Papierindustrie : Martin Zahlbruckner, Austropapier: "Wir bitten um Staatsgelder"

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Martin Zahlbruckner, CEO der Delfort Gruppe und Präsident des Branchenverbandes Austropapier, im Gespräch

- © Delfort Gruppe

Die energieintensive österreichische Papierindustrie schlägt Alarm: Produzierende Unternehmen benötigen eine Verlängerung der Strompreiskompensation noch in diesem Jahr, um die Benachteiligung der heimischen Standorte nicht noch größer werden zu lassen. Vor allem im Vergleich mit Deutschland - dem wichtigsten Absatzmarkt der heimischen Industrie - soll die Wettbewerbsverzerrung völlig neue Dimensionen erreicht haben.

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Viele europäische Staaten schützen ihre energieintensive Industrie vor den extrem hohen Strompreisen mit Ausgleichszahlungen. Das ist nach EU-Recht ausdrücklich erlaubt: Der Rahmen für nationale Regelungen für den Ausgleich von indirekten CO2-Kosten ist seit 2013 im EU-Recht verankert. Die Einzelstaatlichen Regeln bedürfen jedoch einer Prüfung und Genehmigung durch die Europäische Union. Die deutschen Nachbarn haben eine solche Strompreiskompensation bereits 2013 eingeführt – erst im Vorjahr ist sie aufgrund der Preisexplosion wirklich bedeutsam geworden.

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Ganz anders die Situation in Österreich: Erst im Juni dieses Jahres wurde eine Strompreiskompensation für die Industrie auch in Österreich - rückwirkend für das Jahr 2022 – beschlossen. Während die österreichische Lösung heuer ausläuft hat Deutschland hat seine Regelungen bereits 2013 bis ins Jahr 2030 von der EU genehmigen lassen. Insgesamt könnten sich die deutschen Beihilfen heuer auf rund 28 Milliarden Euro belaufen, so eine Schätzung Industriellenvereinigung. Damit dürften die Energiekosten für produzierende Unternehmen in Deutschland deutlich niedriger ausfallen als jene mit Produktionsstandort in Österreich.

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- © Industriemagazin

Martin Zahlbruckner: "Wir bitten um Staatsgelder"

Rudolf Loidl: Herr Zahlbruckner, die Nachbarn in Deutschland haben die Strompreis-Kompensation bereits 2013 eingeführt. Was war da der Hintergrund?

Martin Zahlbruckner:
Die deutschen Kollegen haben die Möglichkeiten in Anspruch genommen, die die Europäische Gemeinschaft bietet. Als wir 2012 die CO2-Abgaben eingeführt haben in Europa, hat die Kommission gesagt, liebe Mitgliedsländer, denkt daran, energieintensive Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, werden Unterstützung benötigen. Ihr könnt von jetzt - damals 2012 - bis 2030 eine Rückvergütung geben. Das, was die Industrie selber zahlt - über ETS-Trading-Systeme - könnt ihr einen Teil davon wieder zurückgeben an die Industrie, damit ihr keine Schwächung im internationalen Wettbewerb erreicht.

Das hat Deutschland gemacht, das haben viele andere europäische Mitgliedsstaaten gemacht. In Österreich hatten wir das für letztes Jahr und als Industrie bitten wir Österreich darum, dass wir das für heuer bis 2030 bekommen, weil wir damit Vorteile haben in der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, aber auch Planungssicherheit.

Rudolf Loidl: Die Industriellenvereinigung schätzt, dass Industrieunternehmen derzeit in Deutschland deutlich weniger für Strom zahlen als in Österreich. Wie viel bezahlen Ihre Mitgliedsunternehmen? Mehr als der deutsche Wettbewerb?

Martin Zahlbruckner: Also, wenn wir auf diese IV-Studie Rücksicht nehmen oder diese berücksichtigen, dann gibt es ja ein paar Themen, die uns zu einem deutlichen Unterschied führen. Die Strompreiszonentrennung, die ja nicht nur marktgegeben ist, ist ja auch ein Thema. Wie bringt sich hier Österreich ein? Wie arbeiten wir mit unseren Nachbarländern? Wie schaffen wir Netzwerke aufzubauen auch für nachhaltige Energie, Windstrom, Solarstrom? Wie schaffen wir den Austausch? Die alleine sorgt für einen Kostenunterschied von rund 10 Prozent bei den Stromkosten.

Wir haben dann andere Themen in Deutschland - ein sehr wichtiger Markt für die österreichische Industrie, auch für die österreichische Papier- und Zellstoff-Industrie - zum Beispiel die Einführung einer deutlichen Steuerreduktion mit 1. Jänner 2024: Deutschland reduziert die Steuern auf Strom von 25 € auf 0,50 €. Das ist das Mindestmaß, was die EU noch erlaubt. Warum? Auch hier Unterstützung der heimischen Wirtschaft und das auch wieder ist ein deutlicher Nachteil für Österreich, den wir über Qualität und Innovation alleine so nicht mehr kompensieren können.

