Russland beendet bilaterale Vereinbarung : Was bedeutet das Ende des Doppelbesteuerungsabkommens mit Russland?

Russland Raiffeisen Workers use a crane to dismantle a signboard advertising Raiffeisen Bank from a building, as a monument to Soviet state founder Vladimir Lenin is seen in the foreground, in Moscow, Russia April 14, 2023. REUTERS/Maxim Shemetov - 20230414_PD5497 - Rechteinfo: Rights Managed (RM) Nur für redaktionelle Nutzung! Werbliche Nutzung erfordert Freigabe: bitte schicken Sie uns eine Anfrage.

Suspendierung von österreichisch-russischem Doppelbesteuerungsabkommen sorgt bei österreichischen Firmen in Russland für höhere Steuern

- © MAXIM SHEMETOV / REUTERS / picturedesk.com

Die jüngste Entscheidung des russischen Präsidenten Wladimir Putin zur Aussetzung eines Großteils der Bestimmungen des bilateralen Doppelbesteuerungsabkommens mit Österreich dürfte für österreichische Unternehmen in Russland unmittelbare steuerliche Auswirkungen haben und könnte für sie eine weitere Verschlechterung zur Folge haben.

>>> Russisches Parlament beschließt Sondersteuer für Unternehmen

"Die Suspendierung ist einseitig, auf der österreichischen Seite ist das Abkommen noch in Geltung und daher betrifft das vor allem österreichische Unternehmen mit Investitionen in Russland oder sonstige Investoren, die in Österreich steuerlich ansässig sind und von hier aus in Russland investiert haben", erklärte der Steuerrechtsexperte Dimitar Hristov vom Wiener Büro der Anwaltskanzlei DLA Piper.

Das Dekret Putins vom Dienstag bezieht sich explizit auch auf den Vertrag zwischen Österreich und Russland aus dem Jahr 2000. Auswirkungen sind vor allem für internationale Unternehmen zu erwarten, die nach wie vor in Russland tätig sind.

Nie mehr eine wichtige News aus der Industrie verpassen? Abonnieren Sie unser Daily Briefing: Was in der Industrie wichtig wird. Täglich um 7 Uhr in Ihrer Inbox. Hier geht’s zur Anmeldung!
Die Suspendierung ist einseitig, auf der österreichischen Seite ist das Abkommen noch in Geltung und daher betrifft das vor allem österreichische Unternehmen mit Investitionen in Russland.
Steuerrechtsexperte Dimitar Hristov

Weitere Abkommen mit "unfreundlichen Staaten" ausgesetzt

Das bedeutet, dass Russland für diese Unternehmen die im Doppelbesteuerungsabkommen vorgesehenen Steuersätze für Dividenden, Zinsen und Lizenzen aussetzt. Die Unternehmen werden auf den russischen Steuersatz hochgeschleust. Der im Abkommen vorgesehene Steuersatz lag bisher zwischen 0 und 15 Prozent, je nach Art der Einkünfte. Der Experte erläuterte, dass der übliche Steuersatz für ausländische Investoren in Russland zwischen 15 und 30 Prozent liege. Hristov geht davon aus, dass die Entscheidung Putins etwa für die großen österreichischen Unternehmen mit Aktivitäten in Russland ab sofort relevant sei. Der Erlass vom 8. August sei dahingehend allerdings nicht ganz so klar formuliert.

>>> "Kriegsabgabe": So will Russland die Industrie zur Kasse bitten

Der Experte rechnete auch damit, dass Russland Sonderregelungen für Investoren aus "unfreundlichen Ländern" einführen werde, da Russland die Antidiskriminierungsbestimmungen des Abkommens ausgesetzt habe. Neben dem Doppelbesteuerungsabkommen mit Österreich suspendierte Putin am Dienstag Bestimmungen in 37 weiteren bilateralen Abkommen mit offiziell "unfreundlichen" Staaten.

Von Russland als "unfreundliche Staaten" definiert

- © Wikipedia

Diese Staaten hat Russland als "unfreundliche Staaten" definiert

Bei der Liste der "unfreundlichen Staaten" handelt es sich um eine von der Regierung der Russischen Föderation veröffentlichte Liste von Staaten, die sich an Aktivitäten beteiligen, die von der russischen Regierung als „unfreundlich“ eingestuft werden. Die Liste wurde zum ersten Mal im Mai 2021 veröffentlicht und enthielt nur zwei Staaten (die Vereinigten Staaten und die Tschechische Republik).

  • Albanien
  • Andorra
  • Australien
  • Bahamas
  • Dänemark*
  • EU-Staaten
  • Griechenland*
  • Island
  • Japan
  • Kanada
  • Kroatien
  • Liechtenstein
  • Föderierte Staaten Mikronesien
  • Monaco
  • Montenegro
  • Neuseeland
  • Nordmazedonien
  • Norwegen
  • San Marino
  • Schweiz
  • Singapur
  • Slowakei*
  • Slowenien*
  • Südkorea
  • Taiwan
  • Tschechien*
  • Ukraine
  • USA
  • Vereinigtes Königreich

* Diese Staaten wurden am 14. Mai 2021 bzw. am 22. Juli 2022 explizit erwähnt

Schutz russischer Investoreninteressen

Dass Russland gleichzeitig einige Bestimmungen im österreichischen Abkommen und auch in den anderen Abkommen beibehalten will, sieht der Experte im Zusammenhang mit dem Schutz russischer Investoreninteressen: "Ich vermute, dass man sich damit vorbehalten will, Investoren aus Russland trotz Suspendierung des Abkommens vor einer ausländischen Doppelbesteuerung zu schützen", erklärte er. Denn in Russland gebe es seines Wissens keine Bestimmung, die bei Fehlen eines Doppelbesteuerungsabkommens eine Vermeidung der Doppelbesteuerung vorsehen würde. Im Gegensatz dazu könnten in Österreich nach der Bundesabgabenordnung entsprechende Anträge an das Bundesministerium für Finanzen gestellt werden.

>>> Doppelbesteuerung: Russlands Drohkulisse

Eine baldige Kündigung des österreichisch-russischen Doppelbesteuerungsabkommens hielt der Experte für möglich. Nicht nur Putin habe dies in seinem Dekret angeregt. Die formelle Kündigung des Abkommens, die derzeit formal frühestens mit 1. Jänner 2025 möglich wäre, könnte auch von Wien aus initiiert werden. Damit könnte auf die völkerrechtswidrige Suspendierung des Abkommens durch Russland rechtskonform reagiert werden. Die übrigen 37 vom Putin-Erlass betroffenen Staaten könnten analog vorgehen.

Dass man so etwas macht, halte ich jetzt relativ objektiv für dämlich.
Steuerrechtsexperte Dimitar Hristov

Weiterer Niedergang der russischen Wirtschaft?

Der Steuerrechtsexperte erwartet - ähnlich wie beim Sanktionsregime gegen Russland - Verlagerungen auf eine "Zwischenebene" als Folge der Aufkündigung dieser Abkommen zwischen Russland und dem Westen. "Es gibt viele Staaten, die mit Russland halbfreundliche oder freundliche Beziehungen und gleichzeitig auch mit uns halbfreundliche Beziehungen unterhalten", sagte er. Nicht betroffen von Putins Dekret sind die Vereinigten Arabischen Emirate, Hongkong, die Türkei und auch Serbien, die Doppelbesteuerungsabkommen sowohl mit dem Westen als auch mit Russland haben.

>>> EU: Österreich noch immer zu stark von russischem Gas abhängig

Wirtschaftlichen Sinn sieht der Jurist vor dem Hintergrund dieser Ausweichmöglichkeiten und eines zu erwartenden weiteren Rückzugs westlicher Investoren in der aktuellen Entscheidung Putins allerdings nicht. Angesichts des langsamen Niedergangs der russischen Wirtschaft müsste Moskau eigentlich ein Interesse daran haben, westliche Unternehmen zu halten und nicht Doppelbesteuerungsabkommen auszusetzen, erklärte er. "Dass man so etwas macht, halte ich jetzt relativ objektiv für dämlich" so Hristov.

Wie reagiert Wien?

"Das Bundesministerium für Finanzen evaluiert aktuell die weitere Vorgehensweise sowohl interministeriell mit dem Außenministerium als auch mit den europäischen Partnern", erklärte am Donnerstag ein Sprecher des Finanzministeriums. Bei diesen Überlegungen müsse man die möglichen Auswirkungen insbesondere auf betroffene österreichische Personen und Unternehmen sowie eine gesamtstaatliche Perspektive in Betracht ziehen.

Gleichzeitig betonte der Ministeriumsvertreter, dass die von Putin verfügte Aussetzung einzelner Bestimmungen des bilateralen Doppelbesteuerungsabkommens vertraglich nicht vorgesehen sei. "Eine Kündigung gemäß Artikel 29 kann immer nur bis spätestens 30. Juni jedes Kalenderjahres erfolgen, um ab 1. Jänner des darauffolgenden Kalenderjahres gültig zu sein", referierte er.

>>> Das sind die größten Industrieunternehmen in Niederösterreich

In anderen Staaten fielen die Reaktionen auf Putins Entscheidung eher zurückhaltend aus. In der Schweiz erklärte das zuständige Staatssekretariat für internationale Finanzfragen gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA, man habe das Dekret des russischen Präsidenten zur Kenntnis genommen.

Putins Entscheidung könnte für viele internationale und russische Unternehmen die Frage verschärfen, ob sie weiterhin in Russland oder im Ausland tätig sein wollen, zitiert die Moskauer Tageszeitung "Kommersant" den Steuerexperten Aleksandr Jerassow. Die Entscheidung werde die Steuerlast für Unternehmen auf jeden Fall erhöhen, das Ausmaß der Folgen hänge von den Reaktionen "unfreundlicher" Staaten ab.

massiver Zinserhöhung auf Rubel-Schwäch

Auf die starke Abwertung des Rubels hat die russische Zentralbank mit einer massiven Zinserhöhung reagiert. Der Leitzins werde von 8,5 auf 12,0 Prozent angehoben, teilte die Zentralbank am Dienstag nach einer außerordentlichen Zinssitzung mit. Es handelt sich um die stärkste Zinserhöhung seit März 2022, nachdem der Leitzins damals, unmittelbar nachdem der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen hatte, noch stärker angehoben wurde.

>>> Das sind die größten Industrieunternehmen in Oberösterreich

Der Leitzins liegt nun so hoch wie seit dem Frühjahr 2022 nicht mehr, nachdem er zwischenzeitlich wieder gesenkt worden war. "Die Entscheidung zielt darauf ab, Preisstabilitätsrisiken zu begrenzen", heißt es in der Stellungnahme der Notenbank zur Zinsentscheidung. Die Währungshüter gaben keinen Hinweis auf weitere Zinsschritte.

Der Rubel geriet am Devisenmarkt in den vergangenen Tagen unter Druck. Experten gehen davon aus, dass eine sich verschlechternde Außenhandelsbilanz zum jüngsten Wertverlust der russischen Währung beigetragen hat.

Nach der Zinserhöhung erholte sich der Rubel jedoch vergleichsweise leicht, nachdem er am Vortag den tiefsten Stand zum Dollar seit März 2022 erreicht hatte. Am Morgen wurden für einen Dollar knapp 98 Rubel gezahlt, nach rund 102 Rubel am Vortag.