IoT in der Industrie : Machine Learning: Wie Maschinen immer schlauer werden
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Eigentlich ist es ganz einfach: Die fertige Speise kann immer nur so gut sein wie die Zutaten. Bloß formulieren Informatiker diesen Sachverhalt etwas anders als Köche und natürlich auf Englisch: "Garbage in, garbage out", sagen sie dann. Oder eine Spur derber: "Shit in, shit out".
Auch Andreas Dengel, geschäftsführender Direktor des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Kaiserslautern antwortet auf die Frage nach den Rahmenbedingungen, unter denen AI-Systeme zuverlässig funktionieren: „Jede KI arbeitet nur so gut, wie es die Daten, mit denen sie trainiert wurde, erlauben.“
Dengel ist eine der wichtigsten Personen in der deutschen und der internationalen AI-Forschung. Erst kürzlich hat ihn die die Osaka Prefecture University zum Distinguished Honorary Professor erhoben, eine Auszeichnung, die in den letzten 135 Jahren gerade einmal fünf Personen zuteil wurde.
Ein weiterer Exkurs zum Thema: Vordenker der AI: Was Machine Learning in der Industrie kann
Auf dem Weg zu Smart Data
Dengel belässt es daher auch nicht bei dem simplen Garbage-in-Garbage-out-Vergleich, sondern ergänzt, dass es völlig saubere Daten niemals geben könne: „Völlig wertfreie Daten existieren nicht, weil in die Auswahl der Beispieldaten stets auch die Expertise und Subjektivität der Menschen einfließt, die sie auswählen.“
Was allerdings auch durchaus Sinn macht. „Ohne Fachspezialisten, die zuerst einmal definieren, was sie mit Hilfe von KI erreichen wollen, ist jegliches Datensammeln sinnlos. KI funktioniert nicht so, dass man eine Unmenge an Daten in einem Computer einspeist und wartet, was für Schlüsse er daraus zieht“, erklärt Saurabh Cahuchan, System Analyst bei Microtronics, einem niederösterreichischen Anbieter von IoT-Lösungen.
Vielmehr gehe es darum, zu wissen, wie man für konkrete Aufgaben am besten die richtigen Daten sammelt und wie man sie dann auswertet. Allein bei Microtronics reicht die Bandbreite der IoT-Anwendungen, an deren Entwicklung man mitbeteiligt war, von Hochwasserfrühwarnsystemen über Paketversandoptimierung bis zum Monitoring von Bienenvölkern. Stets geht es aber darum, aus Big Data Smart Data zu machen.
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AI in der Schule: Supervised Learning, Äpfel und Birnen
Vom Ziel hängen auch die Lernmethoden ab, mit denen Künstliche Intelligenz trainiert wird. Sind die Kategorien bekannt, in die die KI die Wirklichkeit einteilen soll, wenn es also etwa darum geht, Lieferscheine, Rechnungen und Mahnungen voneinander zu unterscheiden, kommt Supervised Learning (überwachtes Lernen) zum Einsatz. Dabei lernt die Maschine anhand eines Beispiel-Samples die jeweiligen Kategorien voneinander zu unterscheiden.
„Im Vorfeld braucht es aber immer einen Menschen, der das Lernmaterial kategorisiert. Um es an einem ganz einfachen Beispiel zu zeigen: Wenn eine Bilderkennungssoftware lernen soll, Äpfel von Bananen zu unterscheiden, muss jemand das Sample, das als Lerngrundlage dient, darauf geprüft haben, ob darin alle als Äpfel ausgewiesenen Objekte auch tatsächlich Äpfel sind und alle als Birnen ausgewiesen tatsächlich Birnen“, sagt Saurabh Cahuchan. „Sonst funktioniert diese Form des Machine Learning nicht.“
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Artificial Intelligence in der Fabrik: besser als der Mensch
Erst einmal trainiert, ist AI auch bei der Lösung von sehr komplexen Kategorisierungsaufgaben unschlagbar, wie Andreas Dengel am Beispiel eines Automobilteile-Zulieferers erläutert, der die visuelle Prüfung der fertigen Werkstücke durch Menschen auf AI umstellte.
Die große Überraschung kam, als das fertig trainierte System erstmals in der Fabrik eingesetzt wurde. „Da hat sich herausgestellt, dass die wirkliche Ausschussquote viel höher war als die sieben Prozent, die der menschliche Prüfer erkannte – es waren dreißig Prozent.“ Anders gesprochen: Von den fehlerhaften Stücken erkannten menschliche Prüfer gerade einmal jedes vierte, die Artifical Intelligence filterte hingegen alle heraus. Die weit verbreitete Erwartung, dass KI einen massiven Beitrag zur Qualitätssicherung beitragen kann, ist daher durchaus berechtigt.
