Frankreich, Italien und Polen : Nach der Abstimmung - ausreichend EU-Staaten für Strafzölle auf chinesische E-Autos

A line of electric cars are being charged at an event, with a Chinese flag in the foreground. The automotive design, wheels, and electric blue colors stand out

Die EU-Kommission hat ausreichend Befürworter unter den EU-Staaten für ihre geplanten Strafzölle auf Elektroautos aus China.

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EILT

Die Europäische Union steht kurz davor, zusätzliche Zölle auf Elektroautos aus China zu erheben. Am heutigen Freitag sprach sich eine ausreichende Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten für diesen Plan aus, wie mehrere EU-Diplomaten der Deutschen Presse-Agentur (dpa) bestätigten. Dadurch hat die EU-Kommission nun die Möglichkeit, Zölle in Höhe von bis zu 35,3 Prozent zu verhängen.

Die EU-Kommission erklärte, dass sie nun die notwendige Unterstützung der Mitgliedsländer habe, um die zusätzlichen Abgaben umzusetzen. Gleichzeitig betonte sie, dass die Verhandlungen mit China fortgesetzt werden, um eine diplomatische Lösung zu finden.

Deutschland konnte seine ablehnende Haltung nicht durchsetzen. Obwohl das bevölkerungsreichste EU-Land in Brüssel gegen die Zölle stimmte, wäre eine Mehrheit der Mitgliedstaaten erforderlich gewesen, die gemeinsam mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, um das Vorhaben zu blockieren. Nach Berichten stimmten zehn Länder für die Zölle, während sich zwölf Staaten enthielten - darunter auch Österreich, wie das Wirtschaftsministerium mitteilte. Fünf Länder sprachen sich klar dagegen aus, darunter Deutschland, doch diese repräsentieren nur etwa 20 Prozent der EU-Bevölkerung.

Die Europäische Kommission hatte die Einführung der Zölle angekündigt, nachdem eine Untersuchung zu dem Schluss kam, dass Peking den Absatz von E-Autos durch Subventionen fördert und so den Wettbewerb auf dem EU-Markt verzerrt. Ob die Zölle ab Anfang November in Kraft treten, hängt nun von der Kommission ab. Sollte jedoch rechtzeitig eine Einigung mit China am Verhandlungstisch erzielt werden, könnten die Zölle noch verhindert werden.

Die EU-Kommission hatte laut Insiderberichten bereits am Donnerstag genügend Unterstützung unter den EU-Mitgliedsstaaten für die Einführung von Strafzöllen auf Elektrofahrzeuge aus China. Frankreich, Griechenland, Italien und Polen hatten im Vorfeld, basierend auf Informationen von Diplomaten und Insidern, angekündigt, für die Einführung von Zöllen in Höhe von bis zu 35,3 Prozent zu stimmen.

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Gemäß den geltenden EU-Regeln hätte die Kommission die Befugnis, Zölle für einen Zeitraum von fünf Jahren zu verhängen, sollte keine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten dagegen stimmen. Für diese qualifizierte Mehrheit müssen 15 Länder zusammen 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. Frankreich, Italien, Griechenland und Polen vereinen gemeinsam 39 Prozent der EU-Bevölkerung.

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Wie wird Österreich abstimmen?

Bis Donnerstagnachmittag blieb unklar, wie Österreich bei der Abstimmung über die geplanten EU-Strafzölle auf chinesische Elektroautos votieren wird. Im Juli hatte das Wirtschaftsministerium noch eine neutrale Position bezogen und betont, dass Österreich für eine "Verhandlungslösung" plädiert. Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) betonte damals: „Als sehr exportorientiertes Land hätte man im Falle einer Vergeltungsspirale sehr viel zu verlieren.“

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Auch die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) sprach sich am Donnerstag für den fortgesetzten Dialog mit China aus. „Handelskonflikte sind immer eine Belastung für die heimische Wirtschaft, denn gerade eine Exportnation wie Österreich ist auf fairen und gut funktionierenden internationalen Handel angewiesen“, erklärte die WKÖ gegenüber der APA. Gleichzeitig unterstrich die Kammer jedoch die Notwendigkeit, europäische Interessen geschlossen zu vertreten und Maßnahmen gegen unfaire Praktiken zu ergreifen, um ein "Level-playing-field" zu gewährleisten.

