Billig-Mode aus China : Chinas E-Commerce-Giganten - bedrohen Shein und Temu die Zukunft von Amazon?
Der Onlinehandel in Österreich und Deutschland kann nicht mehr an die Zeiten mit zweistelligen Wachstumsraten während der Pandemie anknüpfen. Auch 2023 zeigte sich nach einem schwachen Vorjahr keine nennenswerte Erholung. Prognosen deuten darauf hin, dass auch in naher Zukunft kein Aufschwung in Sicht ist. Laut dem Kölner Handelsforschungsinstitut EHI dürfen die größten 1.000 Onlineshops in diesem Jahr zwar ein nominales Plus von etwa einem Prozent erwarten, jedoch müssen sie preisbereinigt mit einem Rückgang rechnen.
>>> Chinesische Online-Giganten Temu und Shein unter Beschuss - droht das Aus in der EU?
"Der Onlinehandel leidet darunter, dass das Geld der Verbraucher woanders hinfließt, zum Beispiel in Reisen und Konzerte", erklärt Lars Hofacker, E-Commerce-Experte beim EHI. "Viele Händler haben in der Vergangenheit stark von der hohen Nachfrage profitiert und stehen nun aufgrund gestiegener Kosten vor großen Herausforderungen." Dennoch gibt es Gewinner: Asiatische Plattformen wie Shein und Temu konnten zuletzt deutliche Erfolge verzeichnen.
Shein: Umsatzplus von 30 Prozent in Deutschland
Shein, ein in China gegründeter Modehändler, erhöhte seinen Umsatz in Deutschland im vergangenen Jahr um beeindruckende 30 Prozent und kletterte in der Rangliste der umsatzstärksten Onlineshops auf Platz 18. Auch bei den Marktplätzen sind asiatische Anbieter vorne dabei. AliExpress belegt den vierten Platz, während Temu, das erst seit April 2023 in Deutschland aktiv ist, den Sprung in die Top 10 nur knapp verfehlte.
>>> Temu: Wie der chinesische Billig-Marktplatz funktioniert
Temu und Shein erleben derzeit einen steilen Aufstieg. Laut dem Branchenverband BEVH entfallen mittlerweile fünf Prozent aller Bestellungen im deutschen Onlinehandel auf diese beiden Plattformen. Innerhalb eines Jahres konnten sie ihren Marktanteil mehr als verdoppeln. Im zweiten Quartal 2023 lag Temu bei den Bestellungen bereits hinter Amazon, eBay und Otto auf Platz vier.
Diese Entwicklung setzt die etablierten Marktführer zunehmend unter Druck. Experten stellen die Frage, ob Temu und Shein die Dominanz von Amazon brechen können. "Temu und Shein zwingen Amazon in Deutschland zum ersten Mal seit knapp zehn Jahren, die Strategien anzupassen", erläutert Alexander Graf, Experte im E-Commerce. Bisher habe Amazon den Markt geprägt, sei jedoch auf die radikalen Geschäftsmodelle der beiden Konkurrenten kaum vorbereitet. Dies könnte sich langfristig auch in den Umsatzzahlen bemerkbar machen.
Schlechte Konsumstimmung kommt Temu und Shein entgegen
Shein und Temu locken Kunden vor allem mit niedrigen Preisen an, was ihnen angesichts der schlechten Konsumstimmung in Deutschland zugutekommt. Nach Angaben des Handelsverbandes Deutschland (HDE) versenden diese beiden Anbieter gemeinsam täglich rund 400.000 Pakete in die Bundesrepublik – eine Zahl, die Shein allerdings bestreitet. In Österreich erreichen täglich rund 30.000 Pakete von asiatischen Plattformen Österreich.
>>> Billig-Amazon: Wie Temu und Shein die Luftfracht-Kapazitäten verstopfen
Seit ihrem Markteintritt sorgen Shein und Temu für kontroverse Diskussionen. Sie nehmen etablierten Anbietern wie Otto zunehmend Umsatz ab. Schätzungen des Handelsverbands Textil Schuhe Lederwaren (BTE) zufolge kauften deutsche Verbraucher im Jahr 2023 rund eine Milliarde Modeartikel und Schuhe bei asiatischen Onlinehändlern. Zudem haben Shein und Temu ihre Plattformen kürzlich für deutsche Händler geöffnet, wodurch sie noch direkter mit Amazon und Co. konkurrieren.
Branchenvertreter stehen der neuen Konkurrenz kritisch gegenüber. "Hier wird der Markt mit oft fragwürdiger oder minderwertiger Ware überschwemmt, die in der EU zum Teil gar nicht verkauft werden darf", kritisiert Axel Augustin, Geschäftsführer des BTE. Shein und Temu weisen diese Vorwürfe zurück. Augustin fordert jedoch, gemeinsam mit anderen, eine stärkere Regulierung durch die EU sowie fairere Wettbewerbsbedingungen.
Hier wird der Markt mit oft fragwürdiger oder minderwertiger Ware überschwemmt, die in der EU zum Teil gar nicht verkauft werden darf.
E-Commerce leidet unter dem Erbe der Corona-Pandemie
Die deutsche Regierung plant, zusammen mit Österreich und anderen EU-Staaten strengere Kontrollen für solche Anbieter einzuführen. Ziel ist es, bei Verstößen gegen geltende Regeln, wie dem Verkauf unsicherer Produkte, konsequent Strafen zu verhängen. Auch bei den Verbrauchern gibt es Bedenken. Laut einer Umfrage des Kölner Handelsforschungsinstituts IFH sehen gut 60 Prozent der Befragten Plattformen wie Shein und Temu als unsicher an. Vor allem Besserverdiener, Männer und Personen ab 50 Jahren äußern große Vorbehalte, da sie die Qualität der bestellten Artikel anzweifeln.
Werner Reinartz, Marketingprofessor an der Universität zu Köln, sieht in dieser Unsicherheit allerdings auch eine Chance für andere Anbieter. Sie könnten sich durch ein höheres Maß an Vertrauen gegenüber den asiatischen Plattformen profilieren.
Obwohl der Konsumfokus auf niedrigen Preisen den Markt weiterhin bestimmt, gibt es leichte Zeichen der Stabilisierung. So verschieben sich die Käufe laut Branchenstudien nach wie vor zunehmend ins Internet, und die Unsicherheit der Konsumenten scheint allmählich abzunehmen. Der Branchenverband BEVH meldete für das zweite Quartal 2023 erstmals seit zwei Jahren ein leichtes Marktwachstum im Onlinehandel. Dennoch bleibt der Optimismus verhalten.
Der E-Commerce leidet unter dem Erbe der Pandemie. "Die Coronajahre mit den geschlossenen stationären Geschäften haben der Branche große Umsatzsprünge verschafft. Da ist es ganz normal, dass die weitere Entwicklung dann nicht in diesem Tempo weitergehen kann", so HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth.