BMW, Volkswagen und Co. : Deutsche Autoindustrie mit starkem Umsatzrückgang

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Die schwächelnde deutsche Autoindustrie hat im ersten Halbjahr einen Umsatzrückgang von 4,7 Prozent wegstecken müssen.

- © APA/dpa/Julian Stratenschulte

Die deutsche Autoindustrie verzeichnete im ersten Halbjahr 2024 einen Umsatzrückgang von 4,7 Prozent. Laut Angaben des Statistischen Bundesamtes erzielte die Branche (ohne Zulieferindustrie) rund 269,5 Milliarden Euro, nachdem im Vorjahreszeitraum noch ein Rekordumsatz von 282,6 Milliarden Euro erzielt worden war – vor allem aufgrund gestiegener Preise.

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Trotz des Rückgangs bleibt die Automobilindustrie mit einem Anteil von 25,2 Prozent am Gesamtumsatz der deutschen Industrie die umsatzstärkste Branche. Der Umsatzrückgang betraf alle Herstellungsbereiche: Bei Karosserien, Aufbauten und Anhängern sank der Umsatz um 11,6 Prozent, bei Teilen und Zubehör um 5,4 Prozent und in der Herstellung von Kraftwagen und -motoren um 4,3 Prozent.

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70% des Umsatzes im Ausland erzielt

Der Export bleibt für die Branche entscheidend: Rund 70 Prozent des Gesamtumsatzes (etwa 190 Milliarden Euro) wurden im Ausland erzielt – der höchste Anteil der letzten 15 Jahre. Zwischen Januar und Juni wurden etwa 1,7 Millionen Pkw im Wert von 68,4 Milliarden Euro exportiert, was im Vergleich zum Vorjahr fast unverändert blieb (minus 0,3 Prozent).

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Von den exportierten Neuwagen hatte knapp jeder vierte (22,7 Prozent) einen reinen Elektroantrieb. Die Exporte von E-Autos gingen zwar im Vergleich zum Vorjahr leicht zurück (minus 2,5 Prozent), lagen aber immer noch mehr als doppelt so hoch wie im ersten Halbjahr 2022 (plus 113,9 Prozent).

Ende Juni 2024 waren in der Autoindustrie ohne Zulieferer etwa 773.000 Menschen beschäftigt, was einem Rückgang von 0,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Zum Vergleich: „Innerhalb der letzten 15 Jahre gab es die meisten Beschäftigten zum Ende der ersten Jahreshälfte 2019 mit rund 834.000.“ Rund 14 Prozent der Industriearbeitsplätze in Deutschland entfallen auf die Autobranche, die damit nach dem Maschinenbau (952.000 Mitarbeitende) die zweitgrößte Industriebranche ist.

Aktuell rückt der Sparkurs von Volkswagen die Herausforderungen der Branche ins Rampenlicht. Neben Volkswagen haben auch Mercedes-Benz und BMW ihre Ziele gesenkt, unter anderem aufgrund der schwachen Nachfrage in China.

Werk-Auslastung zu gering

Die großen deutschen Hersteller wie Volkswagen, BMW und Mercedes-Benz kämpfen mit sinkenden Absatzzahlen und hohen Kosten für den Übergang zur Elektromobilität. Das belastet die Gewinne erheblich. Volkswagen verzeichnete im ersten Halbjahr einen Gewinnrückgang von 14 Prozent, BMW um fast 15 Prozent und Mercedes-Benz um knapp 16 Prozent. Alle drei Konzerne haben bereits ihre Jahresziele nach unten korrigiert, zuletzt BMW. Laut dem Ifo-Institut blickt die Branche mit großer Unsicherheit in die Zukunft.

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Ein weiteres Problem sind die unterausgelasteten Produktionswerke. Deutsche Fabriken von Volkswagen, BMW und Mercedes erreichten 2023 durchschnittlich nur eine Auslastung von etwas über zwei Dritteln, so der Datenanbieter Marklines. Während die Produktionskapazität bei 6,2 Millionen Fahrzeugen pro Jahr liegt, wurden 2023 nur 4,1 Millionen Autos gebaut. „Die Industrie produziert mit viel Personal deutlich weniger Fahrzeuge als früher“, erklärt Eric Heymann von Deutsche Bank Research. Dies führe zu einer sinkenden Produktivität.

Auch Zulieferer-Industrie betroffen

Die Krise trifft auch die Zulieferindustrie hart, die etwa 270.000 Beschäftigte zählt. Schon jetzt planen 60 Prozent der Unternehmen, so eine Umfrage der Beratungsgesellschaft Horvath, Stellen abzubauen. ZF, ein führender Zulieferer, will bis 2028 bis zu 14.000 Arbeitsplätze in Deutschland streichen. Continental erwägt sogar, sein Zuliefergeschäft abzuspalten und an die Börse zu bringen.