Auch beim Erkennen von Mustern ist Künstliche Intelligenz inzwischen sehr gut. Im Gegensatz zu Kategorisierungsaufgaben, bei denen die Kategorien vordefiniert sind, bleiben die Muster, die in unstrukturierten Daten erkannt werden sollen, zunächst einmal unbekannt. Hier muss die KI daher im Modus des sogenannten Unsupervised Learning agieren und etwaige Auffälligkeit finden, wie Saurabh Cahuchan erklärt: „Den fachkundigen menschlichen Experten braucht es aber auch hier. Eine KI kann zum Beispiel erkennen, dass es bei der Häufung bestimmter Ereignisse in einer bestimmten Branche zu Absatzeinbrüchen kommt, die Schlüsse daraus muss aber der Mensch ziehen.“
Neue Produkte mit KI: Sensoren für alle
Werden umfangreichere Daten analysiert, lassen sich darauf basierend auch ganz neue Produkte entwickeln, etwa indem man aus Daten von Sensoren abliest, wann Maschinen eines bestimmten Typus besonders fehleranfällig sind und dann eine Folgegeneration von Maschinen designt, die in solchen Konstellationen eine bessere Performance bieten.
Sensoren in der Logistik – keiner gleicht dem anderen
Aus der Consumer-Welt sind inzwischen sehr viele solcher Anwendungen bekannt. So bauen zum Beispiel Laufschuhhersteller Sensoren in ihre Schuhe ein und schaffen damit eine IoT-Anwendung, die gleich mehrere Vorteile hat. Der Sensor zeichnet auf, wie schnell ein bestimmter Läufer läuft, auf welchen Untergründen und wie oft – das ermöglicht individualisierte Angebote für einzelne User zu erstellen. Aus der Menge der Daten aller Nutzer lassen sich zugleich aber auch Hinweise ableiten, um die Produktpalette als Ganzes noch näher an die Kundenbedürfnisse heranzuführen.
Neben dem überwachten und unüberwachten Lernen macht in letzter Zeit auch eine dritte Form von Machine Learning große Fortschritte, das sogenannte Reinforcement Learning bzw. das bestärkende Lernen. Dabei bekommt eine Maschine stets dann eine positive Rückmeldung, wenn sie eine Aufgabe richtig ausgeführt hat, eine negative, wenn sie es nicht getan hat. Das erlaubt, KI mit einem relativen kleinen Set an Eingangsdaten zu trainieren.
Wo KI an Ihre Grenzen kommt
Als eines der spektakulärsten Beispiele für diese Form der KI-Entwicklung gilt der Go-Computer AlphaGo Zero, der ursprünglich nur die Go-Spielregeln kannte und dann anhand der Rückmeldungen, ob er eine Partie gewonnen hat oder nicht, zu lernen begann. Schon nach drei Tagen war AlphaGo Zero besser als sein Vorgängercomputer AlphaGo, der es allerdings auch schaffte, den Go-Weltranglistenersten Ke Jie zu schlagen. „Mit Reinforcement Learning kann KI lernen, Strategien zu entwickeln“, erklärt Andreas Dengel die Bedeutung solcher Experimente für die Zukunft der KI.
Komplexe Wirklichkeiten kategorisieren, Muster erkennen, Strategien entwickeln – diese Fähigkeiten machen KI heute in unzähligen, auch sehr bodenständigen Zusammenhängen einsetzbar, etwa wenn es um die automatische Unterscheidung von korrekt und nicht korrekt gearbeiteten Stücken geht. Oder um vorausschauende Wartung, die auf Mustern basiert, die dann zu beobachten sind, wenn sich ein Ersatzteil dem Ende seines Lebenszyklus nähert. Oder immer öfter auch bei strategischen Überlegungen.
Aber der noch größere Wurf? Eine KI, die nicht nur einzelne, klare definierte Aufgaben besser als der Mensch bewältigen kann, sondern ihm auch auf anderen Feldern ebenbürtig ist, womöglich sogar Empathie und ein Bewusstsein ihrer selbst besitzt?
Starke KI nennen Fachleute solche hypothetischen Systeme im Gegensatz zur sogenannten schwachen KI, wie wir sie heute kennen. Die allermeisten Experten betonen, dass eine solche starke KI wohl auf Dauer eine Fiktion aus der SF-Literatur bleiben wird. Auch Andreas Dengel schließt sich dieser Sichtweise an: „KI kann weder Emotionen noch ein Bewusstsein entwickeln“, sagt er, ergänzt dann aber doch: „Was sie allerdings – entsprechend trainiert – kann, ist Emotionen und Bewusstsein simulieren.“
Dieser Artikel wurde erstmals Dezember 2020 veröffentlicht. Aufgrund seines interessanten und immer noch aktuellen Inhalts haben wir ihn gerne für Sie aus dem Archiv geholt.