Rudolf Loidl: Was ist Ihre Forderung jetzt konkret?

Martin Zahlbruckner: Die Forderung ist eine Bitte und eine Forderung zugleich: Wir bitten die österreichische Bundesregierung heuer noch ganz dringend, das SAG, der Strompreiskosten-Ausgleichsgesetz zu verlängern, und zwar bis 2030. Das ist sehr wichtig, dass das heuer noch geschieht. Denn wenn es heuer verabsäumt wird, dann haben wir nächstes Jahr den Wahlkampf in der EU, dann haben wir eine neue Kommission und dann haben wir ein neues Ratifizierung-System. Derzeit bietet die EU diese Möglichkeiten. Fast alle Mitgliedsstaaten der EU haben dieses Modell in Anspruch genommen. Nur Österreich verzichtet bis jetzt und es ist dringend notwendig, dass wir das heuer noch bekommen.

Rudolf Loidl: Man könnte es böse formulieren: Sie bitten um Staatsgelder.

Martin Zahlbruckner: Wir bitten um Staatsgelder, wir bitten aber um Gelder, die wir selbst einzahlen. Um was wir bitten, ist eine Mittelzuwendung, denn unsere Industrie ist eine nachhaltige Industrie. Wir haben heute mehr als 2/3 Bio-Brennstoffe im Einsatz als energieintensive Industrie. Wir haben eine Recyclingquote von knapp 80 Prozent. Wir setzen nur nachwachsende Rohstoffe ein und machen im Grunde Bio-Engineering, indem wir Fasern von Gräsern, Textilien bis zu Reststoffe aus der Säge-Industrie zu einem homogenen Material, zu Papier, zu Papier-Verpackung, zu Hygiene-Produkten fertigen.

Das heißt, was wir benötigen, ist wirklich ein Deal mit der Regierung, die sagt, das Geld, das ihr einzahlt, davon wird ein bestimmter Teil an euch zurückgegeben. Wir sehen, ihr liefert Einsparungen, liefert Verbesserungen, liefert Innovation. Ich glaube, es ist ein legitimer Anspruch, den wir stellen, den wir auch als deutlichen und dringenden Wunsch, aber auch als unmittelbare Notwendigkeit formulieren.

Rudolf Loidl: Trotz Strompreis-Kompensation zeigen jüngste Untersuchungen in Deutschland, dass der Energieverbrauch der deutschen Industrie stark rückläufig ist, zum Beispiel beim Gas minus 20 Prozent. Nur ein kleiner Teil davon sind Effizienzgewinne, sind Einsparungen. Ein sehr großer Teil, 3/4 der 20 Prozent, sind weniger Produktion. Wie sieht es da in der Papierindustrie in Österreich aus?

Martin Zahlbruckner: Also wir bewegen uns hier im europäischen Schnitt, weil wir in Österreich zu den technologisch besten gehören in Europa, weltweit ohnehin. Wenn wir jetzt am Stand der Technik sind, sind die letzten 5 bis 10 Prozent Optimierung extrem schwierig und extrem teuer. Wir haben hier einen hohen technologischen Stand. Wenn wir uns Europa ansehen, dann merken wir Aufgrund der eingebrochenen Nachfrage gibt es weniger Produktion.

Aufgrund der Kostenverschiebungen verschieben sich wesentliche Industrien - wie Chemieindustrie und andere - in das außereuropäische Ausland. Daher der Effekt, den Sie beschrieben haben: In Deutschland minus 20 Prozent Industrie-Leistung, aber auch 5 Prozent echte Einsparungen. Und wenn wir sagen, wir wollen 5 Prozent in unserem Haushalt, in unserem individuellen Verkehr einsparen, dann ist das eine große Leistung. Um 5 Prozent Einsparung auf zehn Jahre, wären 50 Prozent Einsparung - da können wir eigentlich von Erfolgen sprechen.

Rudolf Loidl: Das heißt, Sie planen, 5 Prozent jedes Jahr einzusparen.

Martin Zahlbruckner:
Wenn es technisch möglich wäre, würde ich es sofort umsetzen. Es tut der Umwelt gut und tut unserer Wettbewerbsfähigkeit gut. Wir lehnen uns sicher nicht zurück. Und wir haben gar keine Alternative. Denn im internationalen Umfeld haben wir wirklich nur das Thema Sparen - aber nicht an unseren Mitarbeitern - sondern über Prozesse, Kosten, Innovation und Qualität. Und dann brauchen wir doch Unterstützung von der österreichischen Bundesregierung, deutlich mehr, als was wir bisher bekommen.