Kunststoffindustrie : Börsengang von Borouge beschert OMV-Tocher Borealis hohe Gewinne

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Borealis-Werk in Linz: Wird die tschechische Agrofert den Stickstoff-Standort Linz aufgeben?

- © Borealis Group

Die OMV-Chemietochter Borealis hat im ersten Halbjahr 2022 einen Nettogewinn von 1,83 Mrd. Euro geschrieben, nach 821 Mio. in der Vorjahresperiode. Das Betriebsergebnis sank nach rückwirkend angepassten Zahlen für 2021 geringfügig von 695 Mio. Euro auf rund 665 Millionen, die Umsatzerlöse kletterten von 4 Mrd. auf gut 5,1 Mrd. Euro, wie aus dem am Donnerstag veröffentlichten Halbjahresfinanzbericht hervorgeht.

Einen wesentlichen Beitrag zur Vergrößerung des Gewinns habe der Börsengang der Kunststofffirma Borouge geleistet, heißt es in dem Bericht. Ebenso eine positive Wirkung ergab sich den Angaben zufolge durch ein verbessertes Angebot für die geplante Übernahme des NITRO bzw. Stickstoff-Segments durch den tschechischen Agrofert-Konzern, was die teilweise Auflösung einer erfassten Wertminderung in Bezug auf die Sparte ermöglicht habe.

Die Verschuldungsquote lag per Ende Juni 2022 bei 2 Prozent, das entspricht einem Rückgang von 1 Prozentpunkt seit Dezember 2021. Die Nettoverschuldung ging in der ersten Jahreshälfte um 52 Mio. Euro zurück. An ihre Aktionäre schüttete die Borealis eine Dividende in Höhe von 698 Mio. Euro aus. Die OMV ist an der Borealis mit 75 Prozent beteiligt, zu 25 Prozent gehört das Unternehmen dem Staatsfonds Mubadala in den Vereinigten Arabischen Emiraten.

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Gesprächsbedarf zur Übernahme durch Agrofert

Die geplante Übernahme des Stickstoffgeschäfts von Borealis in Linz durch den tschechischen Agrofert-Konzern sorgt weiterhin für Gesprächsbedarf. Nachdem Ende Juli Vertreter von Borealis und Agrofert dem Land Oberösterreich eine Standortgarantie für die Düngemittelproduktion im Chemiepark abgeben hatten, hieß es in der vergangenen Woche, Borealis werde weiter einen eigenständigen Marktauftritt und unternehmerische Freiheiten haben. Dies teilte die Landwirtschaftskammer OÖ mit.

Es sei zudem beabsichtigt, die bisherigen Produktionskapazitäten der Agrofert-Gruppe im Düngemittelbereich fast zu verdoppeln. Auch wollen die Tschechen der Landwirtschaft mittel- und längerfristig mehr Versorgungssicherheit und bessere Liefer- bzw. Absatzbedingungen bieten, fasste die Landwirtschaftskammer das Treffen mit dem stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden von Agrofert Petr Cingr und Finanzchef Libor Nemecek zusammen.

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Agrarlandesrätin Michaela Langer-Weninger (ÖVP) und Landwirtschaftskammerpräsident Franz Waldenberger unterstrichen in dem Gespräch einmal mehr, "dass die heimische Bauernvertretung gegenüber der EU auf eine gründliche kartellrechtliche Prüfung der geplanten Übernahme drängt". Der stv. Vorstandsvorsitzende von Agrofert Petr Cingr und Finanzchef Libor Nemecek kündigten demnach neben einer Standortgarantie auch weitere Investitionen in Linz an.

Stv. Vorstandsvorsitzende von Agrofert Petr Cingr: Man will am Standort Linz festhalten.
Stv. Vorstandsvorsitzende von Agrofert Petr Cingr: Man will am Standort Linz festhalten. - © Agrofert

Sicherheit für den Standort Linz?

Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner (ÖVP) erklärte, dass mit der Standortgarantie und den angekündigten Investitionen entsprechende Voraussetzungen geschaffen würden, das vorhandene Zukunftspotenzial dieses Bereichs des Chemie-Standorts Oberösterreich auch künftig voll auszuschöpfen und weiter vergrößern zu können. "Die Übernahme des Stickstoffgeschäfts von Borealis durch Agrofert bringt Vorteile für die Versorgungssicherheit in Österreich und Europa, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und den Chemiepark Linz. Denn Agrofert steht für ein langfristiges Engagement am Standort Linz und die Weiterentwicklung des Düngemittelgeschäfts", betonen Borealis-CEO Thomas Gangl und Leo Alders, Borealis-CEO des Geschäftsbereichs Pflanzennährstoffe, Melamin und technische Stickstoffprodukte, Petr Cingr, stellvertretender Vorstandsvorsitzender von Agrofert und Libor Nemecek, Agroferts Head of M&A and Corporate Finance.

Darüber hinaus sei von den Unternehmensvertretern in den Gesprächen klar kommuniziert worden, dass man die weitere Entwicklung des Chemieparks gemeinsam mit den dort ansässigen Unternehmen fortführen wolle. Auch für Agrar-Landesrätin Michaela Langer-Weninger (ÖVP) ist es absolut unverzichtbar, die wesentlichen Teile der Wertschöpfungskette in heimischer und europäischer Hand zu behalten und so eine Düngemittelproduktion am Standort Linz zu gewährleisten.

Die Sorge, dass das Werk in Linz periodisch stillgelegt werden könnte, sieht ein Geschäftsführer eines Chemiepark-Unternehmens, der namentlich nicht genannt werden will, im Gespräch mit der APA nicht begründet. Bei einem kolportierten Kaufpreis von 810 Mio. Euro sei es unwahrscheinlich, dass das Werk einfach abgeschaltet werde. Außerdem gebe es vielfältige vertragliche Verpflichtungen, denen die Käufer nachzukommen hätten, um nicht für Schadenersatz aufkommen zu müssen. Auch vom technischen Aspekt her sei es wirtschaftlich nicht sinnvoll, ein Werk dieser Größe wiederholt auszuschalten und wieder hochzufahren.

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Weil Borealis auch schon länger die Linzer Düngemittelsparte verkaufen will, seien an dem Standort manche Investitionen ausgeblieben, was sich unter neuen Besitzern wohl ändern würde, vermutet der Unternehmenschef. Für den Chemiepark als Industriestandort könnten durch den Verkauf sogar Vorteile entstehen. Aktuell gebe es keine zentrale Verwaltung, weshalb Einzelabsprachen mit fast allen ansässigen Unternehmen notwendig seien. Ein etwaiger Verkauf könne aber den Weg für ein zentralisiertes Verwaltungsorgan oder ein Unternehmen ebnen, welches sich hauptsächlich diesen administrativen Aufgaben widmet.

Bauernbund schaltet sich in Übernahme ein

Zum geplanten Verkauf des Linzer Düngemittel-Werks der Borealis schaltet sich nun auch der Oberösterreichische Bauernbund in die Debatte um den ein und fordert in einer Presseaussendung eine Produktionsgarantie im Falle eines Verkaufs. Alle wesentlichen Teile der Wertschöpfungskette müssten im Falle eines Verkaufs in heimischer oder europäischer Hand behalten werden. Außerdem sollten im Falle eines Gaslieferstops die Land- und Lebensmittelwirtschaft als systemrelevant eingestuft werden.

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Nachdem sich der Oberösterreichische Bauernbund zuerst zurückgehalten hatte, sorgt man sich nun um die Sicherheit, Lebensmittel produzieren zu können. Als Bauern-Interessensvertreter teile man die Skepsis der Agrarbranche gegenüber dem Verkauf an Agrofert. "Die Eigenversorgung mit Lebensmitteln darf auf keinen Fall gefährdet werden", so Bauernbund-Direktor Wolfgang Wallner. Daher laufen Versuche, zu verhindern, dass im Falle eines Verkaufs der Linzer Standort auf sogenannte "Swing-Produktion" umgestellt werde, wobei das Werk in Zeiten niedriger Düngemittelpreise stillgelegt würde.

Ein "Desaster"?

Ralph Rosenhain, pensionierter technischer Einkaufsleiter der ehemaligen Agrolinz, heute "Borealis Agrolinz Melamine", sieht den Verkauf hingegen als "Desaster", die oberösterreichische Industriepolitik als enttäuschend. Gerade in diesen Zeiten könne man nicht ernsthaft darüber nachdenken, noch mehr Grundstoffproduktionen auszulagern oder ins Ausland zu veräußern. Seiner Meinung nach würde Agrofert in Linz nur investieren, wenn sich die Düngemittel- und Melaninpreise auf einem nachhaltig hohen Niveau befinden. Diese Märkte seien aber extrem volatil und könnten innerhalb nur weniger Wochen komplett einbrechen. Auch mit dem Agrofert-Eigentümer, Tschechiens Ex-Ministerpräsident Andrej Babis, hat er Erfahrung. So habe er zugesehen, wie dessen Manager ein großes Chemiewerk in Deutschland dezimiert und kleingespart hätten, sagt er.

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Den Verkauf kritisiert er aufs Schärfste, unter anderem weil dadurch die Zusammenarbeit und viele Arbeitsabläufe nachhaltig gestört werden könnten. Das Fortbestehen des Firmenverbunds würde von einem in Managerkreisen nicht für seine Zuverlässigkeit bekannten Besitzer abhängig gemacht, befürchtet Rosenhain. Andere im Chemiepark ansässige Firmen haben keine offiziellen Aussagen zur Verfügung gestellt. Von Borealis selbst wurde zwar der Wert des Angebots der Agrofert bestätigt