Palfinger Lengau im Pull-System : Die Sims: So smart produziert Palfinger in Lengau

Palfinger Lengau

Franz Wirnsperger, Local Production Manager Fabrication, Palfinger-Werk Lengau, Martin Rehling, Leiter Palfinger-Werk Lengau und Daniel Mandl, Programm-Projektmanager Palfinger: "In vielen Bereichen herrschte Silobildung auf der Arbeitsplatzebene."

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Palfinger: Die digitale Transformation im Werk Lengau

Mit rund 1.100 (400 im Bereich FAB) Mitarbeitern und einer Produktionsfläche von etwa 45.000 (35.000 nur FAB) Quadratmetern gilt Lengau als ein wesentlicher Produktionsstandort des Kran- und Technologieherstellers. Die Neuausrichtung des Werks begann vor zwei Jahren und zielt darauf ab, Prozesse zu standardisieren, Transparenz zu erhöhen und die Effizienz der Fertigung signifikant zu steigern. Durch eine prozessorientierte Matrixorganisation und den Einsatz von digitalen Tools hat das Unternehmen bereits erhebliche Fortschritte gemacht. Der Startpunkt: Undefinierte Prozesse. Vor zwei Jahren befand sich die Produktion in einem Zustand, den Martin Rehling, Leiter PALFINGER-Werk Lengau, als „chaotisch“ beschreibt.


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Die Puffer-Lager (WIP) waren unorganisiert, die Materialströme ineffizient und es mangelte an Klarheit und Transparenz in den Prozessen. Die Produktion basierte auf einem Push-System, das mit erheblichen organisatorischen Verlusten zu kämpfen hatte. "In vielen Bereichen herrschte eine starke Silobildung auf der Arbeitsplatzebene, was zu erheblichen Ineffizienzen im Gesamtwertstrom führte", so Franz Wirnsperger, Local Production Manager Fabrication, PALFINGER-Werk Lengau. Es fehlte ein klarer Überblick über den Materialfluss und Verantwortlichkeiten waren oft nicht eindeutig zugewiesen, ergänzt Programm-Projektmanager Daniel Mandl.

Von chaotisch zu effizient: Der Change-Prozess im Werk Lengau

Um die Fertigung auf eine neue Ebene zu heben, wurde ein umfassender Change-Prozess gestartet. Die Transformation bei Palfinger zielt darauf ab, die gesamte Organisation auf Prozessorientierung auszurichten, indem klare Verantwortlichkeiten geschaffen und Kennzahlen transparent gemacht werden.

Die neue Organisationsstruktur im Bereich Fabrication des Werk Lengau unterteilt die Produktion in sechs Hauptprozessstränge und basiert auf einer prozessorientierten Matrixorganisation. Die Hauptzielsetzungen dieser Struktur liegen in der Standardisierung von Abläufen, der Performanceüberwachung und der Verbesserung der Zusammenarbeit. Auf der Ebene darunter operieren sogenannte Coreteams, die interdisziplinär arbeiten und die Gesamtverantwortung für jeden einzelnen Prozessstrang übernehmen. Die Ziele und Kennzahlen der Fertigung sind dabei kaskadiert, was bedeutet, dass sie von der obersten Führungsebene bis auf die Coreteams heruntergebrochen und spezifisch beeinflussbar sind.

Die Coreteams agieren als die zentralen Einheiten innerhalb des neuen Systems und stellen sicher, dass die Ziele der einzelnen Prozessstränge erreicht werden. Dies führt dazu, dass durch die Erfüllung der Prozessstrangziele auch die übergeordneten Fertigungsziele automatisch erreicht werden. "Dieser Ansatz stellt sicher, dass die strategische Ausrichtung auf jeder Ebene umgesetzt wird und alle Mitarbeiter in die Verantwortung genommen werden", sagt Wirnsperger.

FIFO und Streams: Die Optimierung des Materialflusses bei Palfinger

Ein zentraler Baustein der Transformation ist die Konzentration auf klare, prozessorientierte Abläufe. Palfinger verfolgt in Lengau den Ansatz, den gesamten Materialfluss in sogenannte Streams zu unterteilen. Innerhalb eines Streams sind die Puffer und Bearbeitungsreihenfolgen fix definiert und über definierte Materialpuffer miteinander verknüpft.

