Doch selbst wenn Russlands Stahlriesen überleben – ihr wichtigster Absatzmarkt ist längst verloren. Denn ausgerechnet Europa, einst Abnehmer von Millionen Tonnen, hat die Türen zugeschlagen.
Für Russlands Stahlkonzerne war Europa lange der Premium-Kunde: Automobilbauer, Maschinenbauer, die Bauindustrie – sie zahlten gute Preise für hochwertigen Flachstahl oder Halbzeuge aus Russland. Doch damit ist seit dem Angriff auf die Ukraine Schluss. Die EU hat mit Artikel 3g der Sanktionsverordnung ein klares Verbot verhängt: Kein russischer Stahl darf mehr in die Union importiert werden.
Das Problem: Stahl ist kein Produkt, das sich einfach aus dem Markt nehmen lässt. Die russischen Mengen verschwinden nicht – sie fließen jetzt in andere Regionen. Besonders beliebt sind die Türkei, China oder Vietnam, wo russische Produzenten nur noch mit hohen Rabatten von 15 bis 30 Prozent Käufer finden. Dort werden die Rohstoffe weiterverarbeitet – und am Ende landet ein Teil dieser Waren wieder in Europa.
Für europäische Einkäufer ist das ein Compliance-Minenfeld. Auf dem Papier ist russischer Stahl verboten. In der Praxis aber ist oft kaum nachvollziehbar, ob das Blechteil oder die Schraube aus türkischer Produktion tatsächlich völlig frei von russischem Stahl ist. Je länger die Lieferkette, desto schwieriger wird die Herkunftskontrolle. Wer hier Fehler macht, riskiert nicht nur Imageschäden, sondern auch Strafen.
Und es kommt noch eine zweite Hürde: Ab 2026 greift der Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) der EU – eine Art Klimazoll. Stahlimporte werden dann nach ihrem CO₂-Fußabdruck besteuert. Russische Produzenten setzen fast ausschließlich auf klassische Hochöfen – mit einem Emissionswert, der weit über modernen europäischen Anlagen liegt. Selbst wenn es morgen keine Sanktionen mehr gäbe: Russischer Stahl wäre durch den Klimazoll kaum noch konkurrenzfähig in der EU.
Die Botschaft ist klar: Europa fällt als Absatzmarkt auf lange Sicht aus. Für die russische Stahlindustrie bedeutet das nicht nur Umsatzeinbußen, sondern auch den Verlust eines technologisch anspruchsvollen Kunden, der bisher gute Preise zahlte. Zurück bleibt ein Geschäft, das sich auf Preisrabatte und Abnehmer in Schwellenländern stützt – weit weg von den goldenen Zeiten, als russischer Stahl in den VW- oder Siemens-Lieferketten steckte.