Logistik : Außenhandel: Ist die Globalisierung am Ende?

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Experten sehen das Ende der Globalisierung gekommen.

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Nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sehen die Logistikexperten des Beratungsunternehmens PricewaterhouseCoopers (PwC) erste Anzeichen für eine Umkehr der wirtschaftlichen Globalisierung. Ein Indiz für die Experten: Im ersten Halbjahr 2022 waren chinesische Unternehmen nur an 15 Prozent aller weltweiten Übernahmen und Zusammenschlüssen beteiligt. Dies seit der niedrigste Stand seit 10 Jahren. Laut PwC-Prognose könnte sich dieser Trend weiter fortsetzen.

"Tendenzen zur Deglobalisierung lassen sich bereits beobachten", sagt PwC-Partner André Wortmann. "Zudem besteht die Gefahr, dass sich ein Gegengewicht zu den westlichen Ländern unter chinesischer und russischer Führung bilden könnte. In der Folge könnten westliche Transport- und Logistikfirmen zurückhaltender werden, wenn es um Deals oder Investitionen in China geht."

In einer Studie von PricewaterhouseCoopers und deren globaler Strategieberatung Strategy& heißt es zwar, der Rückgang der Transaktionsaktivitäten mit chinesischer Beteiligung sei sicherlich auch auf die anhaltende Covid-19-Krise in China zurückzuführen. Allerdings wird darin auch von einer "Besorgnis über eine mögliche Ostblockbildung unter chinesischer und russischer Führung" gesprochen.

Basierend auf Interviews mit "Experten und führenden Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik" werde vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges ein beschleunigter Trend zur Deglobalisierung als derzeit wahrscheinlichstes Szenario gesehen. Dieses beruhe auf der Annahme eines lang anhaltenden Krieges, der zu anhaltenden Sanktionen gegen Russland, anhaltender wirtschaftlicher Unsicherheit und eingeschränkten Handelsaktivitäten führen dürfte.

Unterdessen hat sich PwC zufolge die globale Konzentrationswelle in der Logistik- und Transportwirtschaft nach dem Rekord 2021 im ersten Halbjahr 2022 leicht abgeschwächt. Der Studie zufolge wurden in diesem Sektor weltweit zwischen Jänner und Juni insgesamt 129 Transaktionen im Gesamtwert von knapp 126 Milliarden US-Dollar angekündigt. 2021 waren es PwC zufolge weltweit 322 Transaktionen im Gesamtwert von rund 219 Mrd. Dollar.

Dass sich der Vorjahrestrend entgegen der PwC-Prognose vom Jahresanfang abgekühlt hat, erklären die PwC-Experten vor allem mit den Folgen des Krieges. "Diese Entwicklung ist vor allem der allgemeinen Unsicherheit geschuldet, die durch die russische Invasion in die Ukraine und den daraus resultierenden Folgen wie den explodierenden Energiepreisen, hohen Personalkosten und gestörten Lieferketten verstärkt wurde", sagte PwC-Logistikexperte Ingo Bauer.

Tipp der Redaktion: Köppl-Turyna: Warum Deglobalisierung ein Fehler wäre.

Das Ende von 30 glorreichen Jahren

Sowohl Kritiker als auch Befürworter der Globalisierung sind sich in einem Punkt einig: die Verflechtung der weltweiten Wirtschaft hat das Leben nahezu aller Menschen auf der Welt beeinflusst. Sowohl die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine setzen den weltweiten Wirtschaftsströmen stark zu: die Globalisierung mit ihren immer komplexeren Lieferketten brachte Effizient - aber auch ein immer größeres Risiko.

Schon während der Pandemie hatten Firmen weltweit mit Lieferengpässen zu kämpfen. Der Ukraine-Krieg verschärft diese Probleme nun weiter: steigende Energiepreise, teure Rohstoffe, fehlende Vorprodukte, unterbrochene Lieferketten.

Der Vorstandsvorsitzende der Investmentgesellschaft BlackRock, Larry Fink, fand in einem Brief an Anleger klare Worte: "Die russische Invasion in der Ukraine hat der Globalisierung, wie wir sie in den letzten drei Jahrzehnten erlebt haben, ein Ende bereitet". Schon in der Pandemie seien die Verbindungen zwischen Ländern, Unternehmen und Menschen unter Druck geraten.

Lesen Sie hier: die hohe Nachfrage nach Halbleitern.

Auch der Weltwirtschaftsexperte Gabriel Felbermayr hat die Idee eines weltweiten Marktes schon beerdigt. "Schon seit der Finanzmarktkrise der Jahre 2008 und 2009 steht fest, dass die Hyper-Globalisierung vorbei ist", sagte der frühere Direktor des Kieler Instituts für Weltwirtschaft. Nun sei das Ende von 30 "glorreichen Jahren" der Globalisierung gekommen.

"Eine Vielzahl von Verwundbarkeiten" seien sichtbar geworden, sagt der ehemalige Generaldirektor der Welthandelsorganisation, Pascal Lamy. Lieferketten seien immer komplexer geworden und der Welthandel immer verflochtener.

Wie Zumtobel Probleme bei der Verfügbarkeit von Vorprodukten hat.

Die EU und die USA haben bereits reagiert: Das Stichwort lautet strategische Autonomie und betrifft beispielsweise die Herstellung von Halbleitern. Sie sind nötig für unzählige Technologieprodukte-sowohl die USA als auch die EU wollen nun eigene Chipproduktionen auf ihrem Gebiet haben.

Die Pandemie habe noch keinen "radikalen Wandel" bei der Verlagerung von Produktionsstätten ausgelöst, sagt Ferdi De Ville vom Ghent Institut für Internationale und Europäische Studien in Belgien. Der Ukraine-Krieg verändere jedoch, "wie Unternehmen über ihre Investitionsentscheidungen und Lieferketten nachdenken".

Schon seit der Finanzkrise 2009 vorbei: Die Hype-Globalisierung.
Schon seit der Finanzkrise 2009 vorbei: Die Hype-Globalisierung. - © Alexander Müller / Wifo

Strategische Autonomie: Was ist das?

Strategische Autonomie wird als die Fähigkeit definiert, eigene außen- und sicherheitspolitische Prioritäten zu setzen und Entscheidungen zu treffen. Dabei gilt es die institutionellen, politi­schen und materiellen Voraussetzungen in Kooperation mit anderen Akteuren oder eigenständig umzusetzen. Autonomie bedeutet dabei jedoch keineswegs die Abschottung nach außen. Allianzen sind wichtig um gemeinsame Interessen durchsetzen zu können.

China wird Zukunft der Globalisierung entscheidend beeinflussen

Felbermayr sieht bereits die Weltwirtschaft bereits wieder zerfallen - in einzelne Blöcke des Westens, einen von China dominierten Einflussbereich, das sich zunehmend emanzipierende Indien und ein sich isolierendes Russland.

China, zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt, wird die Zukunft der Globalisierung entscheidend beeinflussen. Seitdem der ehemalige US-Präsident Donald Trump im Jahr 2018 einen offenen Handelskrieg mit der Volksrepublik begann, erhob auch sein Nachfolger Joe Biden "Buy American" zum Prinzip seiner Politik. Die unklare Rolle Chinas im Ukraine-Krieg und ein möglicher Angriff auf Taiwan könnten zu weiteren wirtschaftlichen Verwerfungen führen.

"Noch liegt es nicht im chinesischen Interesse, mit dem Westen in einen Wettbewerb zu treten", sagt der Portfoliomanager der Investmentgesellschaft Edmond de Rothschild, Xiaodong Bao. Der Ukraine-Krieg biete aber eine Chance für China, seine Abhängigkeit vom Dollar zu verringern.

Laut "Wall Street Journal" spricht Peking etwa schon mit Saudi-Arabien, um künftig Öl in chinesischen Yuan anstatt in Dollar zu bezahlen. "China wird sich weiter ein Fundament für die Zukunft aufbauen", sagt Bao. "Die finanzielle Entkopplung gewinnt an Geschwindigkeit".