Insolvenzen in Österreich 2024 : Inflation, Zinsen, Energiekosten: Insolvenzen steigen auf Rekordhoch

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Ein "toxischer Mix" aus hoher Inflation, schwierigen Finanzierungsbedingungen und einem prognostizierten schwachen Wirtschaftswachstum dürfte dazu führen, dass die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Österreich in diesem Jahr auf den höchsten Stand seit 2009 steigen wird.

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Die wirtschaftliche Lage bleibt angespannt und setzt Unternehmen zunehmend unter Druck. Dies spiegelt sich in der steigenden Zahl der Insolvenzen wider. Der Kreditschutzverband KSV1870 berichtet, dass die Firmeninsolvenzen in den ersten neun Monaten des Jahres 2024 im Vergleich zum Vorjahr um fast ein Viertel (24,6 Prozent) auf 4.895 Fälle ansteigen. Besonders auffällig ist der Zuwachs bei großen Insolvenzen: Hier hat sich die Zahl der Fälle mit Passiva über 10 Millionen Euro innerhalb eines Jahres verdoppelt, von 27 auf 55. Auch im privaten Bereich zeigt sich ein leichter Anstieg der Insolvenzen.

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Der finanzielle Druck auf Unternehmen ließ selbst in den Sommermonaten nicht nach. „Die Betriebe sind sehr häufig am Limit und müssen sich vermehrt die Existenzfrage stellen“, erklärte Karl-Heinz Götze, Leiter der Insolvenz-Abteilung des KSV, in einer offiziellen Stellungnahme. Er sieht für die kommenden Monate wenig Hoffnung auf Besserung und prognostiziert bis Jahresende rund 6.500 Insolvenzen. Damit würden die Zahlen das Niveau der letzten Jahre deutlich übertreffen und an das Krisenjahr 2009 erinnern. „Wir beim KSV1870 gehen aktuell davon aus, am Jahresende von einem Insolvenzjahr sprechen zu müssen, das es schon sehr lange nicht mehr gegeben hat“, so Götze weiter.

"Das Thema Pandemie spielt bei den Insolvenzen keine Rolle mehr", erklärte der Geschäftsführer von Creditreform Österreich, Gerhard Weinhofer. "Dafür schlägt die anhaltende Wirtschaftsflaute negativ zu Buche. Die Auftragsbücher leeren sich zunehmend, die Kosten steigen aber weiter, dazu kommen bürokratische Hürden. Die Unternehmen kämpfen an zahlreichen Fronten und verlieren immer öfters diesen Kampf."

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Stimmung schlechter als während der Pandemie

Besonders die Insolvenz von größeren Unternehmen sorgt für Aufsehen. Die Zahl der Großpleiten verdoppelte sich innerhalb eines Jahres, nicht zuletzt aufgrund des Zusammenbruchs der Signa-Unternehmensgruppe. Eine der größten Insolvenzen betrifft die österreichische Tochter des US-Elektrofahrzeugherstellers Fisker, die Verbindlichkeiten in Höhe von 3,79 Milliarden Euro hinterlässt. Insgesamt belaufen sich die Verbindlichkeiten der Unternehmen, die in den ersten drei Quartalen 2024 Insolvenz anmelden mussten, auf 14,8 Milliarden Euro – ein dramatischer Anstieg von 683 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

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In einem Vergleich der Bundesländer verzeichneten Vorarlberg (+74,1 Prozent), das Burgenland (+67,0 Prozent) und die Steiermark (+33,2 Prozent) die stärksten Zuwächse bei Insolvenzen. Wien ist mit nahezu 15 Insolvenzen pro 1.000 Unternehmen am stärksten betroffen, während Tirol mit 5 Insolvenzen pro 1.000 Unternehmen die niedrigste Quote aufweist.

In der Branchenanalyse zeigen sich Handel, Baugewerbe und Gastronomie als die besonders betroffenen Sektoren. Mit 853 Insolvenzen ist der Handel führend, gefolgt von 814 Fällen im Baugewerbe und 596 in der Gastronomie. Diese drei Branchen tragen fast die Hälfte aller Unternehmensinsolvenzen in Österreich.

Laut einer Umfrage von Creditreform ist die Stimmung unter österreichischen Unternehmen derzeit pessimistischer als während der Pandemie. Die Geschäftsaussichten sind durch sinkende Erträge, rückläufige Aufträge und geringere Investitionen geprägt – ein so negatives Geschäftsklima hat es seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben.

Österreich steuert auf höchste Firmenpleiten seit 2009 zu

Ein besorgniserregender Mix aus hoher Inflation, schwierigen Finanzierungsmöglichkeiten und schwachem erwarteten Wirtschaftswachstum könnte die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Österreich dieses Jahr auf den höchsten Stand seit 2009 treiben. Gerhard Weinhofer, der Leiter von Creditreform Österreich, prognostiziert für 2024 mehr als 7.000 Firmenpleiten. "Zuletzt gab es am Höhepunkt der Finanzkrise 2009 derart viele Insolvenzen", erklärte Weinhofer während eines Pressegesprächs am Dienstag.

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Seit den 1990er Jahren wurde diese Marke sonst nicht überschritten, wie aus den Aufzeichnungen der Kreditschützer hervorgeht. Ein weiter erschwerender Faktor im Vergleich zu 2009 sei das geänderte wirtschaftliche Umfeld. "Das Gesamtumfeld war damals positiver. Die EZB hat die Zinsen gesenkt und für Firmen war es dadurch leichter, sich zu refinanzieren", so Patrik-Ludwig Hantzsch, der Leiter der Wirtschaftsforschung bei Creditreform in Neuss.

Inflation, Zinsen, Energiekosten und auch die Nachwehen von Corona haben viele Unternehmen massiv belastet.
Patrik-Ludwig Hantzsch, der Leiter der Wirtschaftsforschung bei Creditreform

Pleiten steigen auf Rekordhoch

Im letzten Jahr verzeichnete Österreich 5.490 Firmenpleiten, was einem Anstieg von fast 12 Prozent gegenüber 2022 entspricht. Insbesondere in der Handels- und Baubranche häuften sich die Insolvenzen. Auch zu Beginn des Jahres 2024 hielt der negative Trend an: Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen stieg um beeindruckende 47 Prozent auf fast 2.000, wobei der Handel erneut die am stärksten betroffene Branche darstellte. Allein im ersten Quartal verdoppelten sich die Pleiten im Handelssektor nahezu auf 410 betroffene Unternehmen.

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Im ersten Quartal kam es rund um das Immobilienunternehmen Signa und den Tiroler Geschäftsmann Rene Benko zu einer Häufung von Insolvenzen. Dies führte zu einem deutlichen Anstieg der Verbindlichkeiten. Allein die Schulden der Benko Privatstiftung und der zur Lamarr-Rohbau-Firma gehörenden Projektgesellschaft für das Immobilienprojekt an der Mariahilfer Straße 10-18 belaufen sich auf mehr als eine Milliarde Euro.

Ein weiteres besorgniserregendes Phänomen ist die zunehmende Zahl der Insolvenzen, die mangels Masse nicht eröffnet werden können. Mehr als ein Drittel (37 Prozent) der Unternehmen kann nicht einmal die 4.000 Euro aufbringen, die zur Deckung der Gerichtskosten erforderlich wären. In solchen Fällen gehen die Gläubiger meist leer aus, da es keine verwertbaren Vermögenswerte gibt.

Vienna, Austria - 12 29 2023 - Headquarter of the insolvent real estate company Signa Holding in downtown Vienna
Zentrale der insolventen Signa in Wien. - © Spitzi-Foto - stock.adobe.com

Insolvenzen im Europa-Vergleich

Ähnliche Insolvenztrends wie in Österreich wurden letztes Jahr auch in anderen westeuropäischen Staaten beobachtet. In 17 von Creditreform untersuchten Ländern, inklusive Österreich, stieg die Zahl der Unternehmensinsolvenzen um etwa 20 Prozent auf fast 170.000 Fälle – der höchste Stand seit 2016. "Inflation, Zinsen, Energiekosten und auch die Nachwehen von Corona haben viele Unternehmen massiv belastet", erklärte Hantzsch.

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In den meisten westeuropäischen Ländern nahmen die Insolvenzen zu, mit besonders hohen Zuwächsen in den Niederlanden (plus 55 Prozent) und Frankreich (plus 36 Prozent). Auch in Schweden, Irland, Finnland, Norwegen und Deutschland stiegen die Zahlen um mehr als 20 Prozent. Dagegen verzeichneten Dänemark, Luxemburg, Spanien und Portugal Rückgänge. Der Anstieg war im Handels- und Gastgewerbesektor sowie im Baugewerbe mit fast 25 bzw. 22 Prozent besonders stark, während der Dienstleistungssektor einen moderateren Anstieg von 16 Prozent erlebte. Im verarbeitenden Gewerbe beschleunigte sich der Anstieg der Insolvenzen auf fast 20 Prozent, was höher ist als im Vorjahr, obwohl die Zahlen laut Creditreform noch knapp unter denen von 2019 liegen.

In Osteuropa stiegen die Insolvenzzahlen ebenfalls, hier jedoch mit einem moderateren Anstieg von 8 Prozent. Hauptursache für die Zunahme war laut Creditreform Ungarn. Insgesamt wurden im Jahr 2023 fast 65.000 Unternehmensinsolvenzen in Osteuropa registriert, gegenüber etwa 60.000 im Vorjahr. In sechs der zwölf untersuchten Länder gingen die Insolvenzzahlen zurück, wobei die größten Rückgänge in Kroatien (minus 22 Prozent) und Lettland (minus 21 Prozent) verzeichnet wurden. Anstiege gab es neben Ungarn auch in Estland, der Slowakei, Serbien und Tschechien.

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