Post Vorstand zum Hoffnungsmarkt Türkei : Post Vorstand Umundum: "Es werden sich schon einige fragen, warum denkt die kleine österreichische Post weltweit?"

Post Umundum

"Vor allem in Osteuropa wächst der Bereich Einsatz der 24/7-Stationen teils sehr stark": Peter Umundum, Vorstandsdirektor für Paket & Logistik bei der Österreichischen Post

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Roll On: Herr Umundum, die Post vermeldet regelmäßig eine Rekordanzahl an transportierten Paketmengen. Zur Einordnung: Wo lagen Sie zuletzt?

Peter Umundum:
Wir sind mit der Mengenentwicklung mehr als zufrieden. Die langfristige Entwicklung ist erstaunlich. Um 2010 herum lagen wir bei rund 50 Millionen Paketen. Heuer werden wir konzernweit auf eine halbe Milliarde Pakete kommen in all unseren Zustellgebieten. Das ist auf organisches und anorganisches Wachstum zurückzuführen. Und ganz konkret für Österreich gesprochen haben wir im Vorjahr die 200-Millionen-Pakete-Schallmauer geknackt. Damit lagen wir rund zehn Prozent über dem Jahr davor.

Die Covid-Pandemie hat in neue Höhen geführt.

Umundum:
Die Pandemie hat die Frequenzen deutlich erhöht. Wir konnten damals von 127 auf über 180 Millionen Pakete steigern.

Wie läuft es heuer?


Umundum:
Für heuer sehen wir sogar noch stärkeres Wachstum als im Vorjahr. Im ersten Quartal lagen wir bereits 15 Prozent über dem Vorjahr.

Wo kommt das Wachstum her?


Umundum:
Wir sehen mehrere Ursachen. Zuallererst wachsen wir mit unseren ganz großen Kunden wie Amazon mit. Amazon ist gleichzeitig Wettbewerber im Markt und hat ja auch eine eigene Zustellung aufgebaut. Aber wir sehen, dass wir aktuell wieder mehr Menge bekommen. Auch mit anderen großen Kunden, vor allem aus Deutschland heraus wie etwa DHL, funktioniert die Partnerschaft hervorragend. Wir sehen weiters eine leicht positive Entwicklung bei E-Commerce, entgegen der lange rückläufigen Wachstumsraten. Einen Beitrag leistet sicher das China-Geschäft. Im Vorjahr lag der Anteil am Gesamtpaketmarkt bei drei Prozent. Das ist schon eine relevante Größe, sicher aber auch nicht dieser big bang, von dem zuweilen die Rede ist. Wenngleich das Chinageschäft über dem Marktwachstum liegt.

Stichwort Supply Chain-Strategien. Mit SPECTRE hat die Post eine neue Logik entwickelt....


Umundum:
Es gibt diese typischen Bestellkurven im E-Commerce-Bereich. So um 17, 18 Uhr fährt üblicherweise die Bestellkurve nach oben. Bis 23 Uhr, dann bricht sie ab. Bisher war es so, dass man immer so bis 20 Uhr bestellen musste, um am nächsten Tag in ganz Österreich zustellen zu können. Jetzt ist es uns für unsere Premium-Kund*innen wie Amazon gelungen, die Bestellungen bis 23 Uhr mitzunehmen. Lkw fahren vorsortiert - und mit Ankunftszeiten zwischen vier und fünf Uhr - die Logistikzentren in Alhamming für Oberösterreich und Kalsdorf bei Graz für die Steiermark an.

Es folgt ein weiterer Sortierprozess für die Zustellgebiete. Zusätzlich starten die Zusteller teilweise eine Spur später, je nach Lage der Zustellbasis. So gelingt es, diese späten Bestellungen am nächsten Tag bereits beim Kunden zu haben. Nicht nur ein Vorteil im Vergleich zu den Wettbewerbern, sondern auch im Vergleich zum stationären Handel.

Was machen Sie für KMU und den heimischen Handel?


