KTM Insolvenz News : Bajaj übernimmt Kontrolle über KTM: So clever nutzt Bajaj das Sanierungsrecht aus
Der indische Aktionär Bajaj darf die Kontrollmehrheit bei der KTM-Mutter Pierer Mobility übernehmen, ohne damit ein Pflichtangebot an die übrigen Aktionäre auszulösen.
- © Bajaj/KTMDer indische Motorradhersteller Bajaj Auto darf künftig die Kontrollmehrheit an Pierer Mobility, der Muttergesellschaft von KTM, übernehmen – und das ohne Pflichtangebot an die restlichen Aktionäre. Die österreichische Übernahmekommission habe dieser Ausnahme zugestimmt, wie Pierer Mobility am Donnerstagabend bekannt gab. Grundlage der Entscheidung sei eine Sonderregelung im Zusammenhang mit einem Sanierungsverfahren.
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Zur Absicherung der übrigen Anteilseigner wurden Bajaj jedoch spezifische Bedingungen auferlegt, um deren Interessen zu wahren.
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Nach KTM-Rettung: Bajaj sichert sich Kontrolle über Pierer Mobility
Bajaj ist seit 2007 strategischer Partner von KTM. Im Frühjahr 2025 spielte der indische Konzern eine zentrale Rolle bei der Rettung der insolventen KTM, indem er eine umfassende Finanzspritze zur Verfügung stellte. Als Gegenleistung wurde vereinbart, dass Bajaj das bisherige Joint Venture Pierer Bajaj vollständig übernimmt und damit die Mehrheit an Pierer Mobility erhält.
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Im Detail sieht die Vereinbarung vor, dass Bajaj alle von der Pierer Industrie gehaltenen 50.100 Aktien an Pierer Bajaj übernimmt – 100 Aktien durch direkten Kauf, weitere bis zu 50.000 Aktien mittels einer Call-Option. Aktuell hält Pierer Bajaj 75 % der Anteile an Pierer Mobility.
Bajaj vor dem nächsten Schritt: Call-Option hängt an EU-Genehmigungen
Noch stehen wettbewerbsrechtliche Genehmigungen aus. Sobald diese erteilt und sämtliche Bedingungen erfüllt sind, ist Bajaj verpflichtet, die Call-Option vollständig innerhalb von 20 Börsentagen auszuüben. Gleichzeitig muss das Unternehmen umfassende Informationen an die Übernahmekommission liefern – ein Schritt, der verhindern soll, dass ein Pflichtangebot ausgelöst wird. „Die Übernahmekommission verlangt, dass Bajaj innerhalb von 20 Börsentagen die vereinbarte Call-Option zur Gänze ausübt und anschließend umfangreichen Informationspflichten […] nachkommt, damit kein Pflichtangebot ausgelöst wird.“
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Laut Bescheid der Übernahmekommission habe Bajaj mitgeteilt, dass die notwendigen EU-Genehmigungen sowie die Erfüllung aller Bedingungen der Call-Option bis zum 10. November 2025 erwartet werden. Im Anschluss soll die vollständige Ausübung der 50.000 Call-Optionen erfolgen.
Bajaj rettet KTM: Millionenhilfe sichert Sanierungsplan ab
Die traditionsreiche Motorradmarke KTM hatte Ende November 2024 Insolvenz angemeldet und ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung beantragt. Rund 2.600 Mitarbeiter sowie 1.250 Lieferanten und Banken meldeten Forderungen in Höhe von rund 2,2 Milliarden Euro an.
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Der von den Gläubigern am 25. Februar 2025 mehrheitlich angenommene Sanierungsplan sah eine Barquote von 30 % vor. Die dafür erforderlichen 600 Millionen Euro mussten bis zum 23. Mai bereitgestellt werden – sonst wäre die Insolvenz in ein Konkursverfahren übergegangen.
Bajaj stellte über ein Darlehen von 450 Millionen Euro den Großteil der notwendigen Summe bereit und sicherte so nicht nur das Überleben von KTM, sondern stärkte auch seine strategische Position innerhalb der Pierer-Gruppe.
Bajaj treibt Wandel in der Motorradbranche voran – mit KTM als Schlüsselmarke
Während der indische Konzern seine Position im globalen Premiumsegment weiter ausbauen will, ist die Beteiligung an KTM für ihn strategisch zentral: Mit der Kontrolle über die traditionsreiche Marke aus Mattighofen gewinnt Bajaj nicht nur Zugang zu europäischer Technologie und Entwicklungsinfrastruktur, sondern auch zu etablierten Märkten in der EU und Nordamerika. Branchenkenner werten den Schritt daher als Teil eines langfristigen Plans zur globalen Marktverschiebung – weg von westlich dominierten Motorradmarken hin zu einem neuen, zunehmend indisch geprägten Gleichgewicht in der Zweiradindustrie. Gleichzeitig bringt Bajaj mit der Übernahme Know-how in kosteneffizienter Produktion und Skalierung ein – Fähigkeiten, die im Rahmen der angekündigten Effizienzoffensive bei KTM künftig entscheidend sein dürften.
Bajaj leitet Kulturwandel bei KTM ein: Wirtschaftlichkeit statt Markenromantik
Mit der Übernahme durch Bajaj Auto beginnt für KTM nicht nur ein finanzieller, sondern auch ein kultureller Neustart. Der indische Mehrheitseigentümer setzt klare betriebswirtschaftliche Maßstäbe – fernab von emotional aufgeladenem Marken-Pathos, das die österreichische Motorradmarke lange prägte. Während die „alten Zeiten“ des kompromisslosen Expansionskurses kritisch aufgearbeitet werden, richten sich alle Augen auf Effizienz, Synergien und globale Wettbewerbsfähigkeit. Die Entscheidung, sich aus der Trial-WM mit GasGas zurückzuziehen, ist dabei mehr als ein Einzelfall – sie steht exemplarisch für eine neue Ära, in der Wirtschaftlichkeit Vorrang hat. Gleichzeitig sendet die Verlagerung von GasGas-Produktionskapazitäten nach Mattighofen ein wichtiges Signal: Der Standort Österreich bleibt Teil der Strategie – allerdings unter veränderten Vorzeichen.
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Parallel zur Integration in den Bajaj-Konzern rückt eine weitere Veränderung in den Vordergrund: Die Markenidentität der Pierer Mobility AG selbst. In Kapitalmarktkreisen wird spekuliert, dass es auf einer möglichen außerordentlichen Hauptversammlung nicht nur um die Bestellung eines neuen Abschlussprüfers gehen könnte, sondern auch um eine Namensänderung. Der Schritt wäre symbolisch wie strategisch: Er würde den Abschluss der Ära Pierer markieren und den Neuanfang unter indischer Führung untermauern. Für die 25 Prozent Streubesitzaktionäre stellt sich derweil die Frage nach dem weiteren Umgang mit ihren Anteilen. Zwar muss Bajaj aufgrund des Sanierungsprivilegs kein Pflichtangebot legen, dennoch ist Experten denkbar, dass es zu einem schrittweisen Rückzug von der Börse oder gar zu einem Squeeze-out kommen könnte. Damit bleibt die Aktie ein volatiles Spekulationsobjekt – zumindest solange, bis Klarheit über die strategischen Absichten des neuen Mehrheitseigentümers herrscht.
Immobilien als Machtfaktor: Was Bajaj bei KTM künftig (nicht) mieten will
Ein weiterer zentraler Punkt in der Neustrukturierung des Konzerns betrifft die Immobilien, die KTM aktuell nutzt, aber nicht selbst besitzt. Diese Liegenschaften – darunter Logistikflächen, Showrooms und das prestigeträchtige „House of Brands“ in Munderfing mit Vorstandsbüros – wurden aus der Pierer Immoreal GmbH herausgelöst und in die neu gegründete MR Immoreal GmbH mit Sitz in Wels übertragen. Zwar gehört diese neue Gesellschaft noch der Pierer-Konzerngruppe, doch Beobachter erwarten mittelfristig einen Eigentümerwechsel. Laut Pierer Mobility besteht ein Vorkaufsrecht, das unter Umständen gezogen werden könnte – nicht zuletzt, weil Bajaj kaum Interesse daran haben dürfte, künftig Flächen von Stefan Pierer anzumieten. Für die Übernahmekommission ist die vollständige Transparenz über die Immobilienkonditionen ein wesentlicher Bestandteil ihrer Genehmigungsauflagen. Damit geraten auch bisher weniger beachtete strukturelle Details in den Fokus, die strategisch hoch relevant sind.