VW-Sparkurs trifft Zulieferer : VW-Zulieferer: "Es fehlt nicht viel und wir schicken dem OEM Geld hinterher"

Download von www.picturedesk.com am 18.09.2024 (12:10). 04 September 2024, Lower Saxony, Wolfsburg: The VW logo shines on the roof of the brand tower at Volkswagen's main plant in the early morning behind a red traffic light. Volkswagen has announced that it will tighten its austerity measures due to the tense situation of the core brand. Even compulsory redundancies and plant closures can no longer be ruled out. Photo: Moritz Frankenberg/dpa - 20240904_PD0922 - Rechteinfo: Rights Managed (RM)

Zehn Milliarden Euro muss der Automobilbauer aus Deutschland bis 2026 an Ergebnisoptimierung erreichen.

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Noch im Sommer, erzählt der Manager des österreichischen Automobil-Clusters Florian Danmayr, habe die Stimmung in der Zulieferindustrie eigentlich nicht so übel ausgesehen. Von einer stabilen Seitwärtsbewegung war bei der Beiratssitzung die Rede, auch von einem "stabilen Schwebezustand". Die Planungsqualität im ersten Halbjahr war ganz gut, die Abrufe im Herbst hätten auch nicht außertourlich auf die Stimmung gedrückt. "Wir sind weit weg von Rekordergebnissen, aber im Plan", sagt Danmayr. Und er übt sich Mitte September in Zweckoptimismus: "Werden in deutschen VW-Werken Überkapazitäten abgebaut, wird von Österreichs Zulieferern nicht ein Bauteil weniger abgerufen", sagt Danmayr.

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Nachsatz: Natürlich gebe es Einzelbetroffenheiten. Er erwartet, dass die Cluster-Veranstaltung "Preisverhandlungen in turbulenten Zeiten - Preiserhöhung, Preisverteidigung, Mehr-/Mindermengen und Abruch-Claims" Mitte Dezember im Marchtrenker Gasthof Fischer gut gebucht sein wird.

Harter Schnitt

Die Sparmaßnahmen bei VW sind die härtesten seit dem Dieselskandal. Zehn Milliarden Euro muss der Automobilbauer aus Deutschland bis 2026 an Ergebnisoptimierung erreichen, damit am Ende eine Rendite von 6,5 Prozent herausschaut. VW hat die Job-Garantie bis 2029 gekippt und will - zum historisch ersten Mal - mindestens ein deutsches Werk schließen. In China verliert VW den Anschluss. Hinzu kommt die Mobilitätswende, mit E-Autos verdienen die Hersteller häufig weniger als an Verbrennern. Zugleich sind Rekordinvestionen zu stemmen: Allein das VW-Werk Zwickau wurde ausgehend von 2018 für 1,2 Milliarden Euro von einer lupenreinen Verbrenner- zur Elektroauto-Fabrik umgebaut. Oliver Blume, der im September 2022 als Vorstandschef der Volkswagen AG Herbert Diess gefolgt war, baut nun das 2023 beschlossene Sparprogramm aus.

In niedersächsischen Werken hat VW bereits Ende des Vorjahres einen Einstellungsstopp verhängt. Doch die Maßnahmen reichen nicht. Die Überkapazitäten steigen. Konzern-Finanzchef Arno Antlitz machte vor mehr als 10.000 Beschäftigten in Wolfsburg klar: "Wir haben noch ein Jahr, vielleicht zwei Jahre Zeit, das Ruder herumzureißen. Aber diese Zeit müssen wir nutzen." Die Marke würde seit längerer Zeit mehr Geld ausgeben als sie einnimmt: "Das geht nicht gut auf die Dauer", so der Manager. Diess habe zu viel angestoßen, sich dann nicht ums Umsetzen geschert. Er habe sich zum Chinachef gekürt, und als es dort schlecht lief, nicht aufgeräumt, zitiert ein deutsches Medium Insider.

Proteste der VW-Belegschaft im niedersächsischen Werk Emden Mitte September

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Zieleorgie 2030

Höchst radikale Investitionsstopps - Stichwort Lopez und den Schattenseiten hemmungsloser Sparpolitik - seien bei VW kein grundsätzliches Novum, meint der Sondermaschinenbauer Andreas Fill. Das erlebe er seit seiner Übernahme des väterlichen Unternehmens im Jahr 2000. Die Bandbreite an Erlebtem reicht von Versteigerungen von Projekten an Billigstbieter und negative Investitionswellen, die immer wieder über Zulieferer herniederbrachen. Doch mit der "Zieleorgie 2030", den Umstieg in die E-Mobilität binnen Jahren zu schaffen, „haben sich einige große Player vermutlich verhoben", meint Fill.

