Alpla-CEO : Philipp Lehner: "Werden weltbeste Papierflasche haben"
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Wenn irgendwo wieder ein Konsumgüterhersteller wie Coca-Cola oder Danone ein neues Abfüll- oder Verpackungswerk auf die grüne Wiese stellte, war Alpla nicht weit. Dafür trug Günther Lehner Sorge - ein Expansionsgarant, der in guten Jahren zehn, in sehr guten Jahren 15 Werke errichten ließ. Aber den eine Gewissheit niemals losließ: Die Nachfolge in einem Unternehmen ist kein Problem, das sich löst, indem man es ignoriert. Die Frage, wann er nun gedenkt, endlich "etwas G´scheites" zu machen, bekam Philipp Lehner von seinem Vater deshalb nicht nur einmal zu hören.
Routinemäßig, und mit einem breiten Grinser im Gesicht, versuchte Vater Günther auszuloten, ob sein ältester Sohn schon bereit sei für den rechten Weg - die Laufbahn im Familienunternehmen. Ebenso routinemäßig ließ ihn der Sohnemann abblitzen. Denn der hatte erstmal andere Pläne: Raus aus Hard, raus in die Welt. Selbstfindung eingeschlossen. Und so ließ er die Gravitation des nur wenige Gehminuten vom beschaulichen Bodenseeufer domizilierten Unternehmens hinter sich. Doch der Vater rang Philipp ein Versprechen ab: Dessen Rückkehr.
Und der Filius hielt sich an die Abmachung. Nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften in Nanjing, Boston und London und Jobs in der Finanz- und Beratungsbranche bei unter anderem McKinsey in Hamburg trat Philipp Lehner 2014 ins Unternehmen ein.
Nach weiteren 18 Monaten als Werksleiter bei Alpla Iowa und der anschließenden Leitung des US-Geschäfts war er Ende 2018 schließlich dort, wo er 16 Jahre zuvor aufbrach: In der 13.000-Seelen-Gemeinde am Bodensee. Mit 34 übernahm er den CFO-Posten. Seit Jahresbeginn zieht er als CEO die Fäden des in dritter Generation geführten Unternehmens, in dem die Rekorde unaufhörlich purzeln: Mit über 21.600 Mitarbeitern an weltweit 180 Standorten in 45 Ländern ist man als Hersteller von Verpackungslösungen, Flaschen, Verschlüssen und Spritzgussteilen längst eine Riesennummer - und sogar am US-Markt nicht mehr zu übersehen.
Grundstein mit Tüfteln
Den Grundstein dafür legte Philipps Großvater Alwin 1955. Mit seinem Bruder Helmuth gründete er die Alpenplastik Lehner Alwin GmbH. In einer Waschküche des Elternhauses in Hard fertigte er die ersten Produkte - Kunsstoffbecher für Senf und Marmelade. In der Nacht ruhte das Tagesgeschäft - nicht aber der Problemlöser Alwin Lehner. Er tüftelte an eigenen Spritzgieß- und Fertigungsmaschinen, weil die am Markt verfügbaren nichts taugten. Mit Mautner-Markhof und dem amerikanischen Kosmetikkonzern Elizabeth Arden wurden rasch Schlüsselkunden gewonnen. Teil der Erfolgsformel: Sich als Zulieferer lokal stark in die Wertschöpfung der Kunden zu integrieren. Und der Gründer setzte die Expansionsmaschine früh in Gang: Neun Jahre nach Gründung wurde bereits nach Deuschland und Venezuela erweitert. Jetzt ist sein Enkel Philipp an der Reihe, die Internationalisierungsstory des Unternehmen mit 3,7 Milliarden Euro Jahresumsatz fortzuschreiben.
Und er bleibt dem Kurs treu: Sechs neue Werke werden heuer gebaut, darunter zwei in den USA und eines in Mexiko. Anhaltend starke Nachfrage in Märkten wie USA, Südostasien und China werden Alpla heuer zwischen drei und fünf Prozent wachsen lassen. Afrika ist Lehners nächstes großes Frontier. Die Aufstockung auf einen Fünfervorstand - 2018 vollzogen - spielt den 36-jährigen in der CEO-Rolle zudem stärker fürs Strategische frei. So wird über ein unlängst gegründetes Joint Venture mit dem schwedischen Unternehmen BillerudKorsnäs im Start-up-Umfeld am Siegeszug einer komplett biobasierten, recyclingfähigen Papierflasche geschraubt. Mit der im Juli besiegelten Übernahme eines Anteils am slowakischen Unternehmen Panara baut Alpla die Aktivitäten im Feld alternativer, nachhaltiger Rohstoffe für Verpackungen aus.
Dass der mittelständische Kern des zum Konzern entwachsenen Unternehmens immer noch erhalten ist, obwohl Entscheidungen längst nicht mehr am Küchentisch so wie zu Großvaters Zeiten gefällt werden, ist dabei eine der Stärken der Vorarlberger. In einer seiner ersten Aktionen setzte Philipp Lehner ein Projekt zur Kommunikation der Alpla-Wertewelt auf. Adressaten: Alle 21.600 Mitarbeiter.
Sein Vater Günther hat sich übrigens nicht aus dem Unternehmen zurückgezogen: Als Chairman ist er nun in die Weiterentwicklung der Sparten Recycling und Kreislaufwirtschaft involviert. "Genau sein Ding", sagt Sohn Philipp.
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Philipp Lehner im Interview: "Das war es wert"
INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Lehner, von Ihnen ist die Aussage überliefert, Sie wollten eigentlich immer schon in einem Unternehmen arbeiten, „das dreimal größer ist“ als das Ihres Vaters Günther. Mit mittlerweile über 21.600 Mitarbeitern an weltweit 180 Standorten in 45 Ländern: Hat Alpla jetzt endlich die richtige Kragenweite für Sie?
Philipp Lehner: Da haben Sie sich genau das richtige Zitat rausgesucht. Ja, das hab ich mal gesagt. Wie es so ist als Sohn eines erfolgreichen Vaters, sucht man immer den Vergleich. Und will ein Schäufchen drauflegen.
Sie können Philipp Lehner auch hören: im INDUSTRIEMAGAZIN-Podcast!
Es war richtig, mal den eigenen Weg zu gehen. Mir wurden Ausbildungswege ermöglicht, die habe ich dankend angenommen.Philipp Lehner, CEO Alpla
Wie wäre es mit der Zahl der jährlich neu errichteten Werke in der Alpla Gruppe?
Lehner: An die sehr hitzige Phase der Internationalisierung Anfang der Zweitausenderjahre heranzukommen wird schwer. Damals errichtete mein Vater mit Alpla teils zehn bis 15 neue Werke im Jahr, was riesiger Anstrengungen bedurfte. Ich habe selber den Bau zweier Werke in den USA abgewickelt. Das war ein riesiger Aufwand. Im Schnitt bauen wir aber immer noch drei bis sechs neue Werke pro Jahr. Auch heuer wieder sind es sechs an der Zahl, darunter zwei in den USA und eines in Mexiko. Und nächstes Jahr wird ́s ähnlich sein. Das zieht sich fort.
Sie sind seit Jahresbeginn CEO bei Alpla, traten damit in die Fußstapfen Ihres Vaters, der das Unternehmen in zweiter Generation seit 2006 leitete. Studiert haben Sie aber in China, London und Boston – nicht gerade um die Ecke.
Lehner: Ich höre von meinem Vater seit über 30 Jahren, wie toll es ist, so eine Firma zu leiten. Und in meiner Jugend war die Unternehmung ein ständiger Begleiter. Da geht es von Montag bis Freitag am Küchentisch um nichts anderes. Am Wochenende läuft man zusammen mit dem Großvater übers Firmengelände. Das ist nun mal die spezielle Dynamik in Unternehmerfamilien. Umso wichtiger ist es, das eigene Zentrum zu finden. Dafür bin ich nicht als Shaolin nach China gegangen. Aber es war richtig, mal den eigenen Weg zu gehen. Mir wurden Ausbildungswege ermöglicht, die habe ich dankend angenommen.
Just zum Zeitpunkt Ihrer Rückkehr erfolgte im Unternehmen eine Zäsur. Der Vorstand wurde um zwei familienfremde auf fünf Mitglieder aufgestockt. Weil zu viel Familie ein Korrektiv braucht?
Lehner: Weil mein Vater im Kerngeschäft auf unnachahmliche Weise in der Tiefe unterwegs war. Fällt so ein Lenker aus dem Unternehmen raus, muss die Organisation unweigerlich nachziehen. Mir wurde die Führung des Unternehmens ja nicht übertragen, um die nächsten zwei oder drei Jahre voraus zu planen. Klar, das Kerngeschäft muss laufen. Aber ich muss ein paar Eisen ins Feuer werfen. Wie vor 15 Jahren, als Alpla mit Coca-Cola in Mexiko sein erstes Recyclingwerk aufmachte. Die Erfahrungen flossen dann in die Übernahmen von Recyclingwerken in Europa. Ende 2022 werden wir in diesem Bereich elf Standorte auf drei Kontinenten unterhalten, die über fünf Prozent zum Gesamtumsatz beitragen. Eine Erfolgsstory.
Fusionen und Übernahmen werden künftig eine größere Rolle spielen. Mit dem schwedischen Unternehmen BillerudKorsnäs ging man unlängst ein Joint Venture für die Produktion von kompletten biobasierten, recyclingfähigen Papierflaschen ein. Ist das ein solches heißes Eisen?
Lehner: Die Papierflasche fällt in diese Kategorie. Wir haben jeder eine Handvoll Leute in ein Start-up reingesetzt und total eigenständig laufen lassen. Mit dem klaren Auftrag, faserbasierte Verpackungen herzustellen.
