Geschäftsbeziehungen : Wienerberger verlässt Russland

Wienerberger zieht sich aus dem Russland-Geschäft zurück.

Wienerberger zieht sich aus dem Russland-Geschäft zurück.

- © Uwe Strasser

In Anbetracht des weiterhin anhaltenden Krieges in der Ukraine zieht sich der Baustoffehersteller Wienerberger aus Russland zurück. Mittels eines Management-Buy-Outs soll das Geschäft von der lokalen Geschäftsführung übernommen und selbstständig weitergeführt werden, so Wienerberger am Mittwoch. Über den Kaufpreis wurde zwischen den Partnern Stillschweigen vereinbart.

Ziel der letzten Wochen sei es gewesen, eine zufriedenstellende Lösung zu finden sowie die Arbeitsplätze zu sichern. Mit dem Management-Buy-Out wurde nun "eine optimale Lösung gefunden, die Kontinuität für alle gewährleistet", sagte Wienerberger-Chef Heimo Scheuch laut Aussendung.

Die Firma Wienerberger mit Sitz am gleichnamigen Wienerberg ist seit 2005 in Russland tätig. Das Geschäft mit Hintermauerziegeln habe mit rund 40 Mio. Euro weniger als ein Prozent zum Konzernumsatz beigetragen.

Lesen Sie hier: Welche österreichischen Unternehmen Russland verlassen.

Wienerberger übernimmt Fertigteil-Werk

In Österreich erweitert die Wienerberger GmbH ihr Geschäftsfeld durch die Übernahme der Fertigteil-Ziegelwand-Sparte des niederösterreichischen Bauunternehmens Walzer. Für die Produktion und den Vertrieb der Ziegel-Fertigwände wird zukünftig die neugegründete Wienerberger Bausysteme GmbH zuständig sein. Wienerberger geht damit den nächsten Schritt hin zum Anbieter von Systemlösungen und baut die Führungsrolle in den Kernsegmenten Neubau und Renovierung weiter aus.

In Kirchberg am Wagram werden Fertigteilwände aus Wienerberg-Ziegeln mit modernster Fertigungstechnologie und vollautomatisiert hergestellt. Wienerberger übernimmt diesen Ziegel-Fertigteilwand-Bereich sowie die komplette Produktion inklusive Maschinen und die zugehörigen Produktionsmitarbeiter am Standort Kirchberg am Wagram.

Mit der Übernahme verfolgt Wienerberger konsequent die nachhaltige Erweiterung seines Angebotsspektrums hin zum Systemanbieter. Mittelfristiges Ziel von Wienerberger ist es, den aktuellen Output von Fertigteil-Wänden für rund umgerechnet 200 Einfamilienhäuser pro Jahr zu verdoppeln.

Vorgefertigte Wandelemente aus Ziegel eignen sich hervorragend für Bauvorhaben in Massivbauweise, die in kurzer Zeit errichtet werden sollen. Sie werden individuell geplant und werksseitig vollautomatisiert vorgefertigt – mit hochwertigen Planziegeln, die miteinander verklebt werden. Die Montage auf der Baustelle erfolgt mit geringem Personalaufwand und hoher Versetzleistung, was eine kürzere Projektdauer und somit auch geringere Projektkosten bedeutet.

Daneben werden entsprechende Auslässe für Fenster und Türen, Aussparungen für Stürze und Überlagen bereits bei der Produktion vorgesehen. Somit ist kein aufwendiges Bearbeiten der Ziegel auf der Baustelle mehr notwendig; dadurch fällt auch kaum Bauschutt an.

Anfallende Entsorgungskosten werden auf ein Minimum reduziert. Durch die trockene Bausubstanz ist ein zügiges Weiterarbeiten auf der Baustelle garantiert. Und das Alles in gewohnter nachhaltiger und gesunder Ziegelbauweise.

Abhängig von russischem Gas?

Wieneberger ist in 28 Ländern tätig, von denen einige sehr stark von russischem Gas abhängig seien, "andere überhaupt nicht". Wienerberger selbst habe Notfallpläne entwickelt und sei mit den Regierungen und lokalen Planstellen in Kontakt. "Derzeit fließt genügend Gas."

Wienerberger habe fast 90 Prozent des heuer benötigten Gases schon gekauft, und zwar deutlich unter den heutigen Preisen. Das das bereits eingekaufte Gas etwa als Folge einer möglichen Ausweitung der EU-Sanktionen gegen Russland ausbleiben könnte, befürchtet Scheuch nicht. "Wir kaufen Gas von internationalen Produzenten, ob das die OMV oder ob das Vattenfall aus Norwegen ist. Das sind keine Trader, das sind wirklich Produzenten. Wo die das Gas her holen, ob das jetzt aus Nordafrika kommt, aus Russland kommt, das wissen wir teilweise gar nicht."

Wienerberger hatten auch im ersten Quartal ausreichend Rohstoffe und Energie zur Verfügung, betonte Scheuch. Für das zweite Quartal gehe er davon aus, "dass wir ausreichend Rohstoffe, vor allem Energie, vorfinden werden". Entgegen den negativen Aussagen des Marktes sei im ersten Quartal mehr Gas in Europa zur Verfügung gestanden als im ersten Quartal des Vorjahres. "Das spekulative Element, das wir sehr stark in diesem Markt in Europa haben, ist leider auf die Negativmeldungen zurückzuführen, die sowohl von Politik als auch von den Medien derzeit kommen. Hier ist nicht zu sehen, dass es zu einer Verknappung kommen wird in den nächsten Monaten."

Tipp der Redaktion: Wienerberger: Starkes Jahr oder Gas-Notfall?

Stark ins Jahr 2022

Ein starkes Jahr 2022 wäre insofern keine Überraschung, da die Gruppe auf das Jahr 2021 als das erfolgreichste Jahr in der Unternehmensgeschichte zurückblickt. Durch die Fokussierung auf innovative, digitale und nachhaltige Systemlösungen konnte Wienerberger trotz herausfordernder Marktbedingungen eine hervorragende Performance und starkes organisches Wachstum in allen Geschäftsbereichen erzielen.

Der Außenumsatz hat sich 2021 in Summe um 18 % auf fast 4,0 Mrd. € (2020: 3,4 Mrd. €) erhöht und das EBITDA im selben Zeitraum dank eines proaktiven Margenmanagements und einer strikten Kostendisziplin um herausragende 24 % auf 694 Mio. € (Vorjahr: 558 Mio. €) gesteigert.

Das vergangene Jahr war durchaus von großen Herausforderungen geprägt: Sowohl die instabile geopolitische Lage, die makroökonomischen Bedingungen als auch die anhaltende COVID-Pandemie sorgten mit Handelsrestriktionen und der hohen globalen Nachfrage nach wichtigen Rohstoffen und im Energiebereich für Lieferengpässe bzw. signifikante Preisanstiege von bis zu 50 %. Durch ein effektives Supply Chain Management hat Wienerberger es jedoch geschafft, dauerhaft lieferfähig zu bleiben und die inflationsbedingte Kostensteigerung zu managen. Gleichzeitig ist es Wienerberger damit gelungen, seine Position als verlässlicher Partner am Markt und für die Kunden auch in einem schwierigen Umfeld zu stärken und ein starkes organisches Wachstum zu generieren.