Und der Einkaufspreis wurde für VW zum noch entscheidenderen Kriterium. "VW setzte in seinen Partnerschaften auf Inhomogenität", sagt Fill. 10 bis 15 Lieferanten halte man sich für eine Komponente oder Technologie heute warm, während andere OEMs einen Bruchteil davon auf die Shortlist setzen würden. Andere Player seien besser abgestimmt. War für die Gurtener Volkswagen vor einem Jahrzehnt noch unter den wichtigsten Abnehmern, sind die Wolfsburger nicht mehr Top-10. "Wir verspürten wenig Kontinuität", sagt Fill. Die europäische Automobilindustrie ist aktuell mehr gefordert denn je. "Insbesondere die deutsche Regierung hat gezeigt, wie man aus einem Top-Standort einen Hungerpatienten macht", sagt Fill. "Die Bürokratie, die Gesetzgebung, das ist ein zweiter Druckfaktor, der langsam langweilig wird", sagt der Unternehmer.

"VW setzte in Partnerschaften auf Inhomogenität." Andreas Fill, Geschäftsführer Fill

"Gehen in Minusstunden"

Als sehr verwoben. So fasst Geschäftsführer Bernd Rübig die Tätigkeiten der Rübig Gruppe für den Volkswagen-Konzern zusammen. In Wels erfolgt die klassische Tier 1-Tätigkeit, etwa die Wärmebehandlung von Getriebe- und Kuppplungskomponenten für die VW-Werke Kassel und Baunatal. Im slowakischen Werk Prievidza dagegen findet die Wärmebehandlung von Komponenten im Antriebsstrang für Lohnfertigungsbetriebe, die ebenfalls den VW-Konzern beliefern, statt.

Während der slowakische Rübig-Standort - 2013 aufgenommen - stetig ausgebaut werden soll, wird die Erweiterung in Wels nicht mehr forciert. "So schmerzhaft es klingt: Aus Österreich lässt sich das Automotive-Geschäft nicht mehr bedienen", sagt Rübig. Hier, an den 450-Mitarbeiter-Standorten in Oberösterreich, ist die Flaute voll angekommen. "Wir bauen Urlaube ab, nutzen Gleitzeitmodelle, gehen sogar in Minusstunden", so Rübig.

Volkswagen-CEO Oliver Blume während eines Medienevents im Vorfeld der Auto Show in Beijing im April

- © Ng Han Guan / AP / picturedesk.com

Europa als Chinas Werkbank?

Eine Folge aus der VW-Misere samt durchgereichten Spardrucks? Bei VW und anderen OEMs müsse, so Rübig, natürlich auf stabile, günstige und wettbewerbsfähige Preise geachtet werden. Angesichts der anhaltenden Energiekrise seien die Kosten aber in Österreich nicht zur Gänze in den Preisen unterzubringen. "Da fehlt nicht mehr viel und wir schicken dem OEM auch noch Geld hinterher", sagt Rübig.

Wohl auch deshalb bringt sich das Welser Unternehmen - wie das Who is who der Zulieferindustrie von AVL bis Mahle - Mitte Juli auf der BYD Austrian Supplier Conference in Stellung. Der chinesische Autobauer plant ein Werk im südungarischen Szeged. "Die Frage der Fertigungstiefe ist allerdings noch weitgehend ungeklärt", sagt Rübig. Im Raum steht, dass BYD lediglich endassemblieren will, um sich des lästigen Zollthemas zu entledigen. Ungeachtet der drohenden Importzölle geht der Autobauer jedoch weiter in die Offensive. Soeben hat BYD seinen Deutschlandvertrieb selbst in die Hand genommen.

Bernd Rübig, Geschäftsführer Rübig Gruppe
"Es fehlt nicht mehr viel und wir schicken dem OEM auch noch Geld hinterher." Bernd Rübig, Geschäftsführer Rübig Gruppe - © dp photography

Klumpenrisiko VW?

Von der VW-Krise relativ unberührt sieht sich der Waldviertler Automobilzulieferer Pollmann International. "Wir sind dem Klumpenrisiko VW kaum ausgesetzt", sagt Christian Schreiberhuber, CEO des Unternehmens. In den Werken Karlstein und Vitis würden derzeit für Zulieferer anderer OEMs Aufträge abgearbeitet. "Wären unsere Abnehmer am Ende nicht diverse Medium- und Premium-Class-OEMs, würde es wohl anders um unsere Auslastung stehen", sagt Schreiberhuber.

