Verteidigungspolitik und wirtschaftliche Neutralität Österreichs : Wirtschaftsfaktor: Neutralität

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Das kosteneffiziente Mehrzweck- und Überschall-Kampfflugzeug Gripen E von Saab, ausgerüstet mit modernster Technologie, Waffensystemen und Sensoren.

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Der Krieg in der Ukraine hat nicht nur eine Neutralitätsdebatte in Österreich entfacht, sondern auch das Bewusstsein für eine Aufrüstung des Bundesheeres gestärkt. Bis 2026 soll das Bundesheer 16 Milliarden Euro erhalten, um Modernisierungen und wichtige Anschaffungen tätigen zu können. Ab 2027 soll das Verteidigungsbudget auf 1,5 Prozent des BIP steigen. Wichtige Rüstungsprojekte sind dabei etwa die Modernisierung der Luftstreitkräfte. Nachrüstungen des Eurofighters, Neuanschaffungen von Transportmaschinen und Trainingsjets sowie der Ankauf neuer Hubschrauber stehen im Fokus. Aber auch die Landstreitkräfte sollen zahlreiche neue Systeme erhalten und die Kapazitäten der Luft- und Cyberabwehr sollen ausgebaut werden.

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Strategische Wertschöpfungsketten sichern

Schon länger gibt es in Fachkreisen die Forderung, militärische Wertschöpfungsketten in Österreich zu stärken, um bei Know-how und Produktion strategisch wichtiger Rüstungsgüter weniger vom Ausland abhängig zu sein. Was es dafür brauche, sei eine strategische Absicherung wichtiger Produktionszweige und ein Investitionsschutz systemrelevanter Betriebe, die es bislang aber in Österreich nicht in ausreichender Form gibt. Bekannt ist vor allem die Steyr-Arms GmbH im oberösterreichischen Kleinraming, die das bekannte Sturmgewehr StG 77 für das Bundesheer herstellt. Die Steyr-Daimler-Puch Spezialfahrzeuge GmbH mit Sitz in Wien stellt zudem Panzerfahrzeuge, wie den Radpanzer Pandur bzw. den Pandur II sowie den Schützenpanzer Ulan her.

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Die Produktion und Entwicklung erfolgen überwiegend in Österreich. Seit 2003 gehört das Unternehmen allerdings zu europäischen Tochterfirma des US-Rüstungskonzerns General Dynamics. Darüber hinaus sind mehrere Unternehmen etwa im Automotive- und im Luftfahrtbereich als Zulieferer bei der Produktion von Rüstungsgütern beteiligt. Ausländische Beteiligungen an österreichischen Rüstungsfirmen und Zulieferern sind in der Regel nicht problematisch, sondern eher ein Innovationsvorteil, doch es gibt auch Fälle, wo sie eine Zusammenarbeit mit dem Bundesheer als auch mit anderen europäischen Partnern ausschließen. So gäbe es etwa Betriebe in Österreich, die großes Know-how im Luftfahrtbereich hätten und sogar eine eigene Jet-Produktion hierzulande möglich machen könnten, die aber wegen chinesischer Investoren als zu heikel gelten.

Schweden als neutrale Supermacht

Ein Vergleich mit anderen neutralen Ländern in Europa zeigt, dass Österreich viel Potenzial und Innovationskraft mit seiner Verteidigungswirtschaft noch auf der Strecke lässt. In Schweden, das gemessen an der Einwohnerzahl und am BIP sehr vergleichbar zu Österreich ist, hat man sich eine enorm schlagkräftige und innovative Rüstungsindustrie aufgebaut. Kein anderes Land dieser Größe ist in der Lage eigene Panzerfahrzeuge, Kampfjets und Kriegsschiffe zu entwickeln und herzustellen. Das ist möglich, weil eine hohe Wertschöpfungstiefe im eigenen Land aufgebaut wurde, die positive Innovationseffekte auf die zivile Wirtschaft ausübt. Die Politik hat strategisch vorausgedacht.

