IAA Transportation 2024 : Chinesische Lkw-Hersteller Sinotruk und Dongfeng drängen auf den europäischen Markt - Konkurrenz für Daimler und Co.?
Der Wettbewerb auf dem europäischen Lkw-Markt spitzt sich zu: Mit Sinotruk und Dongfeng treten zwei führende chinesische Nutzfahrzeughersteller entschlossen an, auch in Europa Fuß zu fassen. Auf der IAA Transportation in Hannover präsentieren sie diese Woche ihre innovativen batterieelektrischen und wasserstoffbetriebenen Modelle. Doch der Schritt nach Europa ist alles andere als einfach, denn die Konkurrenz ist stark: Etablierte Hersteller wie Daimler, MAN, Scania und Volvo dominieren den Markt seit Jahrzehnten und haben sich fest etabliert.
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Sich gegen die europäischen Lkw-Giganten durchzusetzen, sei jedoch keine leichte Aufgabe, so die Einschätzung des chinesischen Batterieherstellers CATL. „Die lokalen Hersteller sind sehr aktiv in der Elektrifizierung“, erklärte Akin Li, verantwortlich für das Auslandsgeschäft bei CATL, gegenüber Reuters. Als Beispiel nannte er Daimler Truck, die auf der IAA ihren ersten vollelektrischen Schwerlaster, den eActros 600, vorgestellt haben. „Sie fördern diese neue Technologie.“ Doch um sich langfristig durchzusetzen, müsse man nicht nur technologisch überzeugen, sondern auch die wichtigen Flottenkunden gewinnen, fügte Li hinzu.
Heimische Hersteller dominieren LKW-Markt
Anders als der Pkw-Markt wird der Lkw-Markt in Europa stärker von heimischen Herstellern dominiert. Neben technologischen Innovationen spielt auch das dichte Werkstattnetz sowie die schnelle Verfügbarkeit von Ersatzteilen eine entscheidende Rolle. Trotzdem verzeichneten chinesische Lastwagenhersteller in den letzten Jahren wachsende Exportzahlen: „Nach Daten des Fachportals www.chinatrucks.com stiegen sie 2023 um 58 Prozent auf 276.000 Fahrzeuge.“ Der Anteil der Exporte am Absatz der chinesischen Hersteller wuchs von 26 auf über 30 Prozent, wobei Lateinamerika und Asien die wichtigsten Zielregionen waren.
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Trotz der Konkurrenz aus China zeigt sich Daimler Truck gelassen. Die designierte Chefin des Unternehmens, Karin Radström, erklärte selbstbewusst: „So lange wir uns darauf fokussieren, unsere Sache gut zu machen, sind wir zuversichtlich, auch diese Konkurrenz zu meistern.“
Auf der diesjährigen IAA zeigten sich die chinesischen Anbieter stark vertreten. „Mit fast 464 Ausstellern präsentierten sich fast genauso viele Firmen aus China wie aus Deutschland“, so ein Sprecher der Messe. Dennoch spiegelte sich das nicht in der genutzten Ausstellungsfläche wider: „Die chinesischen Anbieter buchten nur zehn Prozent der Fläche, während die deutschen fast die Hälfte belegten.“
Der Aufsichtsrat des Stuttgarter DAX-Konzerns Daimler Truck gab Anfang September bekannt, dass Karin Radström mit Wirkung zum 1. Oktober 2024 zur neuen Vorstandsvorsitzenden ernannt wurde. Die Schwedin tritt damit die Nachfolge von Martin Daum an, der sein Amt im beiderseitigen Einvernehmen zum 30. September 2024 vorzeitig niederlegt.
„So lange wir uns darauf fokussieren, unsere Sache gut zu machen, sind wir zuversichtlich, auch diese Konkurrenz zu meistern.“Karin Radström
Diesel rückt in den Hintergrund
Auf der diesjährigen IAA Transportation Messe scheint der klassische Dieselantrieb zunehmend in den Hintergrund zu rücken. Stattdessen dominieren elektrisch betriebene Lastwagen und Transporter die Stände der Aussteller. Hersteller präsentieren ihre neuesten batterieelektrischen Fahrzeuge und bieten sogar Probefahrten an. Dabei handelt es sich längst nicht mehr nur um Konzepte oder Zukunftsvisionen. "Wir sind jetzt bereit zu liefern", betont Scania-Chef Christian Levin.