Bei der Umsatzentwicklung erwarte man sich heuer keine wesentlichen negativen Effekte. Man sei auch nicht Teil einer Zwei- oder Mehrlieferantenstrategie, ein entscheidender Vorteil in Sachen Substituierbarkeit: "Knetungsgespräche, in denen man so ohne weiteres zum Preisnachlass gedrängt werden kann, haben hier keine Basis", sagt Schreiberhuber.

Arno Antlitz, CFO der Volkswagen AG: "Das geht nicht gut auf die Dauer"

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"Planungsunschärfen"

Ganz ungetrübt ist das Bild aber auch bei Pollmann nicht. Im südböhmischen Werk Jindřichův Hradec liefen ältere VW-Programme zur Fertigung von Türschlössern und Schiebedächern. "Da merken wir zum Budget eine Abweichung, wenn auch keine signifikante", sagt Schreiberhuber. Welche er aber unter "Planungsunschärfe" verbucht.

Als Zuliefermanager hat er gelernt, der Realität ins Auge zu sehen. So ist er auch für Volkswagen zuversichtlich. "Der VW-Konzern wird sich erfangen und wir sehen langfristig weiterhin großes Potenzial in der Zusammenarbeit", meint er. Und er wundert sich: Als Luca de Meo bei Renault rund eine Million Fahrzeuge Produktionskapazität herausgenommen hat, "hat man davon vergleichsweise wenig gehört".

Christian Schreiberhuber, CEO Pollmann International
"In Jindřichův Hradec sehen wir in älteren VW-Programmen eine Abweichung zum Budget." Christian Schreiberhuber, CEO Pollmann International - © wwww.benjaminwald.at

Nicht unverwundbar

2015 rechnete der Stahlhersteller Voestalpine im Zuge des Abgasskandals nicht mit ernsthaften Geschäftseinbußen. Und das, obwohl mit Volkswagen die Voest-Division Metal Forming mehr Umsatz machte als in ganz Nordamerika. Das Worst-Case-Szenario, falls Volkswagen gar nichts mehr bestellt? In diesem Fall würde der betreffende Bereich der Voestalpine schon "ein, zwei Jahre kämpfen, um die Produktionsmenge wieder bei anderen aufzubauen", meinte der Vorstand damals. Allerdings sei dieses Szenario kaum vorstellbar, so Peter Schwab - denn VW sei "ein unsinkbares Schiff".

Im Hier und heute liefert der Aluminiumhalbzeughersteller Amag rund ein Viertel seiner abgesetzten Tonnage an Automotive. "Anders als oft vermutet sind wir bei weitem nicht so abhängig von der Automobilbranche", sagt CEO Helmut Kaufmann. Man sei natürlich nicht unverwundbar, doch insgesamt sei die Situation in der Automobilindustrie für das Unternehmen aktuell alles andere als schlecht. So liefert man im Rahmen eines Großauftrags Aluminium in Bändern, welches bei Audi Györ für die Herstellung der Außenhautbauteile sowie Innenstrukturbauteile zum Einsatz kommt. Ein Teil der im Audi-Werk Györ anfallenden Produktionsabfälle wird außerdem sortenrein in Form von Aluminium-Blechschrotten an die Amag nach Ranshofen zurückgeliefert, wodurch ein geschlossener Materialkreislauf entsteht. "Qualität und unser breites Produktportfolio sorgen dafür, dass wir uns bis dato gut schlagen", so Kaufmann.


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Diversifikation sei seit Jahren die Strategie des Unternehmens. Das bedeute, keine zu großen Abhängigkeiten einzugehen. So gehen die Flachwalzprodukte sehr breit in unterschiedliche Branchen. Und man sieht sich als Spezialitätenlieferant, der Entwicklungsziele wie höhere Festigkeit, spezielle Blechdicken oder hohe Umformbarkeit umzusetzen vermag. Wegweisend: 2012 entschied man sich im Rahmen des Werksausbaus nicht nur ein zusätzliches Warm- und ein neues Kaltwalzwerk zu bauen, sondern auch eine Passivierungsanlage umzusetzen, mit der spezielle Oberflächen für die Automobilindustrie hergestellt werden. Beim Werksausbau wurde auch darauf geachtet, die neuen Walzkapazitäten so auszulegen, dass den Anforderungen der Automobilindustrie nach breiteren Produkten, wie beispielsweise Motorhauben, Rechnung getragen werden kann. "Mit 2300 Millimetern sind wir gewappnet", sagt Kaufmann.

Helmut Kaufmann, CEO Amag
"Wir sind nicht unverwundbar." Helmut Kaufmann, CEO Amag - © Amag