lösung. Im Herzstück jeder Anlage, dem Schmelztiegel, wird Ausfällen vorgebeugt und die Service-Arbeiten im Vorhinein basierend auf dem System geplant. "Unser Ofen ist ja nur ein Rädchen in einer Gießerei, da gibt es andere Bauteile und Anlagen, die mitunter noch größer sind und auch Service, Wartung und Reinigung benötigen", sagt Florian Sipek Head of R&D Department, RAUCH Furnace Technology GmbH.
Ziel ist, den Prozess für den Kunden so weit zu optimieren, dass er die Wartung vorausplanen kann und in Echtzeit den Überblick über die Restlebensdauer von Ersatz- und Verschleißteilen und den Zustand seinerAnlage hat. Im laufenden Großprojekt treibt man, den Realismus in der Anlagendimensionierung noch weiter voran. Von der bisher stationären Simulation ist der nächste Schritt transientes Rechnen, um verschiedene Prozesse, Zustände und Betriebsarten noch realistischer abzubilden. Die Server und Daten sollten in Österreich bleiben, daher war die Curiosity Cloud der Software AG, der kongeniale Partner. Derzeit werden Daten der realen Anlage als Randbedingungen für eine Simulation verwendet und ein Reduced Order Modell erstellt. Die Daten werden dann in Echtzeit aus der Cloud in das Modell übergeben. So entsteht eine Multi-Physik Lösung. Eine mechanische Belastung, basierend auf fluid-dynamischen Berechnungen, die Echtzeit Randbedingungen miteinbezieht. Auf diese komplexe Art wird die Lebensdauer des Schmelztiegels berechnet. „Das Ziel ist, mit den Daten etwas Sinnvolles zu machen, um hier noch mehr Benefit in ökonomischer und ökologischer Hinsicht herauszuschlagen“, so Sipek.