Produzierende Industrie : Sourcing Strategien – wie handeln österreichische Unternehmen in der Krise?

Geschäftsmodell Nearshoring als Lösung in der Supply Chain
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Wie die Pandemie die Lieferketten behindert, für Chipmangel sorgt und Häfen stilllegt, wird meistens mit Blick auf große Länder wie China gezeigt. In der EU wird besonders Deutschland mit seiner angeschlagenen Automobilindustrie – Stichwort Halbleiter – beleuchtet. Doch wie sieht es in Österreich aus?

Die österreichische Industrie ist tatsächlich durchgängig von der Krise betroffen. Es gibt natürlich Ausnahmen, doch im Allgemeinen wurde die produzierende Industrie kein bisschen verschont. Laut Wifo war es Ende 2021 erstmals seit Pandemiebeginn nicht eine geringe Nachfrage, die die Produktion drosselte. Materialengpässe und Kapazitätsengpässe waren hier große Faktoren. Doch allen voran war es ein Arbeitskräftemangel.

Franz Nigitz, Group Vice President Purchasing, der ZKW Group: „2022 wird uns noch massiver treffen,"

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Arbeitskräftemangel drosselt Produktion

Abgezeichnet hat sich der Mitarbeitermangel freilich schon vor der Pandemie. Das bestätigt Werner Hölzl, Industrieökonom beim Wifo. „Dafür gibt es indirekte Hinweise auch in den Abschlüssen der Kollektivverträge, wo es insbesondere im Bereich der Lehrlingsausbildung deutliche Anstiege bei den Entlohnungen gibt. Das hängt auch mit dem demografischen Knick zusammen – einerseits kommen immer weniger Junge auf den Arbeitsmarkt und gleichzeitig haben wir einen Trend zur Höherqualifizierung an den Hochschulen“, so Hölzl. Der Ausweg wäre also, die Lehre attraktiver zu machen.

Doch zurück zu Problemen, die durch Corona entstanden, sozusagen der krisenbedingten Krise. Als europäisches Land leidet Österreich etwa unter stark gestiegenen Kosten im Schiffstransport mit. “Wir sehen derzeit eine Missallokation von Containern, die in Europa oder Nordamerika feststecken und in anderen Teilen der Welt fehlen“, so Hölzl. Was bedeutet das genau? Der Transport eines Containers von Asien nach Europa kostet derzeit zehn Mal so viel wie in die andere Richtung.

"Container stecken in Europa oder Nordamerika fest und fehlen woanders"
Werner Hölzl, Wifo-Industrieökonom

Kommt es zu einer Normalisierung in der Supply Chain? Ja, irgendwann. Vielleicht schon Mitte 2022. Doch mit Omikron und vor allem der neuen Untervariante BA.2 weiß man natürlich nie. Hölzl rechnet auf jeden Fall noch mit Lieferverzögerungen und Knappheiten bei Vorprodukten und Materialien bis ins zweite Quartal 2022.

Wie gehen Unternehmen speziell in Österreich damit um? Der Elektronikfertiger Melecs EWS mit Hauptsitz im Burgenland etwa leidet sehr stark unter Engpässen in der Lieferkette. „Deutliche Versorgungsschwierigkeiten“ führen zu hohen Beständen und gestiegenen Kosten, erklärt Andreas Pinzker, Vice President Global Strategic Purchasing.

Normalisierung oder Strategieänderung?

Seine Strategie hat das Unternehmen deswegen – aus guten Gründen – nicht geändert. Vielmehr entpuppen sich hier vorausschauende Planung im Sourcing und direkte Beziehungen zu Zulieferern als entscheidend. In naher Zukunft soll auch KI eine große Rolle spielen.

Über das Sourcing muss auch die ZKW Group intensiviert nachdenken. Der Wieselburger Spezialist für Premium-Lichtsysteme ist ein strategischer Partner der Automobilindustrie in Europa, Amerika und Asien – und leidet unter dem Halbleitermangel. Hier steht das Schlimmste sogar noch bevor, meint Franz Nigitz, Group Vice President Purchasing. „2022 wird uns noch massiver treffen, weil der Markt mittlerweile wirklich leer ist und spezielle Chips einfach nicht verfügbar sind.“

Reshoring in der EU

Die Strategie der ZKW Group war bisher Global Sourcing. Jetzt wird über Alternativen nachgedacht. Ähnlich wie bei Banner, Batterieproduzent mit Hauptsitz in Oberösterreich. Hier wurden konkrete Maßnahmen in Sachen lokales Sourcing bereits eingeleitet. Der Grund: lange Transportzeiten und hohe Transportkosten für Halbleiterprodukte aus Asien.

Ist ein Umschwenken wirklich so leicht? Und wie steht es um Reshoring und Nearshoring hinsichtlich neuer EU-Gesetze? Was machen der Leondinger Feuerwehrausstatter Rosenbauer und der steirische Leiterplattenhersteller AT&S anders? Lesen Sie die ausführliche Story hier: AT&S bis ZKW: Lieferketten-Heroes