Inside GG Group : Das Prinzip Griller
Aktive Mitgliedschaft erforderlich
Das WEKA PRIME Digital-Jahresabo gewährt Ihnen exklusive Vorteile. Jetzt kostenlos testen und WEKA PRIME Mitglied werden!
Sie haben bereits eine PRIME Mitgliedschaft?
Bitte melden Sie sich hier an.
Die drei bieten ein Bild der Einigkeit. Gemeinsam haben sie - Nikolaus Griller, Holger Fastabend und Arno Haselhorst - in wenigen Monaten schon eine Menge durchgemacht. Und bewegt.
Haselhorst, der als Chefrestrukturierer in die Kabelwerke GG Group geholt worden ist und kürzlich nach dem Ausscheiden von Langzeitchefin Eva Schinkinger auch die Rolle des CEO bei Gebauer & Griller übernommen hatte, kann von ersten zu verbuchenden Erfolgen berichten: Von einer Ergebnisverbesserung erzählt er, weiters habe sich die Liquidität im Unternehmen erhöht. Finanzierungspartner hätten den finanziellen Rahmen so gesteckt, "dass wir die nötige Ruhe haben, um die Restrukturierung des Unternehmens fortzusetzen", sagt Haselhorst, der davor beim Autozulieferer Benteler arbeitete. Ein Umbau, der auch ganz massiv das Volumenwachstum bei Hochvoltleitungssätzen einschließt, die in der Elektromobilität zum Einsatz bei Gebauer & Griller kommen.
Lesen Sie auch: Wie bei der GG Group der Neustart gelingen soll
Aus dem Grund investieren die Wiener in ein neues Werk in Russe, Bulgariens fünftgrößter Stadt. "Ein neues Werk angesichts der Kürzungen im Unternehmen mag auf den ersten Blick nicht stimmig wirken", sagt Holger Fastabend, Managing Director und CSO/CTO. Doch Gebauer & Griller befände sich generell im Wachstum und mit den bestehenden fünf Werken sei das Mengenwachstum im Hochvoltbereich nicht darstellbar. Erste Produktionsanlagen zur automatisierten Kabelkonfektionierung sollen bis Mitte 2024 aufgebaut und in Betrieb genommen werden, ein erster Kunde, ein deutscher OEM, sei "gewonnen", so der Manager.
Lesen Sie auch: GG Group: Eva Schinkinger geht nach drei Jahrzehnten
Jener Mann, der im Aufsichtsrat und Eigentümerausschuss dafür sorgt, dass jene Entscheidungen - Fastabend spricht von "Footprinterweiterung" - auch schnell Umsetzung und Absegnung finden, ist Nikolaus Griller. Der Vertreter der dritten Generation - sein Großvater Karl Griller gründete das Unternehmen 1940 - hat sich 2018 aus dem operativen Geschäft des Familienunternehmens zur Gänze zurückgezogen. Ein Schritt, der wohlbegründet war und immer noch ist: "Statt Berichte vorzulegen und darauf zu hoffen, dass diese die Zustimmung des Gesellschafterausschusses und Aufsichtsrats finden, bin ich nun das verbindende Element zwischen der gemeinsamen Letztentscheidung der Gesellschafter und der operativen Ebene", sagt der 40-jährige.
"Die Restrukturierung, der Sparplan, dazu unser neues Werk in Bulgarien sind allesamt Voraussetzungen dafür, dass der Neustart gelingt."Nikolaus Griller, Aufsichtsrat und Mitgesellschafter GG Group
INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Griller, die GG Group musste zuletzt an allen elf Standorten Personal abbauen. Sie waren von 2015 bis 2018 Geschäftsführer im Unternehmen, heute sind Sie Aufsichtsrat und Vorsitzender des Gesellschafterausschusses. Im Unternehmen ist zu hören, dass Sie sich jetzt zwangsläufig mehr involvieren wollen, ja müssen. Müssen Sie?
Nikolaus Griller: Nein, nicht in dieser Zwangsläufigkeit (lacht). Mich hat kein Ruf ereilt. Es macht mir jedoch großen Spaß, mich einzubringen, wo es Sinn macht und wo es zielführend ist. Es sind schwierige Zeiten. Diese erfordern strategische Überlegungen und die Einbindung der Gesellschafter. Es ist nur logisch, mich stärker als sonst mit dem Management auszutauschen.
Den operativen Einsatz von Familienmitgliedern hatten Sie sehr lange im Unternehmen verankert.
Griller: Bis 2018. Bis dahin rief man seinen operativ tätigen Onkel, seine Tante oder seinen Neffen an und bat als Mitgesellschafter um Auskunft zum Unternehmen. Zuletzt war ich Teil der Geschäftsführung. Wir entschlossen uns dann für einen anderen Weg. Das haben wir mit dem Prozess GG Family Governance gut gemacht. Wir holten richtige Profis rein. Manager, die Branchenerfahrung mitbringen und ein gutes Standing haben. Wir als Eigentümerfamilie sind nah dran, aber nicht mehr in der ersten Reihe. Wir haben einen guten transparenten Berichtsprozess. Wir formulieren klare Forderungen an die Geschäftsführung. Wir sind nicht da, um zu mikromanagen.
GG Group hat sich einen Restrukturierungsprozess verpasst. Welche Spuren hat der Personalabbau an Ihnen hinterlassen?
Griller: Sie können sich sicher vorstellen, dass das Treffen solcher Entscheidungen für mich und meine Familie sehr herausfordernd gewesen ist. Das macht man sich nicht leicht.
Ein deutscher Finanzspezialist und Sanierer - Arno Haselhorst - führt das Unternehmen nun in die Transformation, nachdem es ausgehend von 2020 strategisch konsolidiert wurde. Wäre es nicht erfüllender für Sie, jetzt operativ am Ruder zu sein? Den Umbruch an vorderster Front zu begleiten?
Griller: Es gibt keine Überlegungen in dieser Richtung. Sicherzustellen, dass das Management auf einem richtigen Kurs ist, bindet genug Ressourcen. Und erfordert eine Menge Aufmerksamkeit. Ich sehe meine Aufgaben nicht darin, das Mikromanagement eines automotiven Konzerns zu betreiben.
Entdecken Sie jetzt
- Lesen
- Videos
-
Podcasts
- Autozulieferer wie Bosch, ZF, Continental verlieren in E-Mobilität gegenüber China an Boden |IM News 04.09.2024
- E-Auto Strafzölle für VW, BMW, Mercedes und Chinesische Hersteller teurer als für Tesla | IM News 28.08.2024
- Porsche steigt bei Varta ein: Sanierung ein gutes Geschäft für Tojner | Bosch in der Krise |IM News 21.08.2024
Das heißt, Ihr jetziger Job bietet mehr Handlungsfreiheiten?
Griller: Statt Berichte vorzulegen und darauf zu hoffen, dass diese die Zustimmung des Gesellschafterausschusses und Aufsichtsrats finden, bin ich nun das verbindende Element zwischen den abgestimmten Interessen der Gesellschafter und der operativen Ebene. So gesehen hat sich die Freiheit erweitert.
Beim Textilunternehmer Getzner gibt es 72 Mitgesellschafter, deren Interessen Roland Comploj ausgleichen muss - ganz so schlimm ist es bei Ihnen nicht.
Griller: So kompliziert wie bei den großen Unternehmen ist es tatsächlich nicht. Aber es ist schon eine meiner Aufgaben, die nicht immer gleichlautenden Interessen der Gesellschafter auf einen Punkt zu bekommen. So konnten wir zuletzt gegenüber Banken mit einer Stimme sprechen. Das war nicht so easy, ist aber sehr gut gelungen.
Das heißt Sie sehen sich nicht in der Reservistenrolle?
Griller: Nein. Ich habe eine neue Aufgabe. Bulgarien, die Bankenverhandlungen. Da gibt es einige der Mitgesellschafter, die wissen wollen, wie es läuft. Und auch bei den Quartalsberichten legen die Eigentümer die Finger in die Wunden. Wir zielen darauf ab, das Unternehmen neu aufzustellen. Nur eben nicht operativ aus der Geschäftsführungsebene.
Raus aus dem Operativen: Das war sicher ein großer Schritt für Sie und die Familie.
Griller: Und ich traue mich zu sagen, dass sich manche gefragt haben, ob es gut für das Unternehmen ist. Im Nachhinein betrachtet: Es war sehr gewinnbringend für die Professionalisierung der Firma.
Damit verfolgen Sie eine recht ungewöhnliche Karriere: Nach vielen Jahren operativer Tätigkeit - bis 2021 waren Sie auch eingetragener Geschäftsführer des mittlerweile verkauften Metallwerks hpw - legten Sie Ihre Ämter nieder und begaben Sie sich in den Gesellschafterausschuss. Salopp gefragt: War Ihnen das Automotive-Business zu brutal?
Griller: Das würde ich nicht behaupten, ich war ja jahrelang Teil davon. Ich hatte um sieben Uhr morgens OEMs an der Leitung, die eine Landegenehmigung für den Hubschrauber benötigten, weil ohne sofortige Belieferungen Automobilwerke still stünden. Und ich bin auch in alle schwierigen Verhandlungen hineingegangen. Aber ich habe auch gesehen, dass es Personen gibt, die das noch professioneller betreiben. Gleichzeitig war der Bedarf gegeben, die Familie zu vereinen.
20 Prozent der Anteile, die seit dem Tod des Gründers Karl Griller durch Tochter Elisabeth Tichy bzw. deren Familie gehalten wurden, gingen an die bestehenden Gesellschaftergruppen um Friederike Jacquelin, Gerhard und Stefan Griller. Ist jetzt alles einfacher? Es hieß, man gewinne durch die Verringerung der Anzahl der handelnden Akteure an Flexibilität"?
Griller: Die Familie Tichy hat jedenfalls einen anderen Weg eingeschlagen, man hat sich im Guten getrennt und auch jetzt gibt es sehr stabile Eigentümerverhältnisse und sehr direkte, kurze Wege.
Erinnerungen an den Gründer des Unternehmens, Karl Griller, werden Sie nur indirekt haben, er starb 1965, also 17 Jahre vor Ihrer Geburt. Motivierten Sie Ihre Eltern, ins Unternehmen einzutreten?
Griller: Motiviert weniger. Die Möglichkeit eröffnet schon. Und dann gab es in meiner Familie solche, die darauf hingearbeitet haben. Einer davon war ich.
Wie wächst man in die Rolle des Eigentümers?
Griller: In diese Rolle wächst man früh. Man bekommt schon als Kind oder Jugendlicher die strategischen Überlegungen der Eltern mit und entwickelt dadurch automatisch eine langfristige Perspektive. Gemeinsam mit den anderen Eigentümern erlebt man über Jahrzehnte die Ups and Downs mit. Meine operative Tätigkeit im Unternehmen, auch in der Produktion samt Ausrichtung von GG und seine Weiterentwicklung begleitet zu haben, hilft mir heute enorm.
GG Group investiert gerade in ein neues Werk in Bulgarien. Wie leicht hat man sich die Entscheidung im Gesellschafterausschuss gemacht, wenn zugleich Kürzungen im Unternehmen anstehen?
Griller: Die Eigentümerfamilien und Anteile haltenden Privatstiftungen sind bei Entscheidungen schnell da. Dafür habe ich zu sorgen. Das geht nicht anders in der Automobilindustrie in der die Herausforderungen so groß sind.
So ein Werk von der Pieke aufzubauen würde Sie jetzt operativ nicht reizen?
Griller: Ich habe es ja schon zweimal - bei den Werken in Mexiko und China - gemacht (lacht).
Die langjährige Chefin, Eva Schinkinger, ging per April von Bord. Also zumindest in der Zulieferszene sorgte das für Gesprächsstoff.
Griller: Es war definitiv keine einfache Situation. Eva Schinkinger hat das Unternehmen im positiven Sinne extrem geprägt, sehr stark weiterentwickelt und war auch so etwas wie meine Mentorin, als ich an Bord gekommen bin. Sie hat auf eigenen Wunsch schon vor einiger Zeit ihren Rücktritt angekündigt. Und wir haben dann ein Datum gesucht, dass am geeignetsten erschien. Ein solches Datum gibt es natürlich nicht. So eine Umstrukturierung in der Geschäftsführung durchzuführen ist niemals optimal. Wir haben mit Arno Haselhorst einen geholt, der die Geschäfte fortsetzt und das Unternehmen neu ausrichtet. Eva Schinkinger steht uns weiterhin beratend zur Seite.
Schinkinger führte das Unternehmen über viele Jahre sehr verdienstvoll. Stand Sie einer Erneuerung im Weg?
Griller: Ganz im Gegenteil. Der Restrukturierungsplan entstand noch unter ihr und wird von den Eigentümern und der Geschäftsführung voll mitgetragen.
Wie stand es zuletzt um die Vertrauensbasis zwischen Management und Gesellschaftern?
Griller: Sehr gut. Der Kommunikationskanal war und ist weiterhin immer offen.
Mit Haselhorst ist jetzt - neben Vorstand Holger Fastabend - ein weiterer Deutscher im Unternehmen tätig. Ist das ein Zufall?
Griller: Die Autoindustrie ist eben nun mal auch sehr deutschlandlastig (lacht).
GG Group produziert seit mehr als 80 Jahren technisch hochwertige Kabel, Leitungen und Leitungssätze für die Automobilindustrie, E-Mobilität und Industrieanwendungen. Im Sommer 2021 standen Sie bei Aufschwung Austria am Podium und diskutierten über notwendige Reformen für einen Neustart der Wirtschaft in der Coronazeit. Wie gelingt der Neustart bei Gebauer & Griller?
Griller: Die Restrukturierung, der Sparplan, dazu unser neues Werk in Bulgarien sind allesamt Voraussetzungen dafür, dass der Neustart gelingt. Es wird noch mehr Einsatz brauchen. Wir haben das Glück, uns in einer Transformation der Automobilindustrie zu befinden, die uns in die Hände spielt. Wir verfügen über Produkte, Prozesse und Entwicklungskapazitäten, die es in Zukunft brauchen wird. Aber es muss uns auch klar sein, dass es keine ganz leichte Reise sein wird. Europas Autoindustrie ist durchaus mit ein paar dunklen Wolken belegt. Uns Ziel muss sein, so gut und geschickt im Markt zu agieren, dass wir auch in diesen stürmischen Zeiten Erfolg haben.
Restrukturierer wie Haselhorst machen Mandate in der Regel anderthalb bis zwei Jahre. Wird die CEO-Suche danach wieder ein Kraftakt?
Griller: Wir sind zuversichtlich, auch diese Entscheidung schnell und gut treffen zu können wenn die Zeit reif ist (lacht.)
ZUR PERSON
Nikolaus Griller, 40
ist Aufsichtsrat und Vorsitzender des Gesellschafterausschusses des global tätigen Wiener Herstellers von Leitungen und Systemen zur Übertragung von Energie und Daten, GG Group. Nach dem Studium der Internationalen Betriebswirtschaftslehre arbeitete er bei Microsoft Europe in Paris und Brüssel, ehe er im Familienunternehmen einstieg und nach wechselnden Positionen u.a. in Entwicklung, Vertrieb und dem Aufbau mehrerer Produktionsstandorte von 2015 bis 2018 in die Geschäftsführung ging. Griller war bis Anfang des Jahres Vorsitzender der Jungen Industrie in Wien und hat ein Faible für Bildungspolitik: Er unterrichtete im Rahmen der Bildungsinitiative Teach for Austria zwei Jahre an einer Wiener Mittelschule und setzt sich im Rahmer mehrerer Projekte für die Stärkung des österreichischen Bildungssystems ein. Griller ist dreifacher Vater.
ZUM UNTERNEHMEN
GG (Gebauer & Griller) Group ist eine internationale Unternehmensgruppe in Familienbesitz, die hochqualitative und technologisch anspruchsvolle Kabel und Leitungssysteme für Anwendungen in den Geschäftsbereichen Automobil und Industrie produziert. Das Kabelwerk Poysdorf nimmt als Sitz der Entwicklung von Kabeln und Leitungen eine zentrale Rolle in der Unternehmensgruppe ein. Zusätzlich werden hier die meisten Produkte für die Konfektionsstandorte gefertigt. Die Gruppe mit mehr als 4.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an 12 Standorten macht rund 600 Millionen Jahresumsatz.