Wasserstoff in der Industrie : EU-Wasserstoffziele für 2030: Zu ehrgeizig und unrealistisch?

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Wasserstoffanlage von BASF

- © BASF SE

Die von der EU-Kommission für das Jahr 2030 gesetzten Ziele zur Produktion und Nutzung von erneuerbarem Wasserstoff werden als "zu ehrgeizig" bewertet: Ein am Mittwoch veröffentlichter Bericht des Europäischen Rechnungshofs (ERH) warnt vor einem möglichen "Verlust von Wettbewerbsfähigkeit in Schlüsselindustrien und neuen strategischen Abhängigkeiten". Die Prüfer fordern, die EU-Ziele einer realistischen Überprüfung zu unterziehen. Auch Österreich muss laut dem Bericht mehr Anstrengungen unternehmen.

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Erneuerbarer Wasserstoff kann einen wichtigen Beitrag zur Erreichung des EU-Klimaziels der CO2-Neutralität bis 2050 leisten und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, insbesondere aus Russland, weiter reduzieren. "Grüner" Wasserstoff kann besonders in Industriebereichen zur CO2-Neutralität beitragen, in denen eine Umstellung auf elektrische Energie schwierig ist, wie beispielsweise in der Stahlproduktion, der petrochemischen Industrie oder der Zement- und Düngemittelherstellung.

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Österreich: Wasserstoff-Projekte im Wert von 10 Mrd. Euro

"Die EU sollte über den strategischen Weg zur CO2-Neutralität entscheiden, ohne die Wettbewerbssituation ihrer Schlüsselindustrien zu beeinträchtigen oder neue strategische Abhängigkeiten zu schaffen," erklärte Stef Blok, das für die Prüfung zuständige Mitglied des Rechnungshofs, in einer Aussendung. Die "ehrgeizigen Ziele für Erzeugung und Import von erneuerbarem Wasserstoff, jeweils 10 Millionen Tonnen bis 2030", basierten nicht auf einer "soliden Analyse, sondern seien von politischem Willen geleitet" worden.

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Laut Bericht sind die meisten EU-Rechtsakte zu schnell vorgelegt worden. Der Aufbau einer EU-Wasserstoffindustrie erfordere massive öffentliche und private Investitionen, doch die Kommission habe keinen vollständigen Überblick über den Bedarf oder die verfügbaren Mittel. Zudem seien die EU-Fördermittel, die von den Prüfern für den Zeitraum 2021-2027 auf 18,8 Milliarden Euro geschätzt werden, auf mehrere Programme verteilt, was die Beantragung für Unternehmen erschwere.

18 Mitgliedstaaten, darunter auch Österreich, verfügen laut ERH-Bericht über Wasserstoffstrategien. Österreichische Unternehmen sind im Rahmen des Corona-Aufbaufonds an zwei "wichtigen Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse" im Bereich Wasserstoff beteiligt, die 41 bzw. 35 Projekte umfassen und Beihilfen von insgesamt über 10 Milliarden Euro erhalten. Auch für Österreich gilt laut Bericht: Erhebliche Anstrengungen sind nötig, um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. Erneuerbarer Wasserstoff könne dabei eine entscheidende Rolle spielen. "Die Umsetzung der Empfehlungen des ERH kann dabei helfen, einen Schritt weiter auf diesem ambitionierten Weg zu kommen," betonte Helga Berger, das österreichische Mitglied des EU-Rechnungshofes.

Die EU sollte über den strategischen Weg zur CO2-Neutralität entscheiden, ohne die Wettbewerbssituation ihrer Schlüsselindustrien zu beeinträchtigen oder neue strategische Abhängigkeiten zu schaffen
Stef Blok, Mitglied des Rechnungshofes

Wasserstoffstrategie überarbeiten

Die Prüfer fordern die Kommission auf, ihre Wasserstoffstrategie zu überarbeiten und dabei drei zentrale Fragen zu berücksichtigen: Wie können präzise Marktanreize für die Produktion und Nutzung von erneuerbarem und CO2-armem Wasserstoff geschaffen werden? Welche Schwerpunkte soll es bei der Vergabe von EU-Mitteln geben? Und welche Industriezweige sollen in der EU erhalten bleiben und zu welchem Preis?

