Automobilzulieferer : Wie bei der GG Group der Neustart gelingen soll
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Das Zeichen könnte klarer nicht sein. Seit Anfang April leitet der deutsche Finanzspezialist und Sanierer Arno Haselhorst den Automobillzulieferer GG Group. Die bisherige Chefin Eva Schinkinger verlässt das Unternehmen nach fast drei Jahrzehnten auf eigenen Wunsch hin. Sie steht Gebauer und Griller GG Group aber weiterhin beratend zur Seite.
Als Haselhorst vor rund fünf Monaten bei GG Group an Bord ging, da war die Zukunft der Ex-Chefin offenbar noch nicht entschieden. Damals hieß es in einer Aussendung des Unternehmens: „Eva Schinkinger wird in ihrer Position als Vorstandsvorsitzende bestätigt und wird weiterhin die kaufmännischen Bereiche Finanzen, Treasury, Einkauf, IT, Unternehmensentwicklung, Personal, Recht sowie Marketing und Kommunikation führen.“ Arno Haselhorst wurde zu diesem Zeitpunkt mit der Funktion des Chief Operating Officer und Chief Restructuring Officer betraut.
Nun kommen die Agenden des CEO dazu. Wohl, weil sein Mandat weit mehr umfassen wird als pure Restrukturierung: „Ich würde im Falle von GG Group treffender von einer echten Transformation als von einer Restrukturierung sprechen, auch weil der Prozess ohne Druck von außen proaktiv und aus eigenem Antrieb heraus angestoßen wurde“, kommentiert der 59-jährige seine neue Aufgabe. Und er fügt, ohne zu sehr in Details zu gehen, man werde nun tradierte Gegebenheiten und Abläufe kritisch hinterfragen.
Branchenprofi am Werk
Die Bandbreite konkreter Handlungen, die hinter einer solchen Ankündigung stehen können, ist naturgemäß groß. Doch alle, die Haselhorsts Track Record kennen, wissen zumindest so viel: Wenn der gelernte Bankkaufmann und promovierte Betriebswirt ins Spiel kommt, geht es in aller Regel ans Eingemachte. In der Autozulieferindustrie war Haselhorst zuletzt als Sanierer bei dem Maschinenbauer Benteler und der auf Gelenke sowie Wellen spezialisierten IFA Gruppe zugange.
Bei Benteler schaffte er es, 2021 in zähen Verhandlungen mit mehr als hundert Geldgebern und Kunden eine Refinanzierug des Unternehmens zu erreichen, bevor er für weitere Maßnahmen an Michael Baur übergab. Die IFA Gruppe führte er im Vorjahr in eine neue Eigentümerstruktur, indem er die Übernahme des Unternehmens durch die Münchener AEQUITA begleitete.
Bei GG Group findet der Niedersachse ebenfalls eine nicht gerade einfache Situation vor. Wie andere Automobilzulieferer auch muss der Kabelspezialist derzeit hohe Summen in Technologien investieren, die in Zukunft für die elektrische Mobilität essenziell sein werden, kannönnen diese Aufwendungen aber seinenihren Kunden noch nicht wirklich weiterverrechnen. Die entsprechenden Ausgaben haben sich zwischen 2018 und 2022 mehr als verdoppelt – von 16 auf 33 Milliarden Millionen Euro. Das nagt trotz global gut gefüllter Auftragsbücher an der Substanz.
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Schwieriges Umfeld
Hinzu kommt: Die nach wie vor existenten Lieferkettenprobleme und die aktuelle geo- und energiepolitische Krisenlage beschäftigen Autozulieferer im Moment gleich zweifach, zum einen in ihrem eigenen Geschäft, zum anderen aber auch dadurch, dass ihre Kunden, die OEMs, ein viel volatileres Abnahmeverhalten zeigen als in stabilen Zeiten. Aufträge werden kurzfristiger erteilt, die Gefahr von zeitnahen Anpassungen steigt und auch die abgerufenen Mengen variieren beträchtlich. Von einem beinharten natürlichen Ausleseverfahren, das dadurch unter den Zulieferern entsteht, spricht ein Branchenkenner.
Und tatsächlich hat es einige kleinere Zulieferer bereits hart erwischt, Borgers etwa. Das deutsche Unternehmen, das für VW Verkleidungen, Dämpfungen und Isolationen lieferte, wurde nach einer Insolvenz zu Jahresanfang vom Schweizer Konkurrenten Autoneum übernommen. Oder BIA Forst, einen Mercedes-Zulieferer, der Kunststoffteile produzierte und mit Jahresende die Produktion einstellen musste. Doch auch global aufgestellte Unternehmen wie etwa Leoni geraten gehäuft in Schieflagen, auch wenn diese dank ihrer besseren Kapitalisierung und Marktposition nicht sofort in Übernahmen oder gar Betriebsauflassungen münden.
Agenda für die Zukunft
GG Group hat aus der aktuellen Gemengelange jedenfalls vor allem zwei Konsequenzen gezogen. Zum einen einen radikalen Sparkurs, der dort begonnen wurde, wo Maßnahmen am schnellsten wirken: einerseits im Bereich Operations, andererseits beim Personal. Hier gab es an allen elf Standorten Kürzungen. Als weitere Schritte zur Effizienzsteigerung sollen Lagerbestände und Ausschussraten gesenkt und die Automatisierung vorangetrieben werden.
Elektromobilität und der damit verbundene Wunsch, das Fahrzeuggewicht zu reduzieren sind ein Bereich, dem sich GG Group verstärkt widmen will. „Hier sind wir gut positioniert und bieten maßgeschneiderte Lösungen, die besonders zur Reduzierung des Fahrzeuggewichts und auch der Kosten beitragen: Als Pionier in der Verarbeitung von Aluminium im Hochvolt-Bereich, schaffen wir beispielsweise bei manchen Leitungssätzen eine Gewichtsreduktion von vierzig Prozent im Vergleich zu herkömmlichen Kupferleitungen“, erklärt Holger Fastabend, Chief Sales und Chief Technology Officer bei GG Group.
Ebenfalls auf der Zukunftsagenda des Unternehmens: Nachhaltigkeit und damit verbunden Digitalisierung und Miniaturisierung der Komponenten, insbesondere der Bordnetzarchitektur. GG Group hat, um diesen Anspruch der Kunden zu erfüllen, unter anderem kompakte Datenkabel entwickelt, die sichere und schnelle Übertragungsraten bis zu 20 GHz schaffen und mit dem Industriestandard entsprechenden, wesentlich kleineren Steckern kompatibel sind.
Auch darauf, dass seine Abnehmer in Zukunft noch stärker auf die Nachhaltigkeit der Lieferkette setzen werden, bereitet sich das Unternehmen intensiv vor. Man überlegt, wie man in der Produktion nicht oder schwer recyclebare Materialien ersetzen kann wie etwa Silikone oder strahlenvernetzbare Polyolefine. „Das ist ein besonders spannendes Thema, zu dem wir teilweise geförderte Forschungs- und Entwicklungsprojekte auch auf europäischer Ebene etabliert haben“, sagt Fastabend.