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Die Probleme der Automobilbranche verdeutlichen die strukturellen Schwächen des Standorts Deutschland. Laut ING-Volkswirt Carsten Breszki liegt die Industrieproduktion auch viereinhalb Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie noch immer zehn Prozent unter dem Vorkrisenniveau. Das alte Geschäftsmodell, das auf billiger Energie und großen Exportmärkten beruhte, funktioniert nicht mehr. Angesichts von Handelskonflikten und einer schwächelnden Wirtschaftsdynamik in den USA und China bleibt eine schnelle exportgetriebene Erholung unwahrscheinlich. Der Export war stets der Wachstumsmotor der deutschen Automobilindustrie. Von den 4,1 Millionen in Deutschland produzierten Fahrzeugen wurden 2023 laut VDA etwa 3,1 Millionen ins Ausland exportiert. Doch auch hier gibt es Veränderungen: „Die Gewichte im Weltmarkt verschieben sich“, so die VDA-Sprecherin. Besonders die Märkte in Europa und Nordamerika schrumpfen, während China und Indien stark wachsen – zunehmend beliefert von lokalen Herstellern.

Konkurrenz aus China

Die deutsche Automobilindustrie steht zudem vor wachsender Konkurrenz aus China. BYD hat Volkswagen bereits als Marktführer in China abgelöst. "Vor dem Hintergrund der großen Investitionen in Zukunftstechnologien stehen die Unternehmen in einem intensiven Wettbewerb", betont die VDA-Sprecherin. Vor allem neue Player, die sich ganz auf Elektrofahrzeuge konzentrieren, machen den etablierten Herstellern das Leben schwer.

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Trotz der Herausforderungen gibt es nach Einschätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Chancen für die deutsche Autoindustrie. „Die Automobilhersteller haben alle Möglichkeiten und Fähigkeiten, sich im globalen Wettbewerb zu behaupten“, so DIW-Präsident Marcel Fratzscher. Allerdings sei es notwendig, die Innovationskraft zu nutzen, um den Wandel zur Elektromobilität und zum autonomen Fahren schneller voranzutreiben. "Die Behauptung, der Verbrennungsmotor sei zukunftsfähig, ist ein gefährlicher Irrglaube." Weltweit sei die Entscheidung zugunsten des Elektroautos bereits gefallen.

Deutscher Wirtschaftsminister stellt Unterstützung in Aussicht

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat der angeschlagenen deutschen Autoindustrie Unterstützung zugesichert. Nach Gesprächen mit Vertretern der Branche betonte Habeck, dass es keine kurzfristigen Maßnahmen oder „Strohfeuer“ geben werde, sondern eine langfristige Planbarkeit im Vordergrund stehe. In der Runde habe Einigkeit darüber bestanden, „dass wir unter dieser Bedingung über verschiedene Möglichkeiten gesprochen haben." Konkrete Fördermaßnahmen nannte Habeck jedoch nicht.

Wichtig sei, dass mögliche Maßnahmen rückwirkend gelten könnten. Die Bundesregierung werde die nächsten Schritte intern beraten, wobei der regelmäßige Austausch mit der Autoindustrie fortgesetzt werde.

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Habecks Hinweise auf „Strohfeuermaßnahmen“ könnten auf Vorschläge innerhalb der SPD abzielen. SPD-Wirtschaftspolitiker haben sich für eine „Abwrackprämie 2.0“ ausgesprochen, die Anreize für den Kauf von E-Autos schaffen soll. Geplant ist ein Bonus von 6.000 Euro für den Kauf eines neuen Elektroautos, wenn ein altes Verbrennermodell verschrottet wird, und 3.000 Euro für den Kauf eines gebrauchten E-Autos.

Zudem kündigte Habeck Unterstützung auf EU-Ebene an, insbesondere in Bezug auf die Flottengrenzwerte für CO2-Emissionen. Diese sollen schrittweise verschärft werden, wobei eine Revision ursprünglich für 2026 geplant ist. „Es war der Wunsch der Runde, dass wir uns dafür einsetzen, dass dies bereits im nächsten Jahr erfolgt. Dem will ich gerne folgen", sagte Habeck.

Er dämpfte jedoch die Erwartungen und erinnerte daran, dass es sich um ein europäisches Programm handle. Andere Länder hätten nicht die gleichen Herausforderungen wie Deutschland, und in der Verkehrspolitik habe Deutschland in der Vergangenheit wenig Fortschritte gemacht, etwa beim Thema E-Fuels.

Der unerwartete Wegfall der E-Auto-Prämie im letzten Jahr führte zu einem starken Rückgang der Nachfrage nach Elektrofahrzeugen. Für die Hersteller bringt dies gleich mehrere Probleme: Die Werke sind unterausgelastet und ab 2025 drohen aufgrund der strengeren EU-Flottenziele hohe Strafzahlungen wegen verfehlter CO2-Reduktionen.

Deutschlands Wirtschaftsminister Robert Habeck
Deutschlands Wirtschaftsminister Robert Habeck - © Wikipedia