Die schwedische Verteidigungsindustrie ist und war ein wichtiger Teil der schwedischen Verteidigungs- und Sicherheitspolitik und die schwedische Regierung hat die die Fähigkeit, Kampfflugzeuge zu bauen, die Fähigkeit, unter Wasser zu kämpfen und die Fähigkeit Command and Control (C2), Sensoren, elektronische Kriegsführung und Kryptographie zu entwickeln und zu integrieren, als sehr wichtiges Sicherheitsinteresse definiert. Die Bereitschaft in diese Bereiche zu investieren hat auch die Forschungs- und Entwicklungsarbeit in den Unternehmen angefacht. Die schwedische Regierung unterstützt durch so genannte Government-to-Government Geschäfte (G2G) auch aktiv den Export.

Die Entwicklung ist historisch bedingt. Schweden hatte vor und während dem 2. Weltkrieg eine große Notwendigkeit in Verteidigung zu investieren, doch es war weitgehend von ausländischen Rüstungsgütern abgeschnitten. Als neutraler Staat erkannte Schweden, dass es selbst in Waffenproduktion investieren und dabei weitgehend autark sein müsse, wenn es seine Neutralität ernst nimmt. Große Rüstungskonzerne wie Saab, Kockums (U-Boote und Kriegsschiffe), Hägglunds (Kampffahrzeuge), Bofors (Abwehrwaffen) oder NAMMO (Munition) sind dadurch entstanden. Für Schwedens Volkswirtschaft hat sich diese Eigenständigkeit ausgezahlt. Studien haben ergeben, dass allein beim Kampfflugzeug Gripen für jede investierte schwedische Krone, das 1,5-fache als Return of Investment zurückfloss. Seit dem Ausbruch des Ukraine Krieges überdenkt Schweden seine Neutralität, investiert aber weiter in seine eigenen Verteidigungsfähigkeiten, etwa in den Ausbau der Cyber-Defence.

Port of Gothenburg 2020
Das Multi-Mission Giraffe 1X Radarsystem bietet maximale operationelle Flexibilität mit Drohnen-Tracker-Funktion. - © Saab

Schweiz und Irland als neutrale Partner für Österreich?

In der Schweiz ist die Neutralität ähnlich wie in Österreich sehr stark in der Bevölkerung verankert. Die Schweizer Armee ist aber um ein Vielfaches besser ausgestattet, als das österreichische Bundesheer und leistet sich beispielsweise 30 Kampfflugzeuge des Typs F/A-18 Hornet. Auch ist die Wirtschaft sehr stark mit dem Militär verschränkt, wie Armando Geller, Inhaber der Firma Scensei, zu berichten weiß. Sein Unternehmen erstellt u.a. Simulationen für die Schweizer Armee. „Durch unser Milizsystem sind auch viele Manager und Unternehmer in der Armee engagiert. Diese kennen daher oft aus erster Hand Bedarf und Probleme bei Ausrüstung und Gerät. Das führt dazu, dass die Armee aktiv auf die Wirtschaft zugeht, um Lösungen zu erarbeiten“, so Geller. Sicherheitsrelevante Industrien werden daher sehr gepflegt, was sich in Beschaffungsaufträgen niederschlägt.

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Die Verteidigungsfähigkeit der Schweiz wird sehr ernst genommen. Ähnlich wie in Österreich, ist man aber stark auf ausländische Partner in der Rüstungswirtschaft angewiesen. „Verteidigung mittels Kooperation wird in Zukunft immer wichtiger, auch für die Schweiz. Eine stärkere militärische Zusammenarbeit neutraler Länder, etwa mit Österreich, ist sicher für alle vorteilhaft“, ist Geller überzeugt. Als wichtiges militärisches Know-how nennt er etwa die Fähigkeit weitreichende Präzisionsmunition in großer Zahl im eignen Land herzstellen zu können.

Irland ist das vierte große neutrale Land in Europa und verfolgt wiederum einen ganz anderen Neutralitätsansatz. Der Inselstaat leistet sich die kleinste Armee (abgesehen von Luxemburg) in der EU, die aber hochspezialisiert ist. Die Verteidigungswirtschaft ist aus geografischen und historischen Gründen stark mit Großbritannien verknüpft, wenn gleich man sich in militärischen Interessen versucht, stark abzugrenzen. Auch Irland sucht Partner für seine Verteidigungswirtschaft und will mehr Rüstungsgüter im eigenen Land produzieren. Neutrale Länder sind zukünftig besonders gefordert, sich über strategische Wertschöpfungsketten im eignen Land Gedanken zu machen und die richtigen Partner zu finden, auch wenn internationale Kooperationen in der Verteidigungspolitik für die Neutralen an Bedeutung gewinnen.