Umundum:
Wir sind in Gesprächen mit der Wirtschaftskammer und dem Handelsverband, um gemeinsam Angebote und Lösungen zu entwickeln, damit der heimische Handel im E-Commerce noch präsenter wird. Dazu gehen wir in die Offensive und wollen den Handel unterstützen. Das beginnt bei der Versandsoftware und endet bei einem All-Inclusive-Angebot mit Listung bei shöpping und Lagerung und Kommissionierung durch die Post Systemlogistik. Eine wichtige Rolle können auch Anbieter von regionalen Genussprodukten spielen, wie etwa mit der Lebensmittelzustellung oder dem Weinversand.

Hier bieten wir mit der Lebensmittelbox oder dem zertifizierten Weinpaket spezifische Lösungen für die jeweiligen Bedürfnisse an. Wein, Käse, Brot und andere Spezialitäten gehen so aus der Region ins ganze Land, und kein Händler sollte einen geringeren Anspruch haben, als ganz Österreich als Kund*innen ansprechen zu wollen.

"Wir haben jetzt auch die ersten beiden E-LKWs in Inzersdorf zum Einsatz gebracht. Diese sind in einer Art Shuttle-Service zum Flughafen hin in Betrieb." Peter Umundum

Sie beginnen auch, über neue Formen der Zustellung nachzudenken. Welche?

Umundum:
Es gibt bereits seit längerem für Kund*innen im Großraum Wien eine Nachmittagszustellung. Auch diskutieren wir eine weitere Ausweitung der Samstagszustellung – davon können auch insbesondere regionale Händler*innen profitieren, die im Großraum Wien ansässig sind. Generell forcieren wir weiter, unsere 24/7-Infrastruktur, also unsere Locker-Systeme, als direkte Empfängeradresse zu etablieren. Wir haben mittlerweile mehr als eine Million Abstellgenehmigungen. Wir dürfen dort in den Kellerbereich, vor die Haustür, in die Garage, wo auch immer unsere Pakete abliefern. So werden über 40 Millionen Pakete zugestellt.

Sie testen gerade die Vorzimmerzustellung, bei der der Zusteller über ein digitales Schloss in die Wohnung gelangt. Wie läuft das Geschäftsmodell an?


Umundum:
Rund 2000 Interessent*innen haben sich alleine nach 24 Stunden angemeldet. Die Lösung wird wahrscheinlich nicht Mainstream werden, das ist klar. Aber auch dafür gibt es eine interessierte Zielgruppe. Und es zeigt: In uns, die Post, gibt es dieses Grundvertrauen. Damit es so bleibt, müssen wir damit sorgfältig umgehen.

Stichwort Inzersdorf, Ihr neues Verteilzentrum. Ein Projekt der Superlative?


Umundum:
Inzersdorf ist in Summe unser größtes Logistikzentrum. Weil hier auch noch viel an Briefsortierung passiert. Das neue Paketlogistikzentrum ist eines der modernsten seiner Art, wenn nicht das modernste Europas. Es kommen hier wieder neue Konzepte erstmalig in zum Einsatz wie das hybride Dreisorterkonzept für Kleinpakete, Standardpakete sowie Sperrgut oder Großpakete. E verbindet die Prozesse wie unterschiedliche Sortierfähigkeiten einer Logik folgend miteinander. Das hat nicht zuletzt auf der letzten Meile einen großen Hebel.

Post Logistikzentrum NOE 14
Der Logistikstandort in Wien-Inzersdorf ist der größte der Österreichischen Post AG. - © Post

Wieweit ist der Standort automatisiert?

Umundum: Es ist stark automatisiert, keine Frage. In der Beladung geht aber noch relativ viel manuell. Wenngleich wir auch dort erste Robotersysteme, so genannte Picker, prüfen. Die Entladung wird verstärkt automatisiert. Etwa über den in einem Post-Start-Up gemeinsam mit der TU Graz entwickelten AutoUnloader, der sich aus einer mobilen und einer stationären Einheit zusammensetzt. Miteinander verbunden sorgen diese für die Entladung von Paketen aus einer Wechselaufbaubrücke oder einem LKW, dem Spiel Tetris nicht unähnlich. Mittlerweile erfolgte der Exit an das Unternehmen Caljan aus Dänemark.

Das Verteilzentrum ist wohl ziemlich nachhaltig?