Diese Umstellung ermöglichte es, dass jeder Prozessstrang nun nach einer First-In-First-Out-Regelung (FIFO) arbeitet, was zu deutlich verbesserten Durchlaufzeiten und geringeren Beständen führt. Die Produktionssteuerung im Fabrication Lengau ist nun komplett nach diesen Streams organisiert, wodurch eine klare und transparente Verantwortungsstruktur geschaffen wurde. Daniel Mandl erklärt: „Früher waren unsere Anlieferzonen oft überfüllt, Paletten stapelten sich übereinander, und die Mitarbeiter mussten sich durch diese Stapel arbeiten. Heute haben wir eine vollflächige FIFO-Bahn an jedem Arbeitsplatz, die den Materialfluss optimiert.

“Zusätzlich wurde für jeden Arbeitsplatz ein sogenanntes Rulebook eingeführt, das klare Prioritäten und Arbeitsabläufe definiert. Diese Regelwerke sorgen dafür, dass jeder Mitarbeiter genau weiß, welche Aufgaben wann und in welcher Reihenfolge zu erledigen sind. Durch diese klare Struktur und die Einführung eines aktiven Managements an der Wertschöpfungskette wurde die Transparenz signifikant verbessert.

Neue Matrixorganisation verbessert die Fertigungsprozesse

Neben der Prozessorientierung spielt die Führungskultur eine entscheidende Rolle für den Erfolg des Change-Prozesses. Palfinger hat in Lengau eine Kultur des „Visual Managements“ eingeführt, bei der alle wichtigen Kennzahlen und Prozessinformationen auf dem Shopfloor in Echtzeit visualisiert werden. Jedes Team hat Zugang zu einem eigenen Board, auf dem die aktuellen Prozessdaten ausgewertet und transparent dargestellt werden.

Zusätzlich wurden neue Führungsroutinen eingeführt, darunter sogenannte Gemba Walks – regelmäßige Begehungen der Fertigungsbereiche durch das Management, bei denen Probleme direkt vor Ort identifiziert und besprochen werden. Wirnsperger hebt hervor, dass diese Führungsroutinen und die definierten Schichtübergaben dazu beigetragen haben, die Zusammenarbeit zwischen den Teams zu verbessern und eine höhere Verbindlichkeit in den Abläufen schaffen.

Die Ergebnisse sprechen für sich: Durch die Umstellung auf die neue Organisationsstruktur und die Einführung von Führungsroutinen konnte Palfinger die Bestände um 62 Prozent reduzieren – von 431 auf nur noch 165 Paletten im Umlauf. Gleichzeitig stieg die Produktivität um neun Prozent.

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Daniel Mandl, Programm-Projektmanager Palfinger, Martin Rehling, Leiter Palfinger-Werk Lengau und Franz Wirnsperger, Local Production Manager Fabrication, Palfinger-Werk Lengau - © Palfinger

Digitale Simulationssoftware: Schlüssel zur Produktionsoptimierung

Ein weiterer zentraler Bestandteil des Change-Prozesses ist der Einsatz von Simulationssoftware und digitalen Modellen. Palfinger nutzt in Lengau ein digitales Modell der gesamten Fertigung, das alle relevanten Ist-Größen, wie Schichtmodelle und Materialflüsse, abbildet. Dieses digitale Modell ermöglicht es, die langfristige Produktionsplanung mit den aktuellen Produktionsdaten zu verknüpfen und so frühzeitig Optimierungspotenziale zu erkennen. „Wir können dadurch zwei bis drei Wochen früher mit der Umsetzung neuer Prozesse beginnen und unsere Liefertreue stabil halten“, erklärt Wirnsperger.

Die Digitalisierung geht jedoch noch einen Schritt weiter: Palfinger nutzt in Lengau auch eine Schweißverzugssimulation, die wertvolle Informationen für die Konstruktion der Vorrichtungen liefert. Diese Simulationstechnologie ermöglicht es, Fehler bereits in der Planungsphase zu erkennen und zu beheben, bevor sie in der Produktion auftreten. „Wir setzen dabei auf Informationsklasse statt auf Datenmasse“, betont Wirnsperger. Das bedeutet, dass nicht die Menge der gesammelten Daten entscheidend ist, sondern deren gezielte Analyse und Nutzung zur Verbesserung der Produktionsprozesse.