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Die Europäische Kommission hat im Juli 2020 ihre ehrgeizige Wasserstoffstrategie vorgestellt, die eine zentrale Rolle im Kampf gegen den Klimawandel und zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2050 spielen soll. Diese Strategie zielt darauf ab, den Einsatz von Wasserstoff in verschiedenen Sektoren der Wirtschaft zu fördern und Europa als globalen Marktführer für grüne Technologien zu etablieren.

Zentraler Bestandteil der Strategie ist die Förderung von grünem Wasserstoff, der durch Elektrolyse von Wasser unter Einsatz von erneuerbaren Energien wie Wind- und Solarenergie produziert wird. Bis 2024 sollen in der EU Elektrolyseure mit einer Kapazität von mindestens 6 Gigawatt (GW) installiert werden, die eine Produktion von bis zu einer Million Tonnen grünem Wasserstoff pro Jahr ermöglichen sollen. Diese Kapazität soll bis 2030 auf 40 GW erweitert werden, um eine jährliche Produktion von bis zu 10 Millionen Tonnen zu erreichen.

Schlüsselbereiche der EU-Wasserstoffstrategie

Die Wasserstoffstrategie der EU-Kommission umfasst mehrere Schlüsselbereiche:

  1. Technologische Entwicklung und Markteinführung:
    Die EU plant, erhebliche Investitionen in Forschung und Innovation zu tätigen, um die Technologien zur Herstellung, Speicherung und Nutzung von Wasserstoff weiterzuentwickeln. Dies beinhaltet auch die Entwicklung von Wasserstoff-Infrastrukturen wie Pipelines und Tankstellen.
  2. Integration in verschiedene Sektoren:
    Wasserstoff soll insbesondere in der Industrie, im Verkehr und im Energiesektor zum Einsatz kommen. In der Stahl- und Chemieindustrie kann Wasserstoff fossile Brennstoffe ersetzen und so die CO₂-Emissionen erheblich reduzieren. Im Verkehrssektor soll Wasserstoff als Treibstoff für schwere Nutzfahrzeuge, Züge und Schiffe genutzt werden. Auch im Energiesektor kann Wasserstoff als Speichermedium für überschüssige erneuerbare Energie dienen.
  3. Internationale Zusammenarbeit:
    Die EU strebt eine enge Zusammenarbeit mit internationalen Partnern an, um globale Standards für die Wasserstoffwirtschaft zu setzen und den internationalen Handel mit Wasserstoff zu fördern. Dabei sollen insbesondere Partnerschaften mit Nachbarländern und anderen Regionen mit hohem Potenzial für erneuerbare Energien intensiviert werden.

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Finanziert werden soll die Wasserstoffstrategie durch eine Kombination aus öffentlichen und privaten Investitionen. Die EU-Kommission schätzt, dass bis 2030 Investitionen in Höhe von 180 bis 470 Milliarden Euro erforderlich sein werden, um die ehrgeizigen Ziele zu erreichen. Davon sollen 24 bis 42 Milliarden Euro in die Elektrolysekapazität fließen und weitere 220 bis 340 Milliarden Euro in den Ausbau der erneuerbaren Energien, die zur Produktion von grünem Wasserstoff benötigt werden.

Um die Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft zu unterstützen, hat die EU-Kommission auch die Gründung der Europäischen Allianz für sauberen Wasserstoff ins Leben gerufen. Diese Allianz bringt Vertreter aus Industrie, Politik und Wissenschaft zusammen, um gemeinsame Projekte zu entwickeln und die Umsetzung der Wasserstoffstrategie zu koordinieren.