Österreichs Automobilzulieferindustrie spielt eine zentrale Rolle in der heimischen Wirtschaft und beschäftigt mehr als 80.000 Menschen in über 900 Unternehmen. Die Branche trägt rund zehn Prozent zur Wertschöpfung in der Sachgütererzeugung bei, mit einem jährlichen Produktionswert von 20 Milliarden Euro. Zu den wichtigsten Akteuren zählen Unternehmen wie Magna in Graz, das BMW-Werk in Steyr, AVL List, Pierer Mobility und der Lampenhersteller ZKW.

Scholz betont die Bedeutung der Welthandelsorganisation

Trotz der geplanten Einführung der Strafzölle hat die EU-Kommission signalisiert, weiterhin Gespräche mit der chinesischen Regierung über eine politische Lösung führen zu wollen, auch nach Inkrafttreten der Maßnahmen. Insidern zufolge könnten mögliche Ergebnisse dieser Verhandlungen Mindestpreise für die Fahrzeuge oder die Verlagerung der Produktion nach Europa sein.

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Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz strebt im Konflikt um mögliche EU-Strafzölle auf chinesische Elektroautos weiterhin eine Verhandlungslösung mit China an. Beim Unternehmertag des Außenhandelsverbandes BGA in Berlin betonte der SPD-Politiker: „Natürlich müssen wir unsere Wirtschaft vor unfairen Handelspraktiken schützen.“ Dabei gehe es ihm vor allem um faire Wettbewerbsbedingungen.

Scholz mahnte jedoch, dass die Reaktion der EU keine negativen Auswirkungen auf die eigene Wirtschaft haben dürfe. „Unsere Reaktion als EU darf aber nicht dazu führen, dass wir uns selbst schädigen,“ erklärte er. „Deswegen müssen die Verhandlungen mit China in Bezug auf Elektrofahrzeuge weitergehen.“

Er wies außerdem darauf hin, dass die Maßnahmen gezielt dort ansetzen müssten, wo chinesische Billigimporte tatsächlich Schaden verursachen, wie etwa in der Stahlindustrie. Scholz betonte die Bedeutung der Welthandelsorganisation (WTO) und forderte eine stärkere Beachtung ihrer Prinzipien. Die Streitbeilegungsmechanismen der WTO sollten wiederhergestellt werden, damit es weniger Konflikte über Zölle gebe. Er fügte hinzu, China solle auf seine Sonderbehandlung als Entwicklungsland verzichten.

Macron Scholz
Präsident Macron ist aktuell auf Deutschland-Besuch - © Youtube

Deutschland: Enthaltung oder Nein zu Zöllen?

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) hat die deutsche Regierung dazu aufgerufen, bei der anstehenden EU-Abstimmung gegen Strafzölle auf Elektroautos aus China zu votieren. VDA-Präsidentin Hildegard Müller äußerte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur: „Ein Votum der EU-Staaten, ab Ende Oktober hohe zusätzliche Zölle auf E-Pkw aus China zu erheben, wäre ein weiterer Schritt weg von globaler Zusammenarbeit.“ Sie warnte zudem: „Durch diese Maßnahme wächst das Risiko eines globalen Handelskonfliktes weiter an.“

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Wie genau die Bundesregierung abstimmen wird, ist jedoch noch unklar. Es gilt sowohl ein Nein zu den Zöllen als auch eine Enthaltung als möglich. Das Thema dürfte auch bei einem Treffen zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in Berlin zur Sprache gekommen sein, da Macron in der Vergangenheit positiv zu möglichen Strafmaßnahmen gegenüber chinesischen Elektroautos eingestellt war. Macron gilt als einer der prominentesten Befürworter dieser Maßnahmen, da er den europäischen Markt vor einer Flut günstiger Importe schützen will.

Ein Votum der EU-Staaten, ab Ende Oktober hohe zusätzliche Zölle auf E-Pkw aus China zu erheben, wäre ein weiterer Schritt weg von globaler Zusammenarbeit.

Müller betonte weiter: „Die Bundesregierung muss am Freitag klar Stellung beziehen – und nicht zustimmen, sondern ablehnen. Eine Enthaltung ist keine Option. Berlin ist aufgefordert, klar Stellung zu beziehen und gleichzeitig weitere konstruktive Verhandlungen aller Beteiligten fordern.“ Sie plädierte dafür, dass sowohl China als auch die EU kompromissbereit sein müssten.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat wiederholt betont, dass er auf eine diplomatische Lösung mit China setzt und vor den negativen Folgen eines Zollstreits warnt. Bereits seit Anfang Juli müssen für chinesische Elektroautos vorläufige höhere EU-Zusatzzölle in Form von Sicherheitsleistungen hinterlegt werden. Diese Maßnahme basiert auf einer Untersuchung der EU-Kommission, die zeigte, dass Chinas Elektroautoproduktion stark subventioniert wird. Ob diese Zölle dauerhaft erhoben werden, hängt davon ab, ob bis Anfang November eine politische Lösung gefunden wird.

Auch BMW gegen Einfuhr von Strafzöllen

Vor der Entscheidung der EU-Mitgliedstaaten über mögliche Strafzölle auf chinesische Elektroautos hat auch BMW-Chef Oliver Zipse die deutsche Regierung dazu aufgefordert, sich klar gegen die Einführung solcher Maßnahmen zu positionieren. Laut Zipse ist der Wohlstand Deutschlands eng mit offenen Märkten und freiem Handel verknüpft. Zusätzliche Zölle würden global tätigen deutschen Unternehmen schaden und könnten "einen Handelskonflikt heraufbeschwören, der am Ende nur Verlierer kennt". „Deshalb sollte die Bundesregierung klar Position beziehen und in der EU gegen die Einführung von zusätzlichen Zöllen stimmen,“ betonte Zipse.

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BMW betreibt in China ein großes Werk in Kooperation mit dem chinesischen Hersteller Brilliance Automotive, wo zahlreiche Modelle sowohl für den lokalen Markt als auch für den Export produziert werden. Strafzölle auf chinesische Fahrzeuge würden somit auch BMWs Fahrzeuge betreffen, die in China gefertigt und anschließend in die EU exportiert werden. Da BMW in erheblichem Umfang auf die Produktion in China setzt, wären die Zölle ein direkter wirtschaftlicher Nachteil für das Unternehmen. Dies könnte die Kosten für importierte Fahrzeuge erhöhen und somit die Wettbewerbsfähigkeit von BMW in Europa schwächen.

Die deutsche Autoindustrie exportierte im vergangenen Jahr laut VDA Fahrzeuge und Teile im Wert von 26,3 Milliarden Euro nach China. Auf der anderen Seite wurden Autos und Komponenten im Wert von 6,8 Milliarden Euro aus China importiert. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) sieht daher in den Strafzöllen mehr Schaden als Nutzen für die deutsche Wirtschaft.

BMW-Werk in Dadong, China
BMW-Werk in Dadong, China - © BMW

BYD in Österreich bald so vertreten wie Volvo?

Der chinesische Elektroauto-Hersteller BYD hat sich nach etwa einem Jahr auf dem österreichischen Markt etabliert. Mit nur zwei Modellen erreichte das Unternehmen in den ersten drei Quartalen über 2.000 Zulassungen. Insgesamt konnte BYD in diesem Jahr bisher 2.803 Fahrzeuge verkaufen, wie das Unternehmen am Mittwoch bekanntgab. Für das gesamte Jahr plant der Hersteller, 3.000 Zulassungen zu erreichen – das wäre dreimal so viel wie im Vorjahr, dem ersten Jahr seiner Präsenz in Österreich. Zum Vergleich: Volvo verzeichnete in den ersten acht Monaten rund 3.000 verkaufte Fahrzeuge, während Mitsubishi etwa 3.600 verkaufte.

>>> BYD plant Werk in Ungarn: Chance für österreichische Zulieferer?

BYD, bisher vor allem als Hersteller von rein elektrischen Fahrzeugen bekannt, bringt nun auch ein Plug-in-Hybrid-Modell auf den Markt, wie Danijel Dzihic, Managing Director von BYD Österreich, erklärte. Die Fahrzeuge werden über ein Netzwerk von 32 Händlern im ganzen Land angeboten. Dabei setzt der Hersteller auf eine aggressive Preispolitik: Ein reines Elektroauto ist bereits für weniger als 40.000 Euro erhältlich.

BYD Han: "Tesla-Killer" dank spezieller Batterietechnik?
BYD will 2024 auf 3.000 Zulassungen in Europa kommen - fast so viel wie Volvo - © BYD

BYD, der weltweit führende Hersteller von Elektro- und Plug-in-Hybridfahrzeugen, plant die Eröffnung seiner ersten europäischen Produktionsstätte für Elektroautos in Ungarn. Dieses Werk in Szeged wird BYD ermöglichen, die geplanten EU-Strafzölle auf chinesische Elektroautos zu umgehen, da die Fahrzeuge vor Ort in der EU produziert werden. Damit wird die Abhängigkeit von Importen verringert, was BYD einen klaren Wettbewerbsvorteil verschafft und potenzielle Handelskonflikte mit der EU vermeidet.

Für österreichische Zulieferer bietet diese Expansion von BYD enorme Chancen. Die österreichische Automobilzulieferindustrie ist bekannt für ihre hohe Qualität und Innovation, insbesondere im Bereich Hightech-Komponenten wie Halbleiter, Stahl für Fahrzeugrahmen und elektronische Bauteile. BYD plant, verstärkt mit europäischen Partnern zusammenzuarbeiten, um lokale Lieferketten zu stärken. Laut Brian Yang, Managing Director von BYD Europa, sieht das Unternehmen in der österreichischen Industrie großes Potenzial für eine enge Zusammenarbeit. Diese Entwicklung könnte die österreichischen Zulieferer dabei unterstützen, ihre internationalen Aktivitäten weiter auszubauen und von dem starken Wachstum im Elektroautomobilsektor zu profitieren​.

Zölle von bis zu 36 Prozent geplant

Die EU plant die Einführung von Strafzöllen auf chinesische Elektroautos, um unfaire Wettbewerbsbedingungen zu bekämpfen. Auslöser ist eine Untersuchung der EU-Kommission, die ergab, dass chinesische E-Autos stark subventioniert werden. Diese staatlichen Subventionen in China ermöglichen es den Herstellern, ihre Fahrzeuge zu niedrigeren Preisen auf dem europäischen Markt anzubieten. Dadurch sehen europäische Automobilhersteller ihre Wettbewerbsfähigkeit bedroht.

>>> Reaktion auf EU-Zusatzzölle: China plant mögliche Importzölle auf ausländische Verbrenner

Die geplanten Zölle könnten bis zu 36 Prozent betragen und zielen darauf ab, das Preisgefälle zwischen europäischen und chinesischen Elektroautos zu verringern. Die EU argumentiert, dass diese Subventionen den freien Markt verzerren und den Aufbau einer heimischen Elektroauto-Industrie in Europa gefährden.

China reagiert scharf auf die Pläne der EU und wirft ihr Protektionismus vor. Die chinesische Regierung hat bereits angedeutet, dass sie Gegenmaßnahmen in Betracht zieht, sollte die EU die Strafzölle tatsächlich umsetzen. Peking argumentiert, dass solche Maßnahmen die internationalen Handelsbeziehungen belasten könnten und betont, dass chinesische Hersteller lediglich die Nachfrage nach erschwinglichen Elektrofahrzeugen in Europa bedienen​. Der Handelsstreit könnte auch für die österreichischen Bauern Folgen haben. Mitte August hatte China eine Anti-Subventionsuntersuchung gegen importierte Milchprodukte aus der Europäischen Union angekündigt. Europäische Lebensmittel sind in China überaus beliebt.