Umundum: Wir haben Photovoltaik auf dem Dach. Und Begrünung rundherum. Und weil es zum Thema passt: Wir haben jetzt auch die ersten beiden E-LKWs in Inzersdorf zum Einsatz gebracht. Diese sind in einer Art Shuttle-Service zum Flughafen hin in Betrieb. Für den Einsatz gibt es genug Sendungsmengen und wir haben dafür auch ein bisschen Zeit, um zwischendurch immer wieder zu die Batterien nachzuladen.

Wie ist der Elektrifizierungsgrad bei Ihren 9.000 Zustellfahrzeugen?

Umundum: Demnächst werden wir 5.000 Fahrzeuge auf E-Mobilität umgestellt haben. Wir warten schon auf die ersten E-Allradfahrzeuge für Zustellgebiete, die Allrad erfordern. Heuer sollten wir die ersten 200 Testfahrzeuge bekommen. Wo wir ebenfalls dran sind, ist das Thema bidirektionales Laden. Eine Flotte von mehreren tausend Fahrzeugen ist dann auch ein schönes Speicherkraftwerk. Gerade am Wochenende gibt es gute Möglichkeiten, zu buffern. Wir haben auch die Förderzusage für Wasserstofffahrzeuge, da warten wir auf geeignete Fahrzeuge. Uns ist Technologieoffenheit wichtig. Denn noch fehlen vielfach vernünftige Betriebsmöglichkeiten.

Welche Trends sehen Sie auf der Letzten Meile?

Umundum: Ein Trend, der auch international zu sehen ist, ist der angesprochene Einsatz von 24/7-Stationen. Vor allem in Osteuropa wächst der Bereich teils sehr stark. Der Trend kommt auch verstärkt nach Österreich. Es gibt drei Boxensysteme zu unterscheiden. Einerseits die Versandstation an den Filialstandorten. Die ist gut geeignet für beispielsweise Retouren. Dann die fast 80.000 Post Empfangsboxen, etwa in den Eingangsbereichen von Wohnhäusern, die dann in den berühmten 'Schlapfenradius' fallen. Drittens unsere Lockersysteme, von denen wir über 600 mit in Summe knapp 120.000 Fächern aufgestellt haben. Hier werden wir heuer noch weitere eintausend - teils mit Partnerschaften - in Betrieb nehmen.

Stichwort Internationalisierung: Wie weit denken Sie über den Tellerrand hinaus?

Umundum: Es werden sich schon einige fragen, warum denkt die kleine österreichische Post weltweit? Die Post ist wohlgemerkt gar nicht mehr so klein. Wir haben mit unseren gesamten Auslandsbeteiligungen inzwischen ein Zustellnetz von 150 Millionen Empfängern. Da hast du schon Relevanz. Neben unserem Fokus auf Ost- sowie Südosteuropa sehen wir gerade auch die Türkei als potenziellen Hub für Weiterentwicklungen auch weiter Richtung Osten.

Konkret bauen wir bereits für unsere türkischen Kunden und Versender in Aserbaidschan ein Zustellnetzwerk - auch mit Lockersystemen - auf. Der chinesische Händler Temu hat bereits begonnen, auch in Aserbaidschan direkt einzuliefern. Da greifen die Dinge für uns ineinander, wir können diese Geschäftsbeziehungen entsprechend nutzen.

Post
Leicht positive Entwicklung bei E-Commerce, entgegen der lange rückläufigen Wachstumsraten. - © Post

ZUR PERSON

Peter Umundum ist Vorstandsdirektor für Paket & Logistik bei der Österreichischen Post AG. 2005 trat er als Mitglied der Divisionsleitung Brief ins Unternehmen ein. Seit 2011 verantwortet er als Vorstandsdirektor die Division Paket & Logistik, die mit eigenen Gesellschaften in insgesamt zwölf Ländern tätig ist und der ca. 20.000 Mitarbeiter zugeordnet sind.

Seit 2019 trägt er die Verantwortung für die gesamte Logistik aller Brief- und Paket-Produkte. In seinem Vorstandsressort sind mit den Bereichen Distribution, Logistikzentren & Transport, Strategische Netzwerkplanung & -steuerung, Konzern-Fuhrpark, Paket Österreich, CEE Paket & Türkei zentrale operative Aufgaben von Produktion und Vertrieb gebündelt.

DI Peter Umundum
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