Potenzial als neuer Industriestandard : coilDNA: Wie das Amag-Startup am Internet of Materials schraubt
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Vor sieben Jahren begann beim Ranshofener Aluminiumhersteller AMAG die Entwicklung einer Technologie, die nun drauf und dran ist, einen Teil der produzierenden Industrie zu verändern. Durch strategische Partnerschaften und innovative Ansätze hat coilDNA, die im Oktober 2019 gegründete 100-Prozent-Tochter der AMAG, einen patentierten Materialcode entwickelt, der es ermöglicht, kontinuierlich hergestellte Materialien wie Stahl oder Aluminium aber auch Produkte wie Kabel oder Schläuche über ihren gesamten Lebenszyklus präzise zu verfolgen. Diese Technologie, die die Effizienz in der Produktion verbessern soll, hat Potenzial, sich in gewissen Bereichen als neuer Industriestandard zu etablieren.
Bei einem Besuch in Wien erläutern Werner Aumayr und Leopold Pöcksteiner, die beiden Geschäftsführer des Linzer Start-ups coilDNA, das Geschäftsmodell.
Dimensionsverändernd
coilDNAs IT-basierte Cloud-Technologie ermöglicht es Herstellern von Vormaterial ihren Produkten Materialeigenschaften und Produktionsdaten über sichere Webservices zuzuordnen, die in der Weiterverarbeitung unabhängig von den einzelnen Bearbeitungsschritten abgerufen werden können. Die Entwicklung der neuen Kodierungstechnologie begann vor sieben Jahren – ein Zeitraum, der in der schnelllebigen Welt der Technologieentwicklung ungewöhnlich lang erscheint. Doch in Hochtechnologiebranchen, wo die Anforderungen an Sicherheit, Zuverlässigkeit, Prozessstabilität und Compliance besonders hoch sind, sind solche Entwicklungszeiten nicht ungewöhnlich.
Die Idee zur Entwicklung einer - mittlerweile patentierten - Technologie entstand aus der Notwendigkeit, die Rückverfolgbarkeit von Materialien sicherzustellen, selbst wenn diese während der Produktion und Verarbeitung verändert werden. Die Herausforderung bestand darin, eine Markierung zu entwickeln, die auch nach dem Schneiden, Biegen und Pressumformen des Materials lesbar bleibt. „Wenn ich das Rohmaterial bis zum Endprodukt verfolgen will, muss ich all diese dimensionsverändernden Schritte berücksichtigen“, sagt Aumayr.
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Rückverfolgbarkeit
Ein zentraler Aspekt der neuen Technologie ist die Fähigkeit, Materialien und daraus gefertigte Teile über die gesamte Lieferkette hinweg präzise zu identifizieren, auch nachdem das Material verschiedenen mechanischen und thermischen Prozessen unterzogen wurde. Traditionelle Markierungsmethoden wie Barcodes oder QR-Codes stoßen hier schnell an Grenzen. Bei Verarbeitungsgeschwindigkeiten von mehreren hundert Metern pro Minute wurde der Barcode beim Druck so lang, dass er nicht mehr lesbar war. Barcodes versagen auch, wenn diese bei der Verarbeitung geteilt werden. „Wir haben das probiert, aber bei den hohen Geschwindigkeiten wurde der Barcode bis zu 1,70 Meter lang. Das konnte kein System der Welt mehr lesen, genauso wie zerteilte Barcodes“, schmunzelt Leopold Pöcksteiner.
Deshalb entschieden sich die Linzer, angelehnt an die menschliche DNA, einen alphanumerischen Code zu entwickeln. So wird eine Codespur über die gesamte Länge aufgedruckt, bei einem Aluminiumcoil können das mehrere Kilometer sein. Dieser bleibt unabhängig von der Verarbeitung des Materials am Einzelteil identifizierbar. Dieser Code, der im Kern aus 14 Zeichen besteht, die sich nie wiederholen, ist teilungsinvariant – das heißt, er bleibt selbst dann eindeutig identifizierbar, wenn das Material zerschnitten und umgeformt wird.
Jeweils 14 Zeichen einer Codespur sind weltweit einzigartig und treten nie wieder auf, was eine präzise Rückverfolgbarkeit ermöglicht.
Umsetzung
Die technische Umsetzung dieser Markierungstechnologie erforderte die enge Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern aus der Software- und Hardwarebranche. „Wir haben nach einem Markierungsverfahren gesucht, das nicht nur schnell ist, sondern auch dann noch lesbar bleibt, wenn das Material stark verformt ist“, erklärt Aumayr. Für die Integration der Technologie in bestehende Produktionsanlagen ging coilDNA Partnerschaften mit führenden Softwarehäusern ein. Ein wichtiger Partner ist PSI Metals aus Berlin, deren Softwarelösungen für die Metallindustrie maßgeschneidert auf die Bedürfnisse abgestimmt wurden. „Unsere Services wurden in deren Software integriert, sodass Kunden die coilDNA Markierung einfach aktivieren können“, so Pöcksteiner.
Auch auf der Hardwareseite wurden strategische Partnerschaften geschlossen. coilDNA arbeitet eng mit führenden Druckerherstellern zusammen, um sicherzustellen, dass die Markierungstechnologie für eine Vielzahl von unterschiedlichen Materialoberflächen sowie Druckertypen kompatibel ist. „Wir wollten sicherstellen, dass unsere Kunden jeden Drucker verwenden können, der die notwendigen Zeichen in der erforderlichen Geschwindigkeit drucken kann, unabhängig von Marke oder Modell“, sagt Pöcksteiner.
Offener Standard
Eine der entscheidenden Fragen bei der Markteinführung war, ob sie exklusiv für AMAG-Kunden angeboten, oder als offener Standard etabliert werden sollte. Die Entscheidung fiel auf Letzteres. „Wir wollten uns von Anfang an gegenüber anderen Märkten öffnen“, sagt Werner Aumayr. Diese Entscheidung war strategisch wichtig, um die Technologie breiter zu etablieren und gegebenenfalls als Industriestandard für die Materialverfolgung verfügbar zu machen. „Im Zusammenhang mit der Einführung des Digitalen Produktpasses in der EU sind wir mit den Standardisierungsorganisationen im Gespräch, um die Vorteile des Einsatzes unserer Technologie darzulegen“, sagt Pöcksteiner.
Durch die Öffnung der Technologie für andere Hersteller und die Integration in bestehende MES-Systeme ermöglicht coilDNA es seinen Kunden, die Markierungstechnologie nahtlos in ihre Produktionsprozesse zu integrieren. Das MES-System verwaltet die Kundenaufträge und stellt sicher, dass die benötigten Codes automatisch generiert und an die Drucker weitergeleitet werden, um die Markierung auf das Material aufzubringen.
Ausblick
Die Einführung dieser neuen Kodierungstechnologie stellt somit einen bedeutenden Fortschritt für die präzise Rückverfolgbarkeit von Materialien dar. Neben der Qualitätssicherung in der Produktion bietet die Technologie das Potenzial, Produktionsprozesse effizienter zu gestalten und Lieferketten transparenter zu machen.
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"Wir sehen unsere Technologie als einen wesentlichen Baustein in der Materialnachverfolgung und der Transparenz von Lieferketten“, sagt Leopold Pöcksteiner. Die potenziellen Einsatzmöglichkeiten sind nicht auf Aluminium beschränkt. Auch bei der Markierung und Kodierung von Stahl sowie Schläuchen und Kabeln gibt es Potenziale.