Doppelbesteuerungsabkommen Österreich-Russland : Doppelbesteuerung: Russlands Drohkulisse

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Sowohl das russische Finanzministerium als auch das russische Außenministerium haben dem russischen Präsidenten empfohlen, Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit „unfreundlichen Staaten“ aufzukündigen. Österreich und sämtliche EU-Mitgliedsstaaten wurden als „unfreundlich“ eingestuft. Begründet wird dies damit, dass die Europäische Union im Februar unter anderem Russland auf die EU-Liste nicht kooperativer Länder und Gebiete („EU Blacklist“) gesetzt hat. Die 16 Länder, die nun aktuell auf dieser Liste stehen, sind nach Ansicht des Europäischen Rats ihren Verpflichtungen zur Einhaltung von Kriterien für verantwortungsvolles Handeln im Steuerbereich nicht nachgekommen. Ländern auf dieser Liste drohen sowohl steuerliche als auch nichtsteuerliche Abwehrmaßnahmen. So müssen etwa grenzüberschreitende Zahlungen zwischen verbundenen Unternehmen iSd EU-Meldepflichtgesetzes gemeldet werden.

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Mag. Matthias Mitterlehner, Partner, Head of International Tax und Steuerberater bei der ICON Wirtschaftstreuhand: „Die Drohung Russlands, DBA mit „unfreundlichen Staaten“ aufzukündigen, ist durchaus ernst zu nehmen!“ - © ROBERT MAYBACH

Wird Russland zum Nicht-DBA-Staat?

Steuerpflichtige, die nach-wie-vor geschäftliche Beziehungen mit Russland pflegen, zB russische Tochtergesellschaften haben, sollten den durchaus wahrscheinlichen Fall des Wegfallens des russisch-österreichischen DBA in ihrer Steuerplanung berücksichtigen. Besteht mit einem Staat kein DBA, so wird eine dort bestehende Steuerpflicht gegenüber Österreich grundsätzlich nicht eingeschränkt. Ein fehlendes DBA kann ua folgende Konsequenzen haben:

  • Innerstaatliche Regelungen werden in beiden Staaten voll anwendbar;
  • Keine verlängerten Betriebsstättenfristen im Verhältnis zu etwaigen innerstaatlichen Regelungen (zB Bauprojekte);
  • Keine begünstigten Quellensteuersätze für Dividenden, Zinsen oder Lizenzgebühren;
  • Keine 183-Tagesfrist für Arbeitnehmerentsendungen;
  • Keinerlei Einschränkung von Besteuerungsansprüchen auf Veräußerungsgewinne, zB von Unternehmensbeteiligungen;
  • Keine Rechtsgrundlage für Verständigungsverfahren.

Schutz gegen Doppelbesteuerung

Das russisch-österreichische DBA sieht aktuell etwa kein Quellenbesteuerungsrecht auf Lizenzgebühren vor. Sowohl Österreich als auch Russland sehen jedoch innerstaatlich eine 20%ige Quellensteuer auf Lizenzgebühren vor, welche bei Aufkündigung des DBA nicht mehr vermieden werden könnte.

In Österreich unbeschränkt Steuerpflichtige können eine drohende Doppelbesteuerung allerdings weitgehend durch die zu § 48 BAO ergangene Verordnung (BGBl II 2002/474) vermeiden. Diese erlaubt eine Steuerfreistellung unter Progressionsvorbehalt in Österreich, wenn die entsprechenden Einkünfte einer vergleichbaren ausländischen Durchschnittsteuerbelastung von mehr als 15% unterliegen und folgende Einkünfte vorliegen:

  • Einkünfte aus im Ausland belegenem unbeweglichem Vermögen,
  • Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder selbstständiger Arbeit, die aus einer im Ausland gelegenen Betriebsstätte stammen,
  • Bauausführungen oder Montagen im Ausland,
  • Vortrags- oder Unterrichtstätigkeit im Ausland,
  • Mitwirkung an einer Unterhaltungsdarbietung im Ausland,
  • Im Ausland ausgeübte nichtselbständige Arbeit.

Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so ist eine Anrechnung der ausländischen Steuer – bis zum Anrechnungshöchstbetrag – möglich. Eine tatsächliche Kündigung des bestehenden russisch-österreichischen DBA müsste bis spätestens 30. Juni 2023 erfolgen, damit sie ab 1.1.2024 Wirkung entfalten kann.

Mag. Matthias Mitterlehner ist Partner, Head of International Tax und Steuerberater bei der ICON Wirtschaftstreuhand GmbH.