Wettbewerbsfähigkeit : Damoklesschwert über dem Standort Österreich

Österreich steckt in einer echten Wirtschaftskrise.
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Österreich hat derzeit den höchsten Anstieg der Lohnstückkosten in der EU, die dritthöchste Steuer- und Abgabenquote und trotz eines leichten Rückgangs in den letzten Monaten immer noch eine doppelt so hohe Inflation wie der EU-Durchschnitt. Auch die Energiekosten für Unternehmen liegen im Schnitt immer noch 50 bis 80 Prozent höher als in unseren Nachbarländern.

Im Herbst 2023 haben die Gewerkschaften in langwierigen und verbal völlig unterbelichteten Verhandlungen (Gewerkschafter Reinhold Binder: „Mit den Einmalzahlungen kann‘s scheißen gehen!“) hohe Lohnabschlüsse durchgesetzt. Fairerweise muss man zugeben, dass die hohe Inflation nicht das Werk der Gewerkschaften war und es ein berechtigtes Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gab, den Reallohnverlust des Jahres 2023 auszugleichen. Immerhin haben die Lohnerhöhungen die Kaufkraft nominell stabilisiert.

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Doch die Rechnung wurde oft ohne den Wirt gemacht. Im Handel hagelt es Insolvenzen und Entlassungen, die Industrie ist im Krisenmodus und immer mehr Unternehmen kündigen Stellenstreichungen an. Zuletzt 70 Kündigungen bei AVL in Graz, knapp 300 Arbeitsplätze bei KTM, 500 bei Lenzing. Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Dazu kommt, dass die Zahl der offenen Stellen laut AMS im Jahresvergleich deutlich um 20 Prozent zurückgegangen ist.

WIFO und IHS haben ihre Prognosen gerade wieder nach unten korrigiert. Mittlerweile sollte es in Österreich jedem klar sein: Wir befinden uns in einer veritablen Wirtschaftskrise. Trotz zuletzt angekündigter „Konjunkturpakete“ wie dem Wohnbaupaket der Regierung wird viel zu wenig getan, um den Wirtschaftsstandort wettbewerbsfähig zu halten.

Im Handel hagelt es Insolvenzen und Kündigungen, die Industrie ist im Krisenmodus und immer mehr Unternehmen verkünden StellenstreichuInzwischen müsste es wirklich jedem in Österreich klar sein: Wir sind in einer veritablen Wirtschaftskrise

In der Geiselhaft der Gewerkschaften

Die Lohnkosten sind in den letzten drei Jahren aufgrund der inflationsbedingt hohen Lohnabschlüsse kumuliert teilweise um bis zu 30 Prozent gestiegen! Das bedeutet, dass die Betriebe inklusive aller Lohnnebenkosten 50 bis 60 Prozent höhere Personalkosten zu tragen haben. Das ist für viele Betriebe kaum mehr zu verkraften und jetzt steht der Sommer vor der Tür und damit auch die Urlaubszeit. Man darf gespannt sein, wie viele Betriebe im Herbst noch zahlungsfähig sein werden.

Aber wie man aktuell bei den Lohnverhandlungen bei der Lufthansa-Tochter AUA sieht, fordern die Gewerkschaften trotz bereits gesunkener Inflation immer noch Lohnerhöhungen, die über der Inflationsgrenze liegen. Diese völlig unverantwortlichen und rhetorisch längst unter der Gürtellinie geführten Lohnverhandlungen in der Luftfahrt werfen einen Schatten auf die großen Lohnrunden im Herbst. So kann es nicht weitergehen. Was den Unternehmern längst klar ist, dämmert auch immer mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Ohne Arbeitsplätze keine Löhne.

Jetzt steht der Sommer vor der Tür und damit die Urlaubszahlungen. Man darf gespannt sein, wie viele Betriebe im Herbst noch solvent sein werden.

Sozialpartnerschaft in massiver Verantwortung

Während von der Politik im Wahljahr nicht viel mehr als vollmundige Versprechungen und Wahlzuckerl zu erwarten sind, die erst in der Zukunft wieder von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern bezahlt werden müssen, wäre es längst an der Zeit, dass die Sozialpartnerschaft aus ihrem Wachkoma erwacht und Verantwortung für den Standort Österreich übernimmt, so wie sie es in den vergangenen Jahrzehnten getan und sich dabei viele Verdienste erworben hat.


Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer, Landwirtschaftskammer und der Österreichische Gewerkschaftsbund sind massiv in der Verantwortung, ihre einseitige Klientelpolitik und das gegenseitige Ausspielen zu beenden. Es geht um die Zukunft unserer Volkswirtschaft. Arbeitnehmer und Arbeitgeber brauchen einander. Es ist jetzt höchste Zeit, dass die großen Vier in Verhandlungen treten und gemeinsam ein Modell für einen zukunftsfähigen Wirtschaftsstandort Österreich vertreten, das die Interessen der Wirtschaft ebenso berücksichtigt wie die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Es muss aber für beide Seiten leistbar sein. In Zeiten galoppierender Inflation hat sich gezeigt, dass die bewährte Benya-Sallinger-Formel für Lohnverhandlungen nicht mehr zeitgemäß ist. Neue Vereinbarungen sind dringend notwendig.

Ein Stahlarbeiter bearbeitet in Schutzkleidung heißen Stahl.
Die Lohnstückkosten galoppieren in Österreich davon. Immer mehr Betriebe müssen Stellen abbauen. Vor allem Industriebetriebe sind betroffen. Lohnsteigerungen nützen nichts, wenn die Arbeitsplätze verloren gehen. - © Laurentiu Iordache - stock.adobe.com
Was den Wirtschaftstreibenden längst klar ist, dämmert auch immer mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern: ohne Arbeitsplätze auch keine Löhne.

Was im Herbst droht

Die großen Herbstlohnrunden, vor allem im Handel und in der Metallindustrie, könnten die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs endgültig ruinieren, wenn wieder Lohnsteigerungen im hohen einstelligen Bereich anstehen. Bei sektoralen KV-Erhöhungen um die 10 Prozent würde das bedeuten, dass in vier Jahren die Lohnstückkosten in Österreich um 50 Prozent gestiegen wären. Und wir waren schon vorher kein Niedriglohnland. Das Problem ist, dass Lohnerhöhungen nicht einmalig, sondern dauerhaft sein müssen.

Einmalzahlungen wollen die Gewerkschaften nicht als Kompensation akzeptieren. Davon wird man sich aber verabschieden müssen. Die Tarifverhandlungen in Deutschland für die Eisenbahner haben gezeigt, wie man sich einigen kann. Lohnerhöhungen für mehrere Jahre vertraglich festschreiben und auf das Streikrecht verzichten - das wäre ein Kompromiss, der den Unternehmen Planungssicherheit für mehrere Jahre gibt.

Wenn die Sozialpartner ihre Verantwortung nicht wahrnehmen, wird es auch ein weiteres Abdriften der Wählerinnen und Wähler zu den politischen Extremen geben und das ist ein weiteres Problem für den Standort Österreich. Politische Stabilität war immer einer unserer wichtigsten Wettbewerbsvorteile.