Jenbacher-Motoren : Grüner Wasserstoff bei Innio: "Ein big bang"

Innio-CTO Andreas Kunz bei Wasserstoff-Prüfstand mit Kunden aus Südkorea

Innio-CTO Andreas Kunz bei Wasserstoff-Prüfstand mit Kunden aus Südkorea

- © Innio

INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Kunz, 2020, dem Jahr Ihres Eintritts ins Unternehmen, sorgte Innio für Schlagzeilen: Erstmals wurde ein Gasmotor aus Jenbach auf ein variables Wasserstoff-Erdgas-Gemisch umgerüstet. Der Motor verrichet seither nun in einem Wasserstoff-Blockheizkraftwerk in Hamburg-Othmarschen seinen Dienst. War das eine Meldung nach Ihrem Geschmack?

Andreas Kunz:
Ja. In der 1-Megawatt-Klasse war das ein durchaus schöner Erfolg. Vor allem auch deshalb, weil es ein umschaltbarer Betrieb ist. Wir haben die Wettbewerber-Welt aufgeschreckt (lacht).

Dürfen Sie über Stückzahlen reden? Wieviele Wasserstoffmotoren produziert Innio In Tirol?


Kunz:
Sie sehen das Ausmaß jetzt schon in Jenbach. Gerade steht ein vollständig von uns entwickelter und produzierter Wasserstoffmotor vor der Auslieferung an einen Kunden. Das ist eine von sechs Wasserstoffanlagen, der in die Niederlanden geht. Abnehmer ist der Datencenterbetreiber NorthC in Eindhoven. Betreiber solcher Rechenzentren wollen sich ökologisch neu ausrichten und absichern.

In vorliegendem Projekt dient unser Antrieb als Notstromlösung. [RS(1] Ein weiterer Kunde, der Antriebshersteller Hyosung Heavy Industries, ist nicht minder spannend. Südkorea wird gerne Land der Brennstoffzelle genannt. Doch hier will der Kunde sein Werk mit unserer Lösung die Wärme und Strom liefert effizient dekarbonisieren. All diese Projekte sind vollständig mit Jenbach identifizierbar. Die Entwicklungen laufen seit mehr als zwei Jahrzehnten, damals fingen wir im Kleinmotorenbereich mit 150 Kilowatt an.

Stadtwerke-Kiel-Technikchef Jörg Teupen und Ihr Managementkollege Olaf Berlien unterzeichneten kürzlich eine Absichtserklärung zur Umrüstung des Küstenkraftwerks in Kiel in Europas modernstes, vollständig mit grünem Wasserstoff betriebenes Großmotoren-Heizkraftwerk bis 2035. Das klingt sportlich.


Kunz:
Aber es ist realistisch (lacht). Ich gebe Ihnen in einem Punkt recht: Wir sind dann den Klimazielen der deutschen Regierung um ein Jahrzehnt voraus. Wir koppeln intelligent Wärme und Strom.

Als Techniker blutet mir das Herz, sehen zu müssen, wie es - ganz allgemein gesprochen - um die Verfügbarkeit von Wasserstoff in Europa steht. Viele Ankündigungen bleiben Lippenbekenntnisse. Auch bei der Nutzung von verfügbaren alternativen Gasen hinkt Europa leider hinterher.

Gasmotorenherstellung in Jenbach: "Ausmaß der Wasserstoffstrategie schon jetzt zu sehen"

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Bald nachhaltigste Stadt Chinas?

Innio gab Ende März bekannt, dass die Wuhan Environmental Investment and Development Co., Ltd (WEID) sechs weitere Jenbacher J320 Motoren für das Deponiegasprojekt auf der Wuhan Jiangxia Changshankou Haushaltsmülldeponieanlage in Betrieb genommen hat.

Der Distributor von Innio, die Guangzhou Shenfa Electromechanical Industrial Development Co, Ltd. (Shenfa), lieferte die Container für die Gensets, die Aufbereitungsanlage für das Deponiegas und die Abgasnachbehandlungsanlage. Zudem übernimmt Shenfa auch weiterhin den technischen Service für den Kunden.

Damit sind in diesem Projekt nun 14 Jenbacher J320 Gensets mit einer installierten Gesamtleistung von 14,9 Megawatt in Betrieb. Sie unterstützen Wuhan bei der Umsetzung ihres Ziels, die nachhaltigste Stadt Chinas zu werden. Im Jahr 2020 entschied sich WEID für die bewährte Technologie von INNIO zur Energiegewinnung aus Deponiegas – und installierte acht J320 Gensets für die erste Phase des Deponiegasprojekts Changshankou in Wuhan.

Die Inbetriebnahme dieser Gensets erfolgte im April 2021. Überzeugt von der technischen Zuverlässigkeit der Jenbacher Motoren und dem Service von Shenfa bestellte WEID für die zweite Phase des Deponiegasprojekts im April 2022 sechs weitere J320 Gensets . Damit liefert die Anlage nun genug Strom, um 35.000 Haushalte in Wuhan zu versorgen. Die sechs neuen Jenbacher Motoren wurden im Dezember 2022 in Betrieb genommen.

Deponiegasanlage in Wuhan: Unterwegs zur Benchmark
Deponiegasanlage in Wuhan: Unterwegs zur Benchmark in China - © Innio

In Jenbach will Innio bis 2025 eine vollständige Prozesskette für die Nutzung grünen Wasserstoffs auf die Beine stellen. Der Wasserstoff soll per Pipeline von der Tiwag-Tochter Tinext kommen, Innio wird ihn für unter anderem Prüfläufe von Wasserstoffmotoren einsetzen. Ein Gamechanger?

Kunz:
Wie der Übergang zu einer dezentralen, klimaneutralen Versorgung der Industrie möglich ist und was es zu einer intelligenten Kopplung braucht, zeigen wir heute schon im Kleinmaßstab. Wir haben ein Mikrogrid, das alle diese Fragen beantwortet. Die eigene Wasserstoff-Pipeline mit eigenem Elektrolyseur ist noch einmal eine ganz andere Nummer.

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Alle Technologien – Kraft-Wärme-Kopplung mit Wärmespeicher sowie Power-2-Heat Modulen bis zur PV-Anlage und Batteriespeicher – in einer Wirkungskette nicht nur betrachten, sondern auch über diverse digitale Services intelligent steuern zu können, ist einmalig. Das ist ein big bang. Der Vorführeffekt wird nicht ausbleiben.


Innios Hauptgeschäft sind Lösungen zur Kraft-Wärme-Koppelung, die energetischen Verluste bei der Verwendung von Wasserstoff sind marginal. Das wird die Thermodynamiker bei Innio freuen, oder?


Kunz:
Die und viele weitere Domänenexperten im Haus, die mit uns den Weg dieser selbst auferlegten Dekarbonisierungsstrategie gehen. Das ist das spannende bei Wasserstoff: Es braucht eine Reihe von ingenieurswissenschaftlichen Disziplinen, die hier interdisziplinär zusammenarbeiten. Bis hin zu den rund 2.100 Servicetechnikern für unsere weltweiten Anlagen.

Aber auch Unternehmensgrenzen überschreitende Initiativen. Im Grazer Großmotoren-Forschungszentrum LEC etwa arbeiten wir mit Forschern und Experten von Unternehmen wie AVL, Bosch oder Miba eng in der Vorentwicklung zusammen.

ZUR PERSON

Andreas Kunz ist seit 2020 CTO von Innio und verantwortet damit den gesamten Technologiebereich der Gruppe. Zuvor arbeitete der studierte Maschinenbauer und Verfahrenstechniker bei der Rolls-Royce Power Systems AG in Friedrichshafen, wo er zuletzt als Vice President Engineering für alle Motorenplattformen zuständig war.

Andreas Kunz, CTO Innio