Und was ist hier der Stand der Dinge?
Lehner: Die Generation zwei des Produkts ist bereits erhältlich. Generation drei wird der eigentliche Quantensprung sein: Eine Verpackung, die zu fast 99 Prozent aus Faser besteht. Und bei der nur noch die Innenschicht von einem biobasierten Kunststoff überzogen ist. Damit ist die Dichtigkeit gegeben und Konsumenten müssen keinerlei Abstriche machen. Wir sind mit Vollgas dran und rechnen mit einer Marktvorstellung bis Ende 2023. Das wäre eine richtig starke Produkteinführung.
Alpla ist neuerdings zu 19 Prozent an Blue Circle Trading, einer Vertriebsfirma für zertifiziert heimkompostierbare Kaffeekapseln, beteiligt. Die Basis für eine Reihe neuer Geschäftsmodelle abseits des Kerngeschäfts?
Lehner: Hier schnuppern wir erste Erfahrungen. Da wird einiges kommen.
Wie sehr sieht sich ein Kunststoffgebindefabrikant bei der Nachhaltigkeitsdebatte in der Kritik?
Lehner: Wir sind in einer Schere, in der wir mehr konsumieren als wir hintenraus handhaben können. Die infrastrukturellen Kapazitäten im Sammelwesen von Müll wuchsen nicht mit dem Konsum mit. Da ist nun einiges zum Positiven im Wandel und wir engagieren uns, wo es geht. Im Übrigen gibt es keinen klimafreundlicheren Verpackungswerkstoff als Kunststoff. Auch bei den Kosten, der Sicherheit, Unzerbrechlichkeit und Leichtigkeit ist er der Werkstoff der Wahl.
Wie kriegen Sie die Mehrkosten für ressourcenschonendere Produkte beim Konsumgütererzeuger durch?
Lehner: Spannenderweise leben wir in einer Zeit, in der die Konsumgüterindustrie Kompromisse eingeht – im Unterschied noch zu vor zehn Jahren. Damals hätten marginal teurere, mit um die Hälfte geringerem Kunststoffanteil gefertigte Flaschen unmöglich Käufer gefunden. Die Welt war noch von anderen Maximen getrieben. Heute prüft man solche Optionen.
Es gibt keinen klimafreundlicheren Verpackungswerkstoff als Kunststoff.Philipp Lehner, CEO Alpla
Als einer Ihrer ersten Schritte setzten Sie ein konzernweites Projekt zur Kommunikation der Alpla-Wertewelt auf, „Führungsversprechen“ getauft. Wer taugt zur Führung?
Lehner: Führungsverantwortung kann jeder übernehmen. Da braucht es vor allem keine spezifische organisationale hierarchische Linie dafür. Das war zu meines Großvaters Zeiten so und ist auch heute noch so. Wenn wir diesen Aspekt von Firmenkultur einbüßen, dann würden wir vieles vom Zug, mit dem wir auf den Märkten wahrgenommen werden, einbüßen.
Wie digital muss man sich eigentlich die Zukunft eines Unternehmens wie Alpla vorstellen?
Lehner: Im Backoffice Effizienzen zu schaffen, ist schon lange Standard. Neue Wege beschreiten wir bei der Digitalisierung im Produktionsumfeld. Mit dem Dornbirner Start-up Crate.io arbeiten wir an Lösungen, mit denen wir über Echtzeitanalyse unsere Produktion managen wollen. Es gibt dann kein Warten mehr auf den Schichtbericht. An das Personal werden in Echtzeit Aktivitätsempfehlungen ausgesprochen. Das ist so ein IoT-Projekt, das großes Potenzial hat, aber auch unglaubliche Komplexität birgt.
Wir konsumieren mehr, als wir handhaben können.Philipp Lehner, CEO Alpla
Ihr Vater Günther meinte einmal, mit zehn bis 15 Betrieben sei man in den USA jemand, der „ernst genommen“ werde. Zwei Jahrzehnte nach Beginn der Markterschließung: Wie ernst nimmt man Alpla heute in den USA?
Lehner: Heute sind wir ein etwas größerer Fisch in einem riesigen Teich. Vom Marktvolumen sind wir immer noch eine relativ kleine Nummer. Aber mit unseren filigraneren Maschinen, die mehr Prozessflexibilität bieten als die typische Standardmaschine, haben wir uns dort mittlerweile einen Namen erarbeitet. Meine starke Annahme: Der Markt wird uns noch viel Freude bereiten.
Sie meinten, der CEO-Posten sei ein Vertrauensvorschuss. Wo liegt Alpla in zehn Jahren?
Lehner: In zehn Jahren werden wir die weltbeste Papierflasche am Markt haben; in 55 Ländern tätig sein; und wir werden jenes Industrieunternehmen im deutschsprachigen Raum sein, zu dem talentierte Führungskräfte am liebsten arbeiten kommen.