Auch Daimler-Truck-CEO Martin Daum unterstreicht diesen Wandel: „2024 steht für uns nun ganz klar im Zeichen der Umsetzung.“ Eine aktuelle Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC prognostiziert, dass bis 2030 jeder fünfte neue Lkw weltweit rein elektrisch unterwegs sein könnte. Bis 2040 könnten es sogar 90 Prozent sein. Während viele Pkw-Fahrer noch zögern, auf Elektroantriebe umzusteigen, rechnen Experten damit, dass für Fuhrunternehmen der elektrische Lkw bald kostengünstiger als Diesel sein wird. „Vielfach könne ein Elektro-Lkw bei den Gesamtkosten aus Anschaffung und Betrieb schon jetzt mit dem Dieselantrieb mithalten“, erklärt Daum.
Allerdings spiegeln die Verkaufszahlen diese Entwicklung noch nicht wider. Laut dem europäischen Herstellerverband ACEA waren im ersten Halbjahr 2024 lediglich 1,9 Prozent der neu zugelassenen Lkw in Europa elektrisch. „Das Angebot an emissionsfreien Lkw und Bussen ist jetzt vorhanden“, betont Levin, der auch die VW-Lkw-Holding Traton leitet. „Die Verkäufe sind aber immer noch viel zu niedrig.“ Er fordert daher von der Politik mehr Anreize, um den Umstieg auf Elektroantriebe zu fördern. "Ich wünsche mir von der Politik einen klaren Weg zur Kostengleichheit zwischen Elektro- und Dieselantrieben."
LKW-Hersteller vor doppelter Herausforderung
Gleichzeitig stehen die Lkw-Hersteller vor einer doppelten Herausforderung: Während der Fokus auf der Entwicklung von Elektro-Lkw liegt, müssen sie weiterhin in Dieselantriebe investieren. „Über die gesamte Transformation wird daneben der Diesel-Antrieb bis zu seiner vollständigen Ablösung weiterhin eine wichtige Rolle spielen“, erklärt MAN-Chef Alexander Vlaskamp. Zudem sieht er die Brennstoffzelle als Nischenlösung für bestimmte Spezialanwendungen.
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MAN verfolgt eine flexible Produktionsstrategie, indem es alle Antriebe – Diesel, Elektro und Brennstoffzelle – auf einer Linie fertigt. „So können wir flexibel auf den Nachfragewandel hin zum Elektro-Lkw reagieren“, so Vlaskamp. Im Gegensatz dazu hat VW mehrere Werke komplett auf Elektroantriebe umgestellt, was aufgrund der derzeit schwachen Nachfrage zu Produktionsausfällen führt. Bei der VW-Kernmarke sind Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen nicht mehr ausgeschlossen.
Diese Herausforderungen treffen die Nutzfahrzeugindustrie in einer schwierigen Phase. Im August 2024 sank der Absatz von Nutzfahrzeugen in Europa um 37 Prozent. „Es gibt eine große Zurückhaltung in Deutschland“, beobachtet Traton-Chef Levin. „Die Kunden warten darauf, dass die deutsche Wirtschaft durch Investitionen wieder an Fahrt aufnimmt und die Zinsen sinken.“
Auch bei kleineren Transportern ist die Lage angespannt. „Wir sind uns bewusst, dass viele Märkte sich gerade abkühlen“, erklärt Carsten Intra, Leiter von VW Nutzfahrzeuge. „Das zweite Halbjahr wird herausfordernd.“ Daimler-Truck-Chef Daum erwartet erst Anfang 2025 eine mögliche Erholung. „Wir sehen auch im Augenblick keine Entspannung in Europa aufs erste Halbjahr